Joseph. Johannes Wierz

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Название Joseph
Автор произведения Johannes Wierz
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738004991



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ich weiß auch nicht, was mit mir los ist.“

      „Kein Problem, ging mir genauso, als ich dahinter gekommen bin. Aber glaube mir, wir werden der Sache schon auf den Grund gehen.“

      „Hier“, sagte David und schob das zweite Amulett zu Gabriel über den Tisch, „habe ich in der Schublade unserer Haushälterin gefunden.“

      „Kein Problem. In ein paar Stunden haben wird das Ergebnis.“

      „Als ich vier oder fünf Jahre alt war, hatte ich oft das Gefühl, nein falsch, war ich mir eigentlich ziemlich sicher, dass mein Vater noch leben würde. Aber das sind Kinderphantasien.“

      „Wir werden die Wahrheit schon herausfinden. Dafür bin ich hier, dafür bin ich gekommen.“

      „Die Wahrheit hatte sich mein Vater auch auf seine Fahnen geschrieben, aber anders als man sich das im Allgemeinen vorstellt. Wenn wir in der Villa sind, werde ich dir das Archiv meines Vaters zeigen, dann wirst du verstehen, was ich meine.“

      Als die beiden Freunde den Biergarten verließen, ging die Sonne langsam hinter den Bergen unter.

      Schweigend fuhren sie zur Villa am See. Den Auftrag der Haushälterin, die Kette für die Freundin in Hamburg abzuholen, hatte David Engel vergessen.

      Die vierte Station

      Der Hausherrin war es gar nicht recht, dass ihr Sohn einen Gast mitgebracht hatte, zudem dieser auch noch vorhatte, längere Zeit in der Villa am See zu bleiben. So ging Frau Engel beiden aus dem Weg, zog sich nach dem Mittagessen zurück und telefonierte mit ihren Freunden, die ihr rieten in der Sache nichts zu unternehmen. Einen Tag später kehrte Katharina Kranz, Johannas Mutter, überraschend in die nachbarliche Villa zurück. Sie lieh sich bei Frau Borgmann ein Stück Butter und erkundigte sich ganz nebenbei nach dem Gast aus Den Haag. Noch in derselben Nacht heulten die Sirenen der Alarmanlage des Van. Keine zwei Minuten später stand Gabriel angezogen unten an seinem Wagen. Mehr als einen unscharfen flüchtenden Schatten konnte er auf seinen Überwachungsmonitoren allerdings nicht erkennen. Wenigstens hatten seine Installationen den nächtlichen Unbekannten aber in die Flucht geschlagen. Dennoch galt es, angesichts dieses Zwischenfalls ein paar Verbesserungen vorzunehmen, um sein Warnsystem noch perfekter zu machen, fand Gabriel. Nach dem Bootsausflug mit David würde er sich sofort ans Werk machen.

      Gabriel fühlte sich sichtlich wohl am See mit dem Ausblick auf die majestätisch wirkenden Berge. Alles erinnerte ihn an seine Kindheit, als er mit seinen Eltern jedes Jahr im Sommer mit dem Wohnwagen in die Berge gefahren war. Gabriel Lavant stammte aus Den Helder. Dort hatte sein Vater in der ansässigen Marine als Kapitän gedient. Im Winter war das kleine holländische Küstenstädtchen eher beschaulich, erinnerte sich Gabriel, aber im Sommer waren die langen Sandstrände überfüllt, Hotelzimmer wie Ferienwohnungen restlos ausgebucht. Und es gab kaum eine Wiese, auf der für einige Wochen nicht eine kleine Zeltstadt entstanden war.

      „Bis zu seinem Ausscheiden aus der Marine sind wir jedes Jahr in die Berge gefahren. Ein Wunder, dass ich überhaupt schwimmen und tauchen gelernt habe“, scherzte Gabriel und grinste David an, der mit aller Kraft auf die Mitte des Sees zuruderte.

      „Ungefähr hier wollte Johanna damals mit mir schlafen. Was sage ich, sie wollte ein Kind von mir. Sie war gerade vierzehn Jahre alt geworden. Seltsam, an fast derselben Stelle hat sich übrigens auch ihr Großvater das Leben genommen.“ Gabriel hob die Brauen und blickte sich zur Kranz-Villa um.

