Название | Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Hans Christian Andersen |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783746750194 |
Ib hatte Geld, hatte sein Schäfchen ins Trockne gebracht, und – er hatte ja auch Christinchen.
Der Schatten.
In den heißen Ländern brennt die Sonne sehr stark; dort werden die Leute mahagonibraun; ja in den heißesten Ländern werden sie sogar zu Negern gebrannt. Dieses Mal war es jedoch nur bis nach den heißen Ländern, wohin ein gelehrter Mann aus den kalten Gegenden gekommen war. Der glaubte nun, daß er da ebenso umherlaufen konnte, wie zu Hause; aber von der Meinung kam er bald ab. Er und alle vernünftigen Leute mußten zu Hause bleiben; die Fensterladen und Thüren wurden den ganzen Tag geschlossen; es sah aus als ob Alle im Hause schliefen oder ausgegangen wären. Die schmale Straße mit den hohen Häusern, in der er wohnte, war aber auch so gebaut, daß die Sonne vom Morgen bis zum Abende darauf liegen mußte; es war wirklich unerträglich! Der gelehrte Mann aus den kalten Gegenden war ein junger, kluger Mann; es kam ihm vor, als säße er in einem glühenden Ofen; das griff ihn sehr an, er wurde mager; selbst sein Schatten schrumpfte mehr zusammen und ward viel kleiner als zu Hause; die Sonne nahm auch sogar den mit und er lebte erst des Abends auf, wenn sie untergegangen war. Es war ein Vergnügen, dies mit anzusehen; sobald Licht in die Stube gebracht wurde, streckte sich der Schatten an der Wand hinauf, ja noch weiter, bis an die Decke, so lang machte er sich; er mußte sich strecken, um wieder zu Kräften zu kommen. Der gelehrte Mann ging auf den Altan hinaus, um sich zu dehnen, und sobald die Sterne an dem schönen, klaren Himmel hervorkamen, war es ihm, als ob er wieder auflebe. Auf allen Altanen in der Straße – und in den warmen Ländern ist vor jedem Fenster ein Altan – erschienen jetzt Leute; denn frische Luft muß man doch schöpfen, wenn man auch daran gewöhnt ist, mahagonibraun zu werden; dann war es lebhaft unten und oben; unten setzten sich Schuster und Schneider – worunter man alle Leute versteht – auf die Straße hinaus; dann brachte man Tische und Stühle, und Lichter brannten, ja, über tausend Lichter: Einer sprach, ein Anderer sang, und die Leute spazierten; Wagen fuhren, Maulthiere trabten, »Klingelingeling;« – sie tragen nämlich Schellen am Geschirre – Leichen wurden begraben mit Gesang: die Kirchenglocken läuteten; ja, es war fürwahr sehr lebhaft auf der Straße. Nur in dem einen Hause, dem gegenüber, wo der fremde, gelehrte Mann wohnte, war es sehr still; und dennoch wohnte Jemand dort, denn es standen Blumen auf dem Altane, die blühten gar schön in der Sonnenhitze; und das hätten sie ja nicht können, wenn sie nicht begossen worden wären, und Jemand mußte sie doch begießen! Leute mußte es also da geben. Die Thüre ward auch gegen Abend halb geöffnet; aber dann war es dunkel, wenigstens in dem vordersten Zimmer; weiter aus dem Innern hörte man Musik. Der fremde, gelehrte Mann fand dieselbe außerordentlich schön; aber es war freilich auch gut möglich, daß er sich das blos einbildete, denn er fand draußen in den warmen Ländern Alles vorzüglich, wenn nur keine Sonne dagewesen wäre. Der Wirth des Fremden sagte, daß er nicht wisse, wer das gegenüberliegende Haus gemiethet habe; man sehe keinen Menschen, und was die Musik anlange, so scheine es ihm, daß dieselbe schrecklich langweilig sei. »Es sei, als ob Jemand da säße und ein Stück einübe, das er doch nicht herausbringe: stets das nämliche Stück. »»Ich bringe es doch heraus!«« meinte er allerdings; er bringt es aber nicht heraus, wie lange er auch spielt.« –
Einst in der Nacht wachte der Fremde auf; er schlief bei offener Altanthür; der Wind lüftete den Vorhang vor derselben, und es kam ihm vor, als komme ein wunderbarer Glanz von dem Altane des gegenüberliegenden Hauses; alle Blumen erschienen wie Flammen in den schönsten Farben und mitten zwischen den Blumen stand eine schöne, schlanke Jungfrau. Es war, als ob auch sie leuchte; es blendete ihm förmlich die Augen: aber er hatte sie nur zu weit aufgerissen und kam eben erst aus dem Schlaf. Mit einem Sprunge war er aus dem Bette; leise schlich er sich hinter den Vorhang; – allein die Jungfrau war fort, der Glanz war fort, die Blumen leuchteten nicht mehr, standen aber noch so schön da, wie immer; die Thür war angelehnt, und von innen klang Musik, so lieblich, so schön, daß man sich dabei wirklich in süße Gedanken vertiefen konnte. Es war wie ein Zauberwerk; aber wer wohnte da? Wo war der eigentliche Eingang? Denn nach der Straße und nach dem Seitengäßchen hin war das ganze Erdgeschoß Laden an Laden, und da konnten die Leute doch nicht immer durchlaufen. –
