Old Surehand I. Karl May

Читать онлайн.
Название Old Surehand I
Автор произведения Karl May
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746747453



Скачать книгу

Wir haben also das Lager vor und die Pferde mit den Wächtern hinter uns und befinden uns in einer Lage, welche die größte Vorsicht erfordert, zumal die Indianergäule fast ebenso wachsam wie ihre Herren sind. Doch wollen wir jetzt nicht mehr sprechen; wir haben unsre Aufmerksamkeit zusammenzunehmen.«

      Wir hatten jetzt ungefähr die Hälfte unsres Weges zurückgelegt und mußten aufpassen, denn je näher wir dem See kamen, desto leichter war es möglich, daß wir auf etwa noch umherstreifende Indsmen stießen. Glücklicherweise war dies nicht der Fall, und wir kamen ohne eine solche unerwünschte Begegnung an die Stelle, wo das Wasser aus dem See abfloß.

      Der Waldesstreifen machte von hier aus einen weiten Bogen in die Grasebene hinaus, dem wir folgten, bis wir plötzlich unsre Schritte anhielten, weil wir vor uns laute Stimmen hörten.

      »Pa-gu!« rief jemand. »Hetet-sha enuka?«

      Das heißt: »Pa-gu, wo bist du?«

      »Eiwe, hier,« antwortete ein zweiter.

      »Beite omi!«

      Das heißt: »Komm her!«

      »Schai ka-tu lel, ich habe keine Zeit.«

      Hierauf trat wieder Stille ein. Ich sagte leise zu Old Wabble:

      »Das ist der dem Tonkawa ähnliche Dialekt der Racurroh-Comantschen; wir haben also die Gesuchten vor uns. Kennt Ihr vielleicht diesen Dialekt?«

      »Ja.«

      »So habt Ihr die Worte verstanden?«

      »Ja. Es rief einer den andern, der keine Zeit hat.«

      »Gut! Es ist mir sehr lieb, daß Ihr diese Sprache versteht, denn da könnt Ihr die Roten mit belauschen. Meine Voraussetzung ist eingetroffen: Wir haben die Pferde vor uns; es ist einer von den Wächtern gerufen worden. Geht jetzt hinter mir, aber so leise und vorsichtig wie möglich!«

      Wir huschten hart am Rande des Gebüsches weiter, bis wir um eine hervortretende Zunge des Waldes bogen; da sahen wir ein Feuer, welches in der Entfernung von vielleicht sechshundert Schritten vor uns auf der Grasebene brannte; mehrere Indianer saßen an demselben, um die Pferde zu bewachen, welche rundum weideten.

      »Ganz so, wie Ihr gedacht habt, Sir,« sagte Old Wabble. »Da haben wir die Tiere, und hinter den Büschen und Bäumen werden ihre Besitzer am ›blauen Wasser‹ lagern.«

      »Und das ist auch grad die Stelle, von der ich gesprochen habe; sie liegen da, wo ich schon zweimal lagerte. Jetzt müssen wir uns niederlegen, sonst sehen sie uns.«

      Wir krochen nun am Saume des Gebüsches weiter, bis dies nicht mehr möglich war, ohne entdeckt zu werden. Vor uns gab es eine schmale Lücke in dem Gesträuch, welche wie ein offener Pfad den Lager- mit dem Weideplatz verband; sie wäre für uns sehr bequem gewesen, wenn wir sie hätten benutzen können, was wir aber nicht durften. Die Roten verkehrten auf diesem Wege hin und her, und es fiel uns nicht ein, uns der Entdeckung auszusetzen. Wir wendeten uns also nach rechts, um parallel mit diesem Pfade durch das Buschwerk zu dringen. Da dieses, wie bereits erwähnt, sehr dicht stand und wir jedes Geräusch vermeiden mußten, so machte es uns große Mühe und dauerte sehr lange, ehe wir den jenseitigen Rand des doch so schmalen Waldes erreichten und den Lagerplatz vor uns liegen sahen.

      Es war ein Kriegslager. Zwar trugen die Indianer nicht die Kriegsfarben im Gesicht und hatten also hier einen längeren Aufenthalt beabsichtigt, doch war kein einziges Zelt vorhanden, was sicher der Fall gewesen wäre, wenn es sich nur um einen Jagdzug gehandelt hätte. Sie mußten sich hier vollständig sicher fühlen, denn es gab nicht weniger als acht Feuer, bei deren Schein wir über hundertfünfzig Rote zählten. Sie hatten ›Fleisch gemacht‹; es hing in langen, dünnen Stücken an ausgespannten Riemen, um zu trocknen. Sie hatten also einen weiten Kriegszug vor, bei dem es keine Zeit zum jagen gab oder der nach einer Gegend gerichtet war, in der sich weder Büffel noch andre Wildarten befanden. Diese Gegend kannte ich; es war der öde, der heißen, sandigen Sahara vollständig gleichende Llano estacado.

