Fremd- oder Selbstbestimmung?. Frank Föder

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Название Fremd- oder Selbstbestimmung?
Автор произведения Frank Föder
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9783742719133



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den letzten Zahn.

      Die Legislative als Antriebs- und Kontrollorgan der Exekutive, jene Vorstellung, die der repräsentativen Demokratie Legitimation verliehe, hat mit der Realität nichts mehr gemein. Bezeichnenderweise lassen sich die Medien nur mehr selten herab, aus der Schwatzbude zu berichten. Würden sie es, müßten sie schlafende oder handy-spielende Abgeordnete zeigen. Am 18. 1. 2018 mußte eine Sitzung des Deutschen Bundestags auf Antrag der AfD-Fraktion abgebrochen werden, weil nach Zählung (Hammelsprung) sich herausstellte, daß weniger als die Hälfte der Mitglieder anwesend war.

      Der Staat, jene selbstherrliche Einrichtung, hat für Volkes Herrschaft keinen Sinn. Das mußten schon die Republiken im alten Griechenland und im alten Rom erfahren. Dort gab es nach kurzem Mitspracheintervall nur mehr Kaiser.

      Nebenbei verzeichneten schon die antiken Demokratien Herrschaften, die im Verborgenen an den Strippen zogen. Die Gegenwart kennt deren Büttel als Lobby.

      Die politischen Parteien brauchen Geld. Zugleich ermöglicht das System, dem sie Ausdruck verleihen, besonders cleveren Leuten, sich mit reichlich Mammon auszustatten. Diese spenden den Parteien gern, zumal die Zuwendung sich von der Steuer absetzen läßt. Wichtiger aber ist ihnen, daß ihr Handgeld Früchte trägt.

      In den meisten Regierungszentren sind die Repräsentanten der Reichen nicht nur an Personal stärker als die Mitglieder des jeweiligen Parlaments, sie übertreffen diese auch an Einfluß. Eine Studie der Princeton-Universität (gefertigt von Martin Gilens und Benjamin I. Page) kommt zu dem Urteil: „Die USA sind keine Demokratie mehr, sondern eine Diktatur der Geldeliten.“ Zu dem gleichen Urteil kommt auch Altpräsident Jimmy Carter. In einem Interview mit Oprah Winfrey am 7.11.2015 stellte er fest, die Demokratie der USA sei tot. Dieser Staat sei nur mehr eine Oligarchie.

      Horst Seehofer, seinerzeit bayerischer Ministerpräsident, brachte den Tatbestand auf den Punkt (in der Sendung der AFD mit Erwin Pelzig am 20.5.2010 ): „Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt. Und diejenigen, die gewählt sind, haben nichts zu entscheiden.

      Praktisch ist schon im Ansatz des Systems der Anreiz zum Mißbrauch angelegt - und die Vorspur zur Entartung. Die vielbeklagten Fehlentwicklungen ergeben sich nahtlos aus den Vorgaben.

      Die dritte Gewalt, so will es das Prinzip, soll die anderen im Zaum halten. Sie soll dem vom Parlament gesetzten Recht Geltung verschaffen.

      Die zeitgenössischen Demokratien jedoch machen auch die Angehörigen der Justiz denen, die das Sagen haben, hörig. Wer kein Parteibuch besitzt, hat kaum die Chance, auf eine der bedeutenden Richterstellen berufen zu werden. Die Posten in den hohen Gerichten werden nach einem Parteienproporz vergeben. Richterkarrieren finden nicht in den juristischen Foren statt, sondern auf dem Parkett der Parteien.

      Überdies läßt es sich die Partei, die die Exekutive stellt, nicht nehmen zu entscheiden, wer der Verlegenheit ausgesetzt wird, vor den Kadi zu kommen. Die Regierung bindet die Staatsanwälte an von ihr gestellte Weisungen. Die Beispiele sind mittlerweile Legion, in denen die Justizbehörden gezwungen wurden, Ermittlungen einzustellen, deren Ergebnis den jeweiligen Parteioberen nicht in den Kram gepaßt hätte.

      Frank Fahsel, Fellbach, offenbarte sich in der Süddeutschen Zeitung vom 9.4.2008:

      „Ich war von 1973 bis 2004 Richter am Landgericht Stuttgart und habe in dieser Zeit ebenso unglaubliche wie unzählige, vom System organisierte Rechtsbrüche und Rechtsbeugungen erlebt, gegen die nicht anzukommen war/ist, weil sie systemkonform sind. Ich habe unzählige Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte erleben müssen, die man schlicht 'kriminell' nennen kann. Sie waren/sind aber sakrosankt ('unantastbar'), weil sie 'per Ordre de Mufti' gehandelt haben oder vom System gedeckt wurden, um der Reputation willen. . . . In der Justiz gegen solche Kollegen vorzugehen, ist nicht möglich, denn das System schützt sie vor einem Outing selbst – durch konsequente Manipulation. Wenn ich an meinen Beruf zurückdenke (ich bin im Ruhestand), dann überkommt mich tiefer Ekel vor 'meinesgleichen'.