      „Morgen werde ich meine Taucherausrüstung mitnehmen, vielleicht haben wir Glück, und die Nazis haben hier ihr Beutegold versenkt“, scherzte er und fügte nach einer kleinen Pause hinzu, „übrigens werden wir vom Dach eurer Nachbarvilla beobachtet.“

      David war längst in Gedanken versunken. Ihn beschäftigte das Untersuchungsergebnis der zweiten Reliquie. Sie hatte dieselbe DNA wie die erste. Es musste also, irgendwo ein menschliches Skelett geben, das in seinen Einzelteilen zu Amuletten verarbeitet worden war. Auch die weiteren Ergebnisse waren höchst interessant. Der dazugehörige Mensch war zwischen seinem dreißigsten und vierzigsten Lebensjahr gestorben. Gabriel konnte mit Sicherheit sagen, dass das Fleisch durch eine Säure vom Knochen getrennt worden war.

      „Mord“, murmelte David, „es muss Mord gewesen sein. Aber wieso macht sich jemand die Mühe, den Leichnam zu zerstückeln und auch die Knochen noch weiter zu verarbeiten?“

      „Wir werden das herausbekommen“, versprach Gabriel. „Du mit deinem Wissen und deiner Kombinationsgabe und ich mit meiner Technik. Ich finde, wir sind ein unschlagbares Team.“

      David grübelte weiter.

      „Ich sollte mit meiner Mutter reden, vielleicht gibt es ja eine ganz normale Erklärung für alles.“

      „Hallo?“ unterbrach Gabriel ihn, „wo bleibt deine Logik? Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass deine Mutter da mit drin hängt. Wir werden die ganze Zeit von deiner Nachbarin beobachtet, auch das ist nicht normal, wie Du mir sicher bestätigen wirst. Hier läuft irgendwas ab, wir durchschauen es bloß noch nicht.“

      „Und wenn die Knochen zu meinem Vater gehören?“ fragte David leise.

      Gabriel winkte sofort ab.

      „Vollkommen ausgeschlossen. Überlege doch nur, wie alt dein Vater heute wäre.“

      „Und wer beobachtet uns?“

      „Da ist jemand auf dem Dach der Nachbarvilla.“

      „Vielleicht sollten wir mit Johannas Mutter reden und ihr deine Untersuchungsergebnisse vorlegen“, schlug David vor.

      „Warte lieber den Termin des Gerichts ab, das ist früh genug. Außerdem habe ich heute Abend ein Experiment mit dir vor. Wenn es klappt, sind wir ein großes Stück weiter.“

      „Ein Experiment, mit mir?“ fragte David und lächelte unsicher.

      „Lass dich überraschen!“ grinste Gabriel.

      David legte die Ruder ins Boot, lehnte sich zurück und genoss die brennende Nachmittagssonne. Er war froh, dass Gabriel da war und ihm zur Seite stand.

      In der Nacht betrat Gabriel Lavant in einer Art schwarzem Kampfanzug und mit zwei Rucksäcken das Zimmer seines Freundes.

      „Zieh das über“, sagte er nur und warf David die Ausrüstung zu.

      „Was hast du denn vor?“ fragte David verwundert und schlüpfte, ohne eine Antwort bekommen zu haben, in den schwarzen Overall aus leichtem Synthetikstoff.

      „Kommen wir hier irgendwie unbemerkt hinaus?“ erkundigte sich Gabriel geschäftig und ließ seine Blicke schweifen.

      „Sicher, es gibt einen Weg über die Dächer, den habe ich immer als Kind benutzt.“

      Beide grinsten sich wie Lausbuben an, die vorhatten irgendeiner Witwe die Hähnchen durch den Kamin vom Feuer zu stehlen.

      So stiegen sie, die Rucksäcke geschultert, aus dem Gaubenfenster. Sie hielten sich an den Eisenhaken fest, die gegen Schneesturz in regelmäßigen Abständen zwischen den Dachkallen eingelassen waren, und hangelten sich so in vollkommener Dunkelheit Stück für Stück bis zur Dachrinne vor. An deren Fallrohr ließen sie sich bis zum Garagendach herunter. Von dort war es nur noch ein kleiner Sprung auf den angrenzenden Rasen.

      Dann huschten sie weiter über die Wiese, um schnell aus dem Blickfeld der Villa am See zu verschwinden.

      „Hast du keine Angst um deinen Wagen?“ fragte David, als sie außer Reichweite der Villa waren und eine kleine Pause machten.

      „Nein, ich habe ein paar Extras aktiviert, die jeden in die Flucht schlagen werden.“ orakelte Gabriel.

      „Und jetzt?“

      „Jetzt führst du mich zu diesem ominösen Wegkreuz, an dem du dich beobachtet gefühlt hast.“

      Ein seltsames Gefühl in vollkommener Dunkelheit auf einer Bank zu sitzen, aber