Название | SILBER UND STAHL |
---|---|
Автор произведения | Nicole Seidel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738096156 |
Bis die Nacht hereinbrach würden dem Hexer noch drei Stunden bleiben, die er dazu nutzte, um zu schlafen. Er holte eines seiner Elixiere aus der Tasche und trank davon. Es sollte ihm bei der Heilung der unzähligen winzigen Dornenwunden helfen. Mit dem Silberschwert in der Hand legte er sich zu Seite und schloss die Augen. Er war auf der Stelle eingeschlafen.
4
Geralt erwachte beim ersten fernen Brüllen eines Ungeheuers. Er öffnete die Augen und stellte fest, dass es bereits tiefste Nacht war. Geschützt durch die Dunkelheit setzte der Hexer sich auf und griff nach einem weiteren Elixierfläschchen, das er sich bereits vor dem Einschlafen hingestellt hatte. Das Gift tat schmerzvoll seine Wirkung und nur wenige Lidschläge später konnte er in der Dunkelheit sehen. In einem diffusen grauen Licht leuchtete seine Umgebung, nur der schlafende Körper des Mädchens auf dem modrigen Bett gab seine rote Wärme ab.
Geralt erhob sich und starrte aus dem Fenster. Über ihm der Sternenhimmel mit einer schmalen Mondsichel. Unter ihm graue Mauern zwischen dunklen duftenden Rosen und noch finsteren Schatten. Er lauschte und meinte im Herrenhaus Klauen über Stein wetzen zu hören. Minutenlang wartete der Hexer, dass sich das Ungeheuer hervortraute. Minutenlang tat sich gar nichts.
Der Krieger wandte sich dem Bett zu, trat an Rosalea heran. Was sollte er nun tun? Ein Kuss erweckt die schlafende Jungfrau. Geralt beugte sich über die Schlafende und drückte ihr einen zaghaften Kuss auf die Lippen. Es roch intensiv nach Rosen.
"Hätte mich auch gewundert, wenn es geklappt hätte", murrte Geralt, als das Mädchen unverändert weiterschlief.
Vorsichtig hob er sie auf seinen Arm und ging mit ihr zur Treppe. Die Umgebung zeichnete sich als graue Schemen ab, die straubige Luft kitzelte in der Nase und er roch weiterhin den intensiven Duft der Rosen, als er die steile Wendeltreppe hinab eilte. Der hohe Turm hatte zwei weitere Abschnitte, leere spinnwegverhangene Räume mit dornenverhängten Fenstern, die durch die am Mauerrand hinab führende Wendeltreppe getrennt wurden. Nach einiger Zeit kam er unten an und lauschte an der dicken, festverschlossenen Holztür. Stille.
Der Hexer legte Rosalea neben sich auf den Boden und betastete das Türschloss. Eine Handgeste und ein kurzer Axii-Zauber öffnete ihm mit einem leisen Klacken die verschlossene Tür. Er zog die Klinke herunter und ruckte an der Tür. Nur widerwillig lösten sich die Wurzeln und Dornen der Rosenhecke von dem alten Holz. Geralt kamen die Geräusche, die er dabei machte, in der nächtlichen Stille überlaut vor. Ihn trennte nun nur noch ein meterdickes Gewirr aus bis zu armdicken Rosenzweigen, die mit spitzen Dornen nur so übersät waren, vom weiträumigen leeren Burghof.
Zudem musste ihn das Ungeheuer schon längst bemerkt haben und lauerte bestimmt schon dort draußen auf ihn. Er legte die weiterhin schlafende Rosalea in die tiefsten Schatten unter der Treppe.
Doch alle Vorsicht nütze ihm nichts. Nur brachiale Feuergewalt und sein Hexerschwert in der Hand würden ihm nun weiterhelfen. Er aktivierte sein Igni-Feuerzeichen und brannte damit den Durchgang nach Draußen frei.
Das dornige Gestrüpp brauchte lange Minuten, brannte knisternd weg und blendete den Hexer für kurze Zeit. Als die Flammen erloschen und er durch die geschlagenen Presche in den Hof lief, schwang er sein Silberschwert in alle Richtungen. Doch keine geifernde Bestie sprang ihn an.
Immer wieder drehte er sich um sich selbst und suchte mit seinen nachtsehenden Augen den Burghof ab. Besonderes Augenmerk legte er auf die Schatten, in denen der Gegner lauern und jederzeit ihm entgegenspringen konnte. So durchquerte er den halben Hof und war fast am Brunnen angelangt, als er das Schnauben vernahm. Seine Nackenhaare stellten sich auf und er bemerkte fast zu spät, wie sich ein Schatten auf dem Brunnendach erhob und ihm entgegenflog.
Weit war das zähnebewehrte Maul aufgerissen und hatte nur eines im Sinn: dem Hexer die Kehle zu zerfetzen. Ebenso wie die Pranken mit den scharfen Klauen, die ihm mit einem muskelbepackten nackten Leib entgegenkamen. Geralt konnte sich gerade noch zu Boden werfen und aus der Gefah-renzone rollen, als der massige Leib der Striege an ihm vorbei war. Knochen klapperten, als das Ungeheuer auf dem Boden aufkam und unmittelbar drehte, um seinem Feind nachzujagen.