      Es lagen noch mehrere erlegte Büffel da, und die meisten der Indsmen waren beschäftigt, sie in Stücke zu zerlegen und das Fleisch von den Knochen zu trennen, um es dann in Streifen zu zerschneiden. Andere hockten an den Feuern und brieten Fleisch. Die gebratenen Stücke lagen in Haufen neben ihnen, jedenfalls für das allgemeine Abendessen bestimmt. An zwei kleineren Feuern, die leider weit auseinander lagen, saßen müßige Gestalten, welche nicht arbeiteten, sondern sich unterhielten und dabei die Tabakspfeife, von der jeder nur einige Züge nahm, herumgehen ließen. Das waren wohl die ›Chargierten‹, wenn es erlaubt ist, mich dieses Ausdruckes zu bedienen. Ich habe gesagt, die ›leider‹ weit auseinander lagen, denn wären diese zwei Gruppen enger beisammen gewesen oder hätten sie nur eine gebildet, so hätte ich sie zusammen belauschen können; so aber mußten wir uns teilen, denn es stand fest, daß wir nicht fortgingen, ohne gehört zu haben, was gesprochen wurde.

      Die Insel, welche ich gegen Old Wabble erwähnt hatte, lag als dunkle Stelle, über der ein hellerer Schein schwebte, drüben auf dem Wasser. Wir hätten sie ohne diesen Schein gewiß nicht sehen können; er rührte wahrscheinlich von einem Feuer her, welches zwischen den Büschen, die es dort auch gab, brannte. Das mußte mir auffallen, und ich fragte mich: Warum dieses Feuer auf der Insel? Ich ließ den Blick scharf von Gruppe zu Gruppe über das Lager gehen und konnte mir dann diese Frage beantworten; es waren nur Indianer hier; kein Weißer war zu sehen.

      Wir lagen eng neben einander unter einem wilden Baumwollenstrauche, der uns ganz bedeckte; kein Auge richtete sich nach dieser Stelle.

      »Damn!« flüsterte mir der Alte zu. »Ich habe die Kerls gezählt; es sind ihrer hundertvierundfünfzig; aber kein Weißer ist dabei. Sie werden Old Surehand doch nicht etwa schon ausgelöscht haben!«

      »Nein.«

      »Nicht? Wie wollt Ihr das wissen?«

      »Er ist noch da.«

      »Wo?«

      »Da drüben auf der Insel.«

      »Auf der Insel? Ah! Ist es der dunkle Punkt dort im Wasser, über dem es hell wie von einem Feuer liegt?«

      »Ja.«

      »Und Ihr meint, Old Surehand ist dort?«

      »Er ist sicher dort.«

      »Das beruhigt mich, obgleich es mir sonderbar vorkommt, daß sie ihn nicht hier im Lager haben.«

      »Mir nicht. Da drüben ist er ihnen sicherer als hier.«

      »Wieso? Hier können ihn über dreihundert Augen bewachen, dort aber nicht.«

      »Aber, Mr. Cutter, seht Ihr denn nicht ein, daß ein Gefangener von einem rings vom Wasser umgebenen Orte viel schwerer entkommen kann als von hier, obgleich es dort weniger Augen zu seiner Bewachung giebt?«

      »Hm, mir scheint, sie hätten ihn hier wenigstens ebenso sicher, denn jedenfalls ist er gefesselt.«

      »Gefesselt ist er jedenfalls; aber sie haben mit allen Möglichkeiten zu rechnen, also auch mit der, daß der Zufall Leute herbeiführt, welche das Lager und folglich auch den Gefangenen entdecken. Das wollen sie vermeiden.«

      »Wenn das richtig ist, so brauchen wir uns nicht darüber zu freuen, Mr. Shatterhand.«

      »Warum nicht?«

      »Wir wollen ihn doch loshaben?«

      »Allerdings.«

      »Nun, hier könnten wir uns vielleicht an ihn schleichen; das ist aber unter den jetzigen Verhältnissen unmöglich.«

      »Pshaw! Mir ist es viel lieber, daß sie ihn nicht hier im Lager haben. Ihr werdet mir bald recht geben. Zunächst möchte ich die Indsmen belauschen.«

      »Um zu hören, was sie sprechen?«

      »Ja.«

      »Erlaubt mir, Euch zu sagen, daß wir uns da in eine Gefahr begeben, ohne vielleicht etwas davon zu haben! Ich bin nicht furchtsam und wage alles mit,