Название | Sonnenwarm und Regensanft - Band 3 |
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Автор произведения | Agnes M. Holdborg |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847605805 |
Aber jetzt gab es keine solche Ablenkung mehr und schon ging es wieder los: Die Gedankenschleifen zogen erneut ihre Kreise. Das war einfach zu viel, fand sie. Wieso Anna? Wieso Jens? Wieso nicht sie?
In dem Bewusstsein, sowieso nicht schlafen zu können, machte sie das Licht, das sie gerade erst gelöscht hatte, wieder an und hockte sich aufs Bett.
Gedankenversunken starrte sie in den runden Spiegel an der Wand, blickte geradewegs in ihre ausdrucksvollen grau-grünen Augen. Schnell wandte sie sich dem großen Gemälde zu, das über Annas Bett hing. Sie mochte dieses Bild. Viktoria, die Zwillingsschwester von Annas Freund, hatte es gemalt und Anna vor fünf Monaten zum siebzehnten Geburtstag geschenkt.
Lena gefiel das mystisch, geheimnisvoll anmutende Motiv, die warme, luftig sonnige Farbwahl. Es stellte eine Lichtung inmitten eines hellen Waldes mit einem kleinen Bach dar. Den Bach konnte man regelrecht plätschern hören, fand Lena. Über dieser sonderbaren Lichtung strahlten zwei Sonnen gleichzeitig. Das hatte auf Lena stets faszinierend gewirkt.
Doch auch dieses Bild erschien ihr nun anders als zuvor. Sie wusste nicht, ob es ihr überhaupt noch gefiel.
Trotz der immer noch bohrenden Schmerzen schüttelte sie vehement den Kopf. Bereits zum x-ten Mal dachte sie über diesen verflixten Abend nach. Den Abend, der ihre wohlgeordnete Welt ins Wanken gebracht hatte. Den Abend, an dem sie sowohl von ihren Eltern als auch von Anna und Jens hatte erfahren müssen, dass beide Geschwister anders waren als sie, dass einfach Alles anders war.
… Zunächst gestaltete sich das Familienzusammensein wirklich nett: Sie hatten es sich im Wohnzimmer mit Tee und Keksen auf Sofa und Sesseln so richtig gemütlich gemacht. Nur sie fünf. Das hatte es seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gegeben.
Im Grunde genommen fand sie ihre beiden Geschwister und sich schon etwas zu alt für so einen Familien-Spiele-Abend. Das galt selbst für Anna, die die schräge Teeniezeit vollkommen ausgelassen zu haben schien und sich mittlerweile von niemandem, auch nicht mehr von ihrem Bruder Jens, etwas sagen ließ. Dennoch waren sie für solch traditionelle Familienzusammenkünfte hin und wieder zu begeistern.
Zu Beginn spielten sie ein paar Runden Kniffel. Lena war im Begriff, die Familie vernichtend zu schlagen, was ihr natürlich großen Spaß bereitete. Allerdings reichte dieser Spaß nicht aus, um ihren unterschwelligen Ärger völlig zu unterdrücken. Sie hatte sich wieder mal mit Marius gestritten. Dieses Mal, weil er bei dem Spieleabend unbedingt hatte dabei sein wollen, sie aber einmal etwas ohne ihn machen wollte. Auch wenn es nur ein Abend mit der Familie war.
Zu Anfang bemerkte sie nicht, wie ihre Eltern ständig Blicke mit Jens und Anna austauschten und das während des Spieles dahinplätschernde Gespräch peu à peu auf Viktor lenkten. Er würde später mit seinem Vater vorbeikommen, hatte Anna erwähnt, so ganz nebenbei.
Lena erinnerte sich, wie ihr Annas Worte einen Stich versetzt hatten. Eigentlich sollte es ein reiner Familienabend sein, nur zu fünft. Also fragte sie sich, was Annas Freund und noch dazu dessen Vater dabei zu suchen hätten. Da hätte sie Marius ja doch mit dazu einladen und sich den ganzen Stress mit ihm sparen können. …
Bei dem erneuten Gedanken an Marius verdrehte Lena die Augen, konzentrierte sich aber wieder auf den Abend:
… Selbst Jens’ Freundin Silvi, die sozusagen zur Familie dazugehörte, war nicht dabei.
