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zu bezeichnen und zu bekämpfen. Ein Verzicht auf die Bestimmung als Feind, der die Wirklichkeit der fundamentalen Gegensätze verkennt, nutzt zumeist den Feinden der Demokratie. Bei aller Gegensätzlichkeit bedarf es jedoch auch gegenüber dem Feind der Bereitschaft, Kommunikation nicht völlig abreißen zu lassen, gesprächsbereit zu sein, sich im Umgang nicht von blindem Hass und Schablonendenken leiten zu lassen; es kommt auch darauf an, das Bild vom Feind nicht festzuschreiben, sondern für neue Erfahrungen offen zu halten. Selbst für den Umgang mit politischen Feinden ist ein Mindeststandard an politischer Kultur geboten54.

      Die Demokratie ist allerdings notwendigerweise verbunden mit der entschiedenen Ablehnung derer, die aufgrund verschiedener Merkmale wie Geburt, Gottesgnadentum, Reichtum, ethnischer Herkunft, Rasse, Ideologie etc. das Monopol der Machtausübung für sich beanspruchen. Herfried Münkler55 formuliert hierzu ganz richtig, Bürger in Demokratien könnten sich nicht als Bürger entwerfen ohne die Feindschaft zu denen, die Herren sein wollten. Im spezifischen Selbstbild einer demokratischen Ordnung seien Feinde immer schon enthalten. Freilich: In dieser mit dem Selbstbild untrennbar verbundenen Feindvorstellung sei bloß die Potenzialität, nicht die Aktualität von Feindschaft gesetzt. Wenn denn Bürgerschaft notwendig die Feindschaft gegen Herrschaft einschlösse, so sei damit keineswegs zwingend, dass es auch tatsächlich Feinde gebe: Immerhin sei ein Zustand zumindest vorstellbar, in dem keiner beanspruche, Herr zu sein, und alle sich damit abfänden, dass sie nur Bürger sein könnten. Was markiert werde, sei die Position des Feindes, nicht der Feind selbst.

      Zur Bekämpfung des Extremismus gilt es die verschiedenen Strategien der Deradikalisierung anzuwenden; hier geht es vor allem darum, Unzufriedenheit und Konflikte, z. B. durch soziale und kulturelle Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen und Deprivationen, zu mindern, den extremistischen Ideologisierungen in ihren verschiedenen Elementen entgegenzuwirken, Personen aus ihrem extremistischen sozialen Umfeld herauszulösen, z. B. Gefühle des Zweifels und der Enttäuschung zu verstärken, zu guter Letzt um eine Demobilisierung im Sinne des Unterlassens von Gewalt, weil diese in Frage gestellt wird, sei es als kontraproduktiv für die Erreichung politischer Ziele oder aus grundsätzlichen moralischen Erwägungen.

      2. Hostilisierung, Feindbild

      Anders verhält es sich in einer Demokratie mit Demokraten, die den Minimalkonsens der Verfassung akzeptieren und verteidigen; hier darf es keine Feinde aus politischen Gründen geben, sondern nur Andersdenkende oder auch politische Gegner. Der grundsätzliche Unterschied zwischen Gegner und Feind ist zu wahren, also zwischen gegnerischer Partei und dem Feind der Demokratie überhaupt. Es kann zwar Gegensätze und Konflikte geben, ja sie sind essenzielle Gegebenheiten und Notwendigkeiten in der Politik, aber Feindschaften und Feindbilder passen nicht zu einer angemessenen Umgangskultur im demokratischen Gemeinwesen, wo gefordert ist, auf andere zuzugehen, ihnen zuzuhören, Rücksicht zu nehmen und Respekt zu zeigen, Verständnisbereitschaft an den Tag zu legen, Informationen und Wertungen der gegnerischen Partei zu prüfen, sein Bewusstsein zu bilden und kompromissbereit zu sein. Erziehung zur Demokratie bedeutet nicht Erziehung zu Hass, Verachtung, Selbstgefälligkeit, sondern zu Würde, Selbstachtung und Achtung des anderen als ebenbürtiger Person, zu Friede und Gewaltlosigkeit. Feindschaft zerstört Verbindungen, Anderssein darf nicht als Mindersein begriffen werden, Anerkennung von Verschiedenheiten ist geboten, statt Uniformität zu fordern. Man kann innerhalb der gemeinsamen Fundamentaloption, deren Negation den Feind macht, zu verschiedenen Programmen und erst recht Methodiken gelangen, „ohne das für einen selbst Verpflichtende in jedem Fall auch anderen als sie verpflichtend ansinnen zu müssen, vielleicht dies nicht einmal immer zu dürfen. Und dies nicht bloß wegen eines möglichen Gewissensirrtums (stets des anderen?), sondern weil man oft nicht ausschließen kann, es gebe mehrere sittlich richtige Lösungen des Problems“56.

