Fremd- oder Selbstbestimmung?. Frank Föder

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Название Fremd- oder Selbstbestimmung?
Автор произведения Frank Föder
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783742719133



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Die Deutschen brauchen mit 4,2 Hektar doppelt so viel. Die Bürger der USA benötigen jeder 9,4 Hektar. Allein die USA beanspruchen ein Zehntel der weltweiten Ressourcen. Unter dem Wohlstandsvermehrer Trump wird sich dieser Tatbestand wahrscheinlich noch um einiges verschärfen

      Der indische Ökonom Pavan Sukhdev erklärt in seiner 2008 vorgestellten Studie „Die Ökonomie von Ökosystemen in der Biodiversität“: „Während sich der Verlust an der Wallstreet auf eine bis eineinhalb Billionen US-Dollar beläuft, verliert die Welt jedes Jahr zwei bis fünf Billionen Dollar in Form von Naturkapital. Das ist nicht nur mehr, sondern auch noch fortlaufend. Es passiert jährlich, Jahr für Jahr.“

      Besserung ist nicht in Sicht. Nun stellt sich erneut die Frage, warum der gemeine Zeitgenosse mehr oder weniger bewußt der Umwelt Schaden zufügt.

      Es ist ja keineswegs so, daß der Gegenwärtige nicht informiert wäre über das, was in der Natur vorgeht. Und wenn er sich von seinem Wissen beeindrucken ließe, könnte er viel zur Linderung des Raubbaus tun. Nichts hinderte ihn, seinen Verbrauch an elektrischer und chemischer Energie einzudämmen. Er könnte sich darauf beschränken, nur ökologisch hergestellte Lebensmittel und Kraftformen zu verwenden. Er könnte überhaupt vom „Konsumismus“ lassen, wie dies Hans-Wolff Graf in seiner kleinen Schrift „Geißel der Menschheit“ eindringlich fordert.

      Doch was immer da nötig und möglich ist, es sind zu wenige, die davon Gebrauch machen. Was hält die Mehrheit ab? Herrscht ein Mangel an Verantwortungsbewußtsein vor? Der Papst scheint dies zu vermuten, wie eines seiner jüngsten Rundschreiben nahelegt (Enzyklika „Laudato si“ vom 24. Mai 2015).

      Nach allgemeinem Dafürhalten sind entsprechende Gesetze nötig und die strenge Kontrolle ihrer Einhaltung. Demnach wäre die obwaltende Obrigkeit gefordert.

      Staatlichkeit jedoch verträgt sich schlecht mit Mäßigung. Die Demokratie besonders braucht Innovation und Wachstum. Nur Aufschwung hält sie am Leben. Deren Regierungen regen deshalb den Konsum an. Ihn zu drosseln, bekäme ihnen schlecht.

      Der Sachverhalt läßt sich wie folgt beschreiben: Jeder Mensch erlebt vor seiner Haustür, wie sehr die Natur leidet. Auch wie schlimm die Lage insgesamt ist, bleibt niemandem verborgen. Jedes längere Gespräch hat die Belastung der Umwelt, die Vernichtung der Arten, die Veränderung des Klimas zum Inhalt. Dennoch verrichten die Besorgten nicht, zumindest nicht ausreichend, was sie zur Behebung der Bedrohung vollziehen müßten.

      Vielleicht ist nicht ganz falsch zu vermuten, daß der Mitmensch so etwas wie einen allgemeinen Aufbruch braucht. Möglicherweise will er erleben, daß nicht er allein sich aufgerufen fühlt und sich die erforderlichen Einschränkungen auferlegt.

      Erneut stellt sich die Frage, ob die Einwirkung auf den einzelnen das geeignete Mittel darstellt. An Informationen fehlt es ihm nicht, auch Belehrung findet reichlich statt. Und Druck, wie man weiß oder wissen sollte, erbringt nicht, was er bewirken soll.

      Vielleicht ist auch in dieser Hinsicht das Augenmerk auf das Umfeld zu richten. Wieder geraten die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den Blick. Muß möglicherweise ein Miteinander das Mitmachen herausfordern?

      Zerstörung und Krieg, was beschwört sie herauf?

      Gemeinhin wird unterstellt, daß neben der Leichtfertigkeit, unter der die Mäßigung leidet, der unselige Drang zur Gewaltanwendung im einzelnen Menschen angelegt sei. Er, der Mitmensch, der Nachbar, sei unbesonnen und streitsüchtig veranlagt. Er lasse sich zu leicht zu Ausfällen hinreißen. Folgerichtig müsse es darauf ankommen, die Erzihung und Bildung zu verbessern. Dem Menschen müsse beigebracht werden, an sich zu halten. Ihm müsse die Neigung ausgetrieben werden, auf unliebsame Begebenheiten bösartig, mit Ingrimm zu reagieren.

      Mit hohem Pathos werden Friedenspreise verliehen. Sie werden Damen und Herren zuteil, die in ihrem Umkreis Zeitgenossen dazu veranlaßt haben, davon abzulassen, aufeinander einzuschlagen, oder die in ihren Publikationen eine Lanze für die Friedfertigkeit brechen.