Eines Abends saß der Fremde auf seinem Altan; in der Stube dicht hinter ihm brannte ein Licht, und so war es natürlich, daß sein Schatten auf die Wand des gegenüberstehenden Hauses fiel; ja, da saß er zwischen den Blumen auf dem Altan; und wenn der Fremde sich bewegte, so bewegte sich auch der Schatten. –
»Ich glaube, daß mein Schatten das einzige Lebendige ist, was man drüben sieht,« sagte der gelehrte Mann. »Sieh, wie hübsch er dort zwischen den Blumen sitzt; die Thür steht nur angelehnt; nur sollte der Schatten so gescheidt sein und hineingehen, sich drinnen umsehen, dann zurückkommen und mir erzählen, was er da gesehen. »Ja, Du würdest Dich dadurch nützlich machen,« sagte er wie im Scherz. »Sei so gut und tritt hinein! Nun, wirst Du gehen?« Und dann nickte er dem Schatten zu und der Schatten nickte wieder. »Nun, geh nur, aber bleibe nicht ganz weg!« Und der Fremde erhob sich, und der Schatten auf dem Altane gegenüber erhob sich auch; der Fremde kehrte sich um; ja, wenn Jemand genau darauf Acht gegeben hätte, so würde er gesehen haben, wie der Schatten gerades Weges durch die halbgeöffnete Altanthür des gegenüberliegenden Hauses in demselben Augenblicke hineinging, wo der Fremde in seine Stube zurückging, und den langen Vorhang herabfallen ließ.
Am nächsten Morgen ging der gelehrte Mann aus, um Kaffee zu trinken und Zeitungen zu lesen. »Was ist das!« sagte er, als er in den Sonnenschein kam. »Ich habe ja keinen Schatten mehr! So ist er also wirklich gestern Abend fortgegangen und nicht zurückgekommen; das ist ja recht verdrießlich!«
Das ärgerte ihn; aber nicht so sehr deswegen, weil der Schatten fort war, sondern weil er wußte, daß es eine Geschichte gebe von einem Manne ohne Schatten; – alle Leute zu Hause kannten ja diese Geschichte; und kam nun der gelehrte Mann nach Hause und erzählte seine eigene Geschichte, so würden sie sagen, daß es nur eine Nachäffung von ihm sei; und das hatte er nicht nöthig, von sich sagen zu lassen. Er wollte daher nicht davon sprechen, und das war vernünftig von ihm gedacht. Am Abende ging er wieder auf seinen Altan hinaus; das Licht hatte er zwar hinter sich gesetzt, denn er wußte, daß der Schatten stets seinen Herrn zum Schirme haben will; aber er konnte ihn nicht herauslocken. Er machte sich klein, er machte sich lang; aber da war kein Schatten, da kam kein Schatten. Er sagte: »Hm, Hm!« aber das half nichts.
Das war ärgerlich; doch in den warmen Ländern wächst Alles so geschwind, und nach Verlauf von acht Tagen merkte er zu seiner großen Freude, daß ihm ein neuer Schatten aus den Beinen herauswuchs, wenn er in den Sonnenschein kam: die Wurzel mußte also geblieben sein. Nach drei Wochen hatte er einen leidlichen Schatten, der, als er sich auf die Rückreise nach den nördlichen Ländern begab, immer mehr und mehr wuchs, sodaß er zuletzt so lang und so groß war, daß er gut die Hälfte hätte abgeben können.
Als der gelehrte Mann nach Hause kam, schrieb er Bücher über das, was es Wahres in der Welt, und was es Gutes darin giebt, und was da Hübsches ist, und es vergingen Tage, und es vergingen Jahre – es vergingen viele Jahre.
Da sitzt er eines Abends in seiner Stube, und leise klopfte es an seine Thür. »Herein!« sagte er; aber Niemand kam; da öffnete er die Thür; da stand ein so außerordentlich magerer Mensch vor ihm, daß ihm wunderlich zu Muthe wurde. Uebrigens war der Mensch äußerst fein angezogen: es mußte ein vornehmer Mann sein.
»Mit wem habe ich die Ehre zu sprechen?« fragte er.
»Ja, das dachte ich mir wohl,« sagte der seine Mann, »daß Sie mich nicht kennen würden: ich bin so viel Körper geworden, daß ich Fleisch und Kleider bekommen habe. Sie haben wohl nie daran gedacht, mich in