Название | DER AUFBRUCH |
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Автор произведения | Michael Wächter |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Raumsiedler von Puntirjan |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742734709 |
Fernab, jenseits der Grenze des Bekannten, gab es eine Raumsonde der I.P.O. Erstmals drang sie in ein fremdes Planetensystem vor, an der Spitze eines ganzen Schwarmes von Raumsonden. Zwei Generationen lang war sie auf das Altakolsystem zugerast, mit fast unvorstellbarer Geschwindigkeit. Jahrzehntelang waren sie beschleunigt worden, chemisch, nuklear, mit Sonnensegeln und einem Xenon-Ionentriebwerk, am Ende auch mit Hilfe von Antimaterie. Nun aber, fast noch ein Lichtjahr vom Altakolsystem entfernt, hatten die Sonden eine Wolke aus einigen Hundert Milliarden Kometen-, Gesteins-, Staub und Eiskörpern erreicht. Zunächst gab es etwas interstellaren Staub und hin und wieder einige Eisbrocken und Kometenkerne, die in den kalten, dunklen Weiten des Weltalls vorbeizogen. Beim Abbremsvorgang der Sonden rasten sie noch immer mit einigen Promille der Lichtgeschwindigkeit vorüber. Dann aber lockerte sich ein Schräubchen an einer der Sonden und das Verhängnis nahm seinen Lauf. Ein Sendemodul löste sich. Es driftete mit der Schraube ab und gelangte auf einen der Kometenkerne. Und eines fernen Tages brachte es den Raumfahrern den sicheren Tod.
Kapitel 3
Malalo war Gugays bester Handelspartner diesseits der Grenze. Malolo hasste die Sarkarier, aber er handelte mit ihnen ebenso wie mit den Leuten aus Cisnair. Er betrieb einen Im- und Export für Kleinroboter, Boote, landwirtschaftliche Maschinen, Hard- und Software sowie von Feinkost aller Art. Außerdem belieferte er von Cisnair aus sogar ausländische Adels-Häuser mit Nanocomputern und illegalen Software-Kopien. Was er jedoch nur langjährigen Handelspartnern gegenüber einräumte. Ansonsten war er allgemein der honorig-wohlhabende Eigentümer eines mittelständischen Nanotec-Betriebes. Und ein Sohn der Wüste, vom Stamme der Walali. Und darauf war er stolz.
„Fünfzig?“, rief er freudig erregt in das Mikro seines Mini-Phones am Handgelenk.
„Ja, fünfzig Nanocomputer mit Gigabyte-Speicherchips, und zwar bis morgen!“, hörte er am anderen Ende der Leitung.
„Wird geliefert!“, sicherte er Choppu zu und beendete das Gespräch.
Malalo stieß einen Jubelschrei aus. Ein solcher Auftrag würde ihm mehr einbringen als Hundert Kleindealer-Anfragen. Niemals hätte er damit gerechnet, nun auch Lieferant für Sarkodot werden zu können – das Bestechungsgeld an seinen Mittelsmann in Sarkugratt hatte sich wirklich ausgezahlt: Choppu arbeitete aus „nationalen Sicherheitsinteressen“ als Jung-Offizier der Armee bei Sarkodot, dem Großkonzern mit Lobby am Kaiserhof von Sarkar. Der Kaiser und seine Armee hatten das Machtmonopol, und die Armee war verschmolzen mit dem Konzern. Dieser durfte daher ebenso wie Hof und Armee einen Kapitalzuwachs ohne Begrenzung aufweisen und zahlte keine Steuern, kontrolliert aber wurde er von der Armee. Choppu hatte deshalb die Bedenken an Malalos Seriosität in der Vorstandsetage des Konzerns und ins Besondere bei Sarkermann persönlich zerstreuen können. Choppu vertrat offiziell zudem die Interessen des Materialbeschaffungsdienstes der sarkarischen Armee. Die Bestellung von Sarkodot ging also an Malalo. Nun war er Handelspartner beiderseits der Grenze, am Schnittpunkt zwischen den beiden großen Blöcken, zwischen den Superreichen in Sarkar einerseits und der breiten, aber gut organisierten Mittelschicht der I.P.O. andererseits. Zu dieser gehörten auch die Bürger der Cisnair République. Sie zahlten Steuern erst ab einem gewissen, recht hohen Einkommen, und die Macht von Regierung und Konzernen wurde in den Staaten der I.P.O. durch Gewaltenteilung und Unternehmer-Besteuerung begrenzt. Somit gab es dort kaum noch soziale Unterschiede, und Demokratie und Wirtschaft funktionierte frei von Ausbeutung, Neid und Klassenkampf.
Malalo hatte somit das große Glück, als Händler zu beiden Blöcken Beziehungen pflegen zu können. Und das war auf Puntirjan etwas Besonderes.