      Ohne Zweifel ist verdienstvoll, den Angehörigen der weltbewegenden Spezies anschaulich zu machen, daß Krieg verwerflich ist, unerfreulich und für den einzelnen selten bis nie von Nutzen. Unbestreitbar ist ehrenwert, dem Nachwuchs dieser Gattung zu verdeutlichen, wie schlimm die Auswirkungen von Wut und Waffen sind.

      Der erhobene Zeigefinger hat seine Berechtigung. Doch weist er in die richtige Richtung? Sind es die Mitmenschen, die von sich aus auf Hieb und Stich aus sind? Etwa, weil sie mangelhaft unterrichtet oder schlecht erzogen sind? Oder steckt jemand oder etwas anderes dahinter?

      Gefeiert werden Friedensaktivisten wie der Politologe Andreas Buro. Er fordert den „Aufbau ziviler Konfliktlösungsmuster“ und „kooperative Verhaltensweisen“ (In seinem Buch „Gewaltlos gegen Krieg. Lebenserinnerungen eines streitbaren Pazifisten“, Brandes & Apsel, Frankfurt a. M., 2011). Sein Appell richtet sich zwar in erster Linie an die Politikerin und den Politiker, läßt aber auch den Mann und die Frau auf der Straße nicht aus. Am Ende dringt auch er darauf, daß seine Mitbürger sich verträglich verhalten.

      Es geht um die Natur des Menschen. Nehmen die Friedensfreunde die Veranlagung und das Wünschen und Wollen ihrer Mitbürger zutreffend wahr? Unbenommen ist beim Mitmenschen hin und wieder Angriffswut zu vermerken. Was aber ruft sie hervor? Schlechte Erziehung, mangelhafte Bildung? Oder ist dafür vielleicht eher das Umfeld verantwortlich? Kommt die Gewaltbereitschaft nicht von innen, sondern von außen?

      Das Bestreben, den Menschen zu durchgehender Besonnenheit zu veranlassen, ist Gegenstand einer weltweiten Bewegung, die schon im Altertum ihren Ursprung hat, des Pazifismus. Sie erhielt besonders nach den Gräueln des zweiten Weltkriegs neuen Auftrieb. Den Ostermarschierern geht es erklärtermaßen darum, den Haß der Völker gegeneinander aus der Welt zu schaffen.

      Nun ist allerdings sehr die Frage, ob diese Untugend oft oder überhaupt je die wahre Ursache der Kriege war. Haßten die Deutschen die Polen und Franzosen? Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, bliebe zu klären, ob diese Aversion in Erfahrungen des einzelnen ihren Ursprung hatte oder geschürt worden ist, von hoher Hand.

      Weihnachten 1915 kam es in Flandern zwischen den Gräben zu einer Verbrüderung von britischen und deutschen Soldaten. Die Truppenteile mußten anschließend aus der Front genommen werden. Selbst in Stalingrad ereignete sich Weihnachten 1943 zuweilen ein friedlicher Kontakt zwischen russischen und deutschen Kämpfern. Die Ausführenden der Kriegshandlungen werden augenfällig selten von Abneigung gegeneinander beherrscht. Sie sind mehr Opfer als Täter. Nicht die Soldaten treiben zum Kampf. Krieg wird nicht von ihnen, sondern von ihrer Obrigkeit heraufbeschworen.

      Heute haben die Europäer sich vereint. Was immer zwischen ihnen vorlag und geschehen ist, es ist nicht vergessen, aber weitgehend doch vergeben. Überall an niedergerissenen Schlagbäumen liegen sich Freunde in den Armen. War es mit der Feindschaft der Völker vorher vielleicht gar nicht so weit her?

      Nebenbei sei angemerkt, die Tatsache, daß es während des Ost-West-Konflikts trotz einiger gefährlicher Eskalationen nicht zum Krieg gekommen ist, ist kaum das Resultat einer Friedenserziehung oder einer Friedenspolitik, sondern schlicht der Erfolg des Konzepts der Abschreckung.

      Kriege finden statt. Zur Zeit – gottlob – nur begrenzt und überwiegend nur innerhalb der Staaten. Doch ist es so, daß die, die sich hier gegenseitig umbringen, ihrer Veranlagung folgen? Entspricht es ihrer Natur oder schlechter Erziehung oder vorhandener Abneigung, daß sich Mitmenschen gegenseitig nach dem Leben trachten?

      Wo Menschen tatsächlich aus eigener Veranlassung zur Waffe greifen und töten, hat das einen Hintergrund, der gern außer Acht bleibt. Das Bemühen nämlich, den Mitmenschen dazu zu bringen, daß er sich verträglich verhält, stößt auf Begebenheiten, die diesem Anliegen eklatant entgegenwirken, Die Rede ist von Ungerechtigkeiten und Mangelerscheinungen.

      Es geht unfair zu in der Welt. Zum einen werden Mitmenschen durch von den Regierenden geschaffene Verhältnisse drastisch benachteiligt oder psychisch verletzt. Zum anderen sind die Mittel und Möglichkeiten, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, für die Menschen sehr ungleich verteilt. Noch nie war die Kluft zwischen