Doch sie wäre ja nicht Lena, wenn sie den aufkeimenden Unmut nicht einfach hinunterschluckte. Und das hatte sie auch getan.
Allerdings begann ihr Vater mit einem Male damit, eigenartige Dinge zu sagen. Er sprach von übernatürlichen Kräften, anderen Welten und fragte sie tatsächlich, ob sie an solche Dinge glauben würde. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Lena traute ihren Ohren nicht. So was Bescheuertes aber auch! Sind wir hier auf der Enterprise und suchen in unendlichen Weiten nach neuen Welten?, dachte sie entrüstet. Hätte sie gewusst, dass die Science-Fiction-Liebe ihres Vaters diese Ausmaße annehmen würde, hätte sie ihm die DVD’s mit den alten Star-Trek-Schinken niemals zu Weihnachten geschenkt. Warum nur fragte er sie so schwachsinniges Zeug?
Lena spürte, wie ihr der Geduldsfaden riss. Erst die nervige Zankerei mit Marius und nun dieses eigenartige Gerede. Wütend pfefferte sie sämtliche Würfel in die Ecke und wollte wissen, was das ganze Gefasel sollte. …
Sie sah das Szenario wieder vor sich, hatte noch die Stimme ihrer Mutter und der anderen Familienmitglieder im Ohr:
… »Lena, Schatz, bitte reg dich doch nicht so auf«, versuchte Theresa, sie zu beschwichtigen. »Papa will dir doch nur was erklären.« Sie machte eine kleine Pause und sah Johannes dabei an. Dann sprach sie weiter: »Pass auf, hhm, es ist etwas schwierig und vielleicht glaubst du mir und den anderen auch gar nicht. Aber wir finden nun mal, du solltest es erfahren. Du sollst wissen, was los ist.«
»Mensch, Mama!«, rief Lena ungeduldig aus. »Was? Was soll ich denn wissen? Ihr redet die ganze Zeit um den heißen Brei herum. Das macht mich ganz kirre. Also, was ist los, Herrgott nochmal?«
Theresa ergriff Lenas Hände und eröffnete ihr leise die vermeintliche Wahrheit: »Weißt du, Lena, es geht vor allem um Viktor, seine Schwester Viktoria und deren Vater. Nun …«, Theresa zögerte ein wenig, fuhr aber hastig fort, weil Lena ihr ungehalten die Hände entziehen wollte, »… die sind nicht so wie wir. Die verstorbene Mutter der Zwillinge war zwar eine ganz normale Frau, ja, aber Vitus, der ist kein Mensch, Lena. Vitus kommt aus einer anderen, uns fremden Welt.«
Sie räusperte sich. »Er stammt aus einer Elfenwelt. Er ist ein Elfe, sogar ein Elfenkönig. Viktor und Viktoria sind somit zumindest halbe Elfen.«
Lena sprang vom Sessel auf und zeigte ihrer Mutter einen Vogel.
»Elfen? Bei dir piept’s ja wohl, Mama! Entschuldige bitte, aber was soll denn der Scheiß? Habt ihr heute Abend vor, mich zu verarschen, oder seid ihr einfach nur sauer, weil ich so oft beim Kniffel gewonnen habe?«
»Lena!« Auch Johannes war aufgestanden. Er sah seine Tochter böse an. »Das hört sich bestimmt unglaublich für dich an und ich kann verstehen, dass du aufgebracht bist. Trotzdem redest du nicht in diesem Ton mit deiner Mutter, verstanden! Du setzt dich sofort wieder hin und hörst zu, was wir dir zu sagen haben! Und glaube mir, Lena, wir erzählen dir hier nichts, was nicht stimmt.