Tüngör hatte Gugay natürlich mit Absicht verschwiegen, dass er einen neuen Job bei der RAGA angetreten hatte. Er ließ ihn im Glauben, er arbeite als Werbetexter – mal hier, mal dort. Allzu neugierigen Fragen seines großen Bruders über etwaige mögliche Handelsbeziehungen zu den Sarkariern wollte er aus dem Weg gehen, ebenso möglichen Kopfgeldjägern aus Sarkar. Deshalb funkte er seine tschingesischen Kontaktleute in Clénairville an. Diese sandten einen Boten aus in das Buschland von Westsarkar – eine persönliche Nachrichtenübertragung „offline“ war ihnen hier sicherer als per Interfunk.
Der Bote mit der Warnung vor möglichen Kopfgeldjägern der Leibgarde erreichte die geflüchteten tschingesischen Zwangsarbeiter und Rebellen im Busch unversehrt, und es klappte wie am Schnürchen. Denn tatsächlich nämlich kamen kurz danach zwei windige Typen im Rebellenlager an, angeblich Flugechsenjäger. Sie hatten aber nicht nur einen sarkarischen Akzent, sie hatten auch noch Waffen der sarkarischen Armee bei sich und waren bis an die Zähne bewaffnet. Sie jagten offensichtlich nicht nur Flugechsen, und als einer der Rebellen dann auch noch Reste eines Sarkodot-Abzeichen im Gepäck dieser schlafenden „Echsenjäger“ entdeckte, war die Sache klar: Die Rebellen sorgten sicherheitshalber dafür, dass die spionierenden „Echsenjäger“ nicht mehr wach wurden. Nie wieder.
Per Interfunk, abhörsicher in Clénairville, informierte Tüngör Jenis über die Vorfälle im Busch jenseits der Grenze. Jenis war zufrieden.
„Und der sarkarische Gouverneur Arfazzu Aru hat nichts davon erfahren?“, fragte Jenis nach.
„Nein, dafür haben die Rebellen gesorgt, und die Tschingesen bekunden mir ständig ihre Freundschaft.“, antwortete Tüngör.
„Wir sollten trotzdem versuchen, in Erfahrung zu bringen, ob Aru etwas von Sarkodot über dich weiß.“
Tüngör fluchte innerlich – er wollte eigentlich erst einmal seinen Heimaturlaub genießen.
„Na gut.“, antwortete er. „Aber ich will mich dieser Sache nicht jetzt sofort annehmen. Gib mir zwei, drei Puntirjandays, okay?“
Jenis schnaufte widerwillig.
„Komm, Jenis. Schließlich habe ich Urlaub!“
Tüngör gewann den Wettstreit der Argumente, und so verabschiedete er sich von Jenis. Höchst zufrieden schloss er seine Interfunkverbindung zur RAGA.
Sein Bruder Gugay bemerkte von Tüngörs Agententätigkeit jedoch herzlich wenig. Er lebte in der tiefsten Provinz von Cisnair, im Busch. Er war ein Abenteurer und Sammler, im Busch zuhause, und hatte ihn bisher fast nie verlassen. Jetzt aber war auf dem Weg nach Clénairville, zu Malalo. Tüngör nutzte seine seltene Abwesenheit. Er genoss erst einmal seinen Urlaub, in vollen Zügen. Er flog mit Fisca aus, in den Urwald – ein gemeinsamer Bade-Ausflug zum Cisnit-Biotop an einem Seitenflüsschen des Sar. Seine Fisca! Sie war der eigentliche Grund, weshalb er nicht nur „geheimdienstlich“ im Buschland untertauchen wollte, sondern privaten Urlaub brauchte: Tüngör war in der Balz, und da zog es ihn in die Natur.
In der Balz war ein Puntirjaner nur beschränkt arbeits- und einsatzfähig. Er war in einer Phase, in der das Interesse anderen Brennpunkten galt. Die Hormone, Erben der langen Entwicklungsgeschichte des Planeten Puntirjan, bestimmten Gefühl und Gemüt, und das Handeln richtete sich ganz auf die Werbung um eine Partnerin. In der Balz wuchsen den Puntirjanern je nach Phase verschiedenfarbige, aber immer grellbunte Federn. Über ihre Beine, Flügel und Arme zeigten balzende Puntirjaner ein kompliziertes Balzverhalten, untermalt von bestimmten Schnatter- und Zwitscherrufen sowie Interfunk-Signalen. Es wurde um eine Partnerin geworben, ein Nistplatz gesucht und ein Nest zur Eiablage gebaut – notfalls sogar in der eigenen Wohnung. Die Brutzeit folgte, die Eiablage, die Schlupf aus dem Ei, die Nistzeit, und die körperliche und sozial-kognitive Lernzeit des Kükens. All diese Phasen wurden von den Eltern intensiv und gemeinsam durchlebt. Puntirjaner sind sehr fürsorgliche Eltern – und zuvor eben sehr intensiv in ihrer Balz. Diese Auszeit war nun für Tüngör gekommen, und er verbrachte sie mit Fisca im Busch.
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