      Zumeist sind nur Mehrheitsentscheidungen erreichbar, die respektiert werden müssen, weil sonst überhaupt kein Handeln und keine Ordnung zustande kämen. „Dabei wird weder von den Respektierenden (der Minderheit) verlangt, das Ergebnis für richtig zu halten (dies wäre ja selbst bei Einstimmigkeit keineswegs garantiert), noch dürfen diese beanspruchen, nur richtigen (d. h. konkret: den eigenen) Lösungen dürfe zugestimmt werden“57. Einen politischen Gegner als Feind zu behandeln, bedeutet, ihm die Teilnahme an der Gemeinschaft der Demokraten streitig zu machen; wer dies tut, zerstört die Grundlagen für eine fruchtbare Diskussion und Zusammenarbeit.

      Mit Feind gemeint ist primär nicht der persönliche Feind – lateinisch: inimicus, sondern der kollektive Feind – lateinisch: hostis, der Machtansprüche stellt und sie durchzusetzen sucht. Auch der Feindbildbegriff bezieht sich auf Vorstellungen von anderen Kollektiven in Form grob verallgemeinernder, stark voreingenommener, schwer korrigierbarer und affektgeladener Ansichten über Fremdgruppen, denen extrem negative Eigenschaften zugeschrieben werden, die in der Regel mit der Wirklichkeit wenig übereinstimmen: „Das Feindbild stellt eine mehr oder weniger strukturierte Ganzheit von Wahrnehmungen, Vorstellungen und Gefühlen dar, die unter dem Aspekt der Feindschaft vereinheitlicht einer Gruppe von Menschen oder Völkern und Staaten entgegengebracht werden“58. Es handelt sich um stereotype Muster mit realitätsverzerrenden Vereinfachungen der Wirklichkeit, mit ideologischem Dogmatismus und mit von starker Aggression getragener Ausgrenzung des Gegners; das gemeinsame Feindbild entlastet von der Notwendigkeit eigener Information und Orientierung sowie differenzierenden Denkens, erlaubt eine eindeutige Unterscheidung zwischen falsch und richtig, gut und böse, vereinfacht das politische Handlungs- und Konfliktfeld, stärkt den inneren Zusammenhalt von Gruppen, gestattet die Abreaktion von Aggressionen nach außen.

      Die von Feindbildern beherrschten Gruppen zeichnen sich zumeist aus durch Klischees gegenüber der wirklichen Welt und eine beachtliche Wirklichkeitsverweigerung, durch ein überzogenes Selbstwert-, ja Überlegenheitsgefühl und eine radikale Abwertung des Feindes, durch Absolutheitsansprüche und Unfehlbarkeitsideen, durch entsprechend schroffe und hasserfüllte Ablehnung des Antipoden und dessen moralische Verurteilung als grundlegend böse, durch eine Tabuisierung einer Diskussion mit dem andersdenkenden Feind, der angeblich wesentliche Werte und Bedürfnisse der Eigengruppe bedroht oder sich ihr entgegenstellt. Die Beschreibung des Feindbildes verdeutlicht, dass man unter Feindbild nicht den Kontrahenten selbst, sondern etwas Drittes, das sich zwischen ihn und einen selbst schiebt, versteht: „Ein Bild, das sich wie alle Bilder aus einer ganzen Anzahl von Komponenten zusammensetzt, die mit dem eigentlichen Objekt oft sehr wenig oder kaum etwas zu tun haben“59.

      Kurt und Kati Spillmann haben im Anschluss an Daniel Frei sieben typische Merkmale, die zum Syndrom des Feindbildes gehören, entwickelt. Diese Kennzeichen seien abschließend in der Zusammenfassung von Wagenlehner60 genannt:

       Misstrauen: Alles, was vom Feind kommt, ist entweder schlecht oder, wenn es vernünftig aussieht, aus unredlichen Motiven entstanden.

       Schuldzuschiebung: Der Feind ist schuld an der existierenden Spannung bzw. an dem, was an den herrschenden Umständen für uns negativ ist.

       Negative Antizipation: Was immer der Feind unternimmt, er will uns schaden.

       Identifikation mit dem Bösen: Der Feind verkörpert in allem das Gegenteil dessen, was wir sind und anstreben, er will unsere höchsten Werte vernichten und muss deshalb selbst vernichtet werden.

       Nullsummendenken: Was dem Feind nützt, schadet uns – und umgekehrt.

       De-Individualisierung: Jeder, der zur Gruppe der N. N. gehört, ist eo ipso unser Feind.

       Empathieverweigerung: Mit unserem Feind verbindet uns keine Gemeinsamkeit; es gibt keine Information, die uns von unserer Feind-Auffassung abbringen könnte; den Feinden gegenüber sind menschliche Gefühle und ethische Kriterien gefährlich und fehl am Platz.

      Feindbilder sind ein wesentlicher Bestandteil der Politik vor allem in totalitären Ideologien, Bewegungen und Regimen. Über die verhängnisvolle Rolle der Feindbilder liefern die letzten Jahre der Weimarer Republik, wo die extreme Rechte und die extreme Linke, insbesondere Nationalsozialismus und Kommunismus, in der politischen Auseinandersetzung, ihrer Ideologie entsprechend, permanent Feindbilder verwandten, wobei sie sich auf die Vertreter demokratischer Parteien