Der Hexer hechtete über den Hof und rannte die Treppe zur Wehrmauer hinauf, mit dem Monster dicht auf den Fersen. Während des Laufs rollte er sich eine silberne Kette vom Arm und drehte sich schließlich dem Ungeheuer entgegen. "Komm her, Miststück", lockte er das Monster mit seinem Silberschwert näher an sich heran und schwang mit der anderen Hand die Kette. Das Silber flitzte durch die Luft und landete auf der breiten Nase des Untieres. Das magisch-edle Metall riss eine Wunde in die zerfurchte Visage des Ungeheuers und ließ es aufjaulen.
Die Striege wich nun vor ihm zurück und Geralt bemerkte zum ersten Mal, dass das Untier männlichen Geschlechts war. Der mutierte, muskelbepackte nackte Leib wies eine glatte Brust auf und ein schweres Gehänge baumelte zwischen den krummen Hinterbeinen. Das struppige Kopfhaar, das sich über den Rücken bis fast zum Gesäß fortsetzte war von einem tiefen Schwarz. Auch wenn sich das Ungeheuer auf allen Vieren fortbewegte, so war es fast genauso hoch wie Geralt groß war. Bisher jedoch waren alle Striegen, von denen er gehört oder die ihm begegnet waren, weiblich gewesen. Dieser Fluch oder was immer es war, wurde immer sonderbarer.
Der Hexer ließ die Silberkette vor sich rotieren und folgte der Striege nach unten. Einmal stach er mit dem Schwert nach ihm, als eine Klaue ihn unerwartet zu Fall bringen wollte. Ein schmerzvolles Jaulen entwich dem furchteinflößenden Maul, als das Metall es erneut verwundete. Schließlich drehte die Bestie ab und hechtete mit riesigen Sprüngen über den Hof auf den Turm zu.
"Verdammt!" Rosalea lag dort ungeschützt. Geralt rannte ihr hinterher. Doch er erreichte den Turm viel zu spät, da hörte er schon den markerschütternden Schrei des erwachten Mädchens. Er dachte nicht lange darüber nach, warum das Mädchen plötzlich erwacht war oder ob gar die Striege selbst es geschafft hatte die Tochter des Herzogs zu erwecken, sondern spurtete weiter.
Ein dicker Schenkelknochen wurde ihm zum Verhängnis und ließ ihn stolpern. Er versuchte noch seinen harten Fall mit dem Arm abzufangen, hörte das Gelenk knacken und überschlug sich. Benommen blieb er zwischen abgenagten Knochen und dreckigem Staub liegen.
Ätzend rollte er sich auf die Seite und merkte, dass sein linkes Handgelenk zumindest ange¬brochen sein musste. Als er nach seinem Hexerschwert griff, das er beim Fallen verloren hatte, fiel sein Blick auf den Turmdurchgang. Die männliche Striege tauchte gerade daraus hervor und zog einen leblosen Körper hinter sich her. Hatte die Bestie das Mädchen bereits getötet? Doch der scharfe Blick des Hexers konnte keine Wunde an Rosalea erkennen. Er hoffte, dass sie der schreckliche Anblick des Ungeheuers nur in eine befreiende Ohnmacht gerissen hatte.
Geralt behielt die Bestie genau im Blick, während er sich auf die Füße quälte. Die Kette hatte er fallen lassen, zu sehr schmerzte ihn das verstauchte Handgelenk. In seiner rechten Hand blitzte bedrohlich das silberne Hexerschwert.
Die Striege hatte ihn entdeckt, ließ Rosalea fallen und ging mit langsamen Schritten auf den Hexer zu. Nur wenige Meter trennten sie noch voneinander. Der faulige Atem der Bestie und der betörende Duft der Rosen gaben ein widerliches Potpourri ab. Geralt knurrte fast ebenso laut und drohend wie das sich ihm nähernde Ungeheuer. Er schwang sein Schwert und die Bestie blieb auf ausreichender Distanz.
Der Hexer wob einen Aard-Zauber mit seiner wunden Hand. Knirschend biss er die Zähne aufeinander und drückte den Schmerz fort. Die weißgelbe Energie entwich seiner nach oben gekrümmten Hand und stob der Striege entgegen, die sofort dagegen ankämpfte. Sie stemmte ihre Klauenpranken in den Boden und schob sich Schritt um Schritt ihrem Gegner näher. Sie durchpflügte den Energiestrahl und gewann immer mehr an Boden. Geralt konnte zu wenig Energie in seinen Zauber legen und bevor ihn dieser zu sehr schwächte, beendete er ihn. Kaum erlosch das Aardfeuer, als sich der Hexer auch schon zur Seite warf und das Schwert auf die vorbeitrabende Bestie herab sausen ließ.
Knochen und Staub stieben auf. Das Jaulen des getroffenen Untiers dröhnte in Geralts Ohren.