      Gleichwohl zeichnet sich die höchstentwickelte der Staatsformen dadurch aus, daß sie Recht setzt und verspricht, sich daran zu halten.

      Nachdem freilich die moderne Demokratie für alles Denkbare und Vorkommende zuständig ist, hat ihr Parlament zwangsläufig reichlich zu tun. Das Erfordernis, jeden Ausfluß menschlichen Daseins und Handelns in eine zweckdienliche Regelform zu gießen, stellt den jeweiligen Gesetzgeber vor eine Aufgabe, die er auf eine vollkommene, unangreifbare Weise verständlicherweise kaum zu bewältigen imstande sein kann.

      Nicht zuletzt deshalb wird Ausgewogenheit nicht erzielt. Auch Gerechtigkeit bleibt aus. Außerdem müssen die Gesetzestexte oft dem Zeitgeist Genüge leisten. Alledem zufolge lassen sie sich vielfach unterschiedlich auslegen. Hier und da widersprechen sie sich sogar. Und immer wieder treten Tatbestände auf, die noch nicht geregelt sind. Die Volksvertretungen stehen fortgesetzt unter Druck, ihre Sammlung an Statuten zu ändern und zu ergänzen.

      Über die Deutschen wachen zur Zeit annähernd 5500 Gesetze und Rechtsverordnungen mit über 100 000 Artikeln und Paragraphen. Kein Jurist blickt da mehr durch. Jeder von ihnen ist gehalten, sich zu spezialisieren. Das Ganze bleibt jedermann verschlossen.

      Der Paragraphendschungel läßt einen Zustand der Rechtlosigkeit eintreten. Schon seit eh und je wird die Erfahrung gemacht und beschrieben, daß das Vorhaben, alles regeln zu wollen, nicht nur mißlingt, sondern Schaden anrichtet. Laotse wird der vielfach bestätigte Satz zugeschrieben: „In einem Staat gibt es um so mehr Räuber und Diebe, je mehr Gesetze und Vorschriften es in ihm gibt.“.

      Und wer sein Recht sucht gegen einen Mitbürger, gegen ein Unternehmen oder gar gegen ein staatliches Organ, der benötigt viel Zeit, mindestens ein Jahrzehnt, und viel Geld. Und daß er das Urteil der höchstrichterlichen Instanz dann als gerecht empfindet, ist immer seltener zu vermelden. Diese Erfahrung hat offensichtlich schon Cicero gemacht: „summum ius, summa iniuria“ (Je mehr Gesetze es gibt, um so mehr Ungerechtigkeit entsteht).

      „Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand“, lautet eine alte Juristenweisheit. Ralf Eschelbach, Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, schätzt in seinem Strafprozessrechtskommentar vom Mai 2011 die Quote der Fehlurteile von deutschen Gerichten auf ein Viertel.

      Die Digitalisierung bringt „Legal Tech“ hervor. Ist der Fall aufgeklärt, sagt ein Algorithmus, wie er zu entscheiden ist. Roboteranwälte beschleunigen einen Prozeß und machen ihn bezahlbar. Aber kann widersprüchliches Recht adäquate Urteile liefern?

      Die Bemühung, Gerechtigkeit herzustellen, ist vorhanden und beträchtlich. Ihr Erfolg ist niederschmetternd.

      Die moderne Demokratie kennt kein Scherbengericht. Schlimmer, sie kennt auch keine freie Presse. Der Staat, die Schicht, die ihn trägt, wirkt direkt oder indirekt auf jede in der Öffentlichkeit verbreitete Äußerung ein - verständlicherweise.

      Wie es um die „vierte Gewalt“ in der vermeintlich freiheitlichsten Demokratie der Welt bestellt ist, schilderte schon in deren Jugendjahren John Swinton (1829-1901) in seiner Abschiedsrede vor seiner Pensionierung:

      “Es gibt hier und heute in Amerika nichts, was man als unabhängige Presse bezeichnen könnte. Sie wissen das und ich weiß das. Es gibt keinen unter Ihnen, der es wagt seine ehrliche Meinung zu schreiben, und wenn Sie sie schrieben, wüssten Sie im voraus, dass sie niemals gedruckt würde. Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, meine ehrliche Überzeugung aus der Zeitung, der ich verbunden bin, herauszuhalten. Anderen von Ihnen werden ähnliche Gehälter für ähnliches gezahlt, und jeder von Ihnen, der so dumm wäre, seine ehrliche Meinung zu schreiben, stünde auf der Straße und müsste sich nach einer anderen Arbeit umsehen. Würde ich mir erlauben, meine ehrliche Meinung in einer Ausgabe meiner Zeitung erscheinen zu lassen, würden keine vierundzwanzig Stunden vergehen und ich wäre meine Stelle los. Das Geschäft von uns Journalisten ist es, die Wahrheit zu zerstören, freiheraus zu lügen, zu verfälschen, zu Füßen des Mammons zu kriechen und unser Land und seine Menschen fürs tägliche Brot zu verkaufen. Sie wissen es, ich weiß es; wozu der törichte Trinkspruch auf die unabhängige Presse? Wir sind die Werkzeuge und Vasallen reicher