Название | Eine Studentin |
---|---|
Автор произведения | Peter Schmidt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742710260 |
„So? Welche Zeichen sind es denn diesmal?“, fragte Robert und legte grinsend seinen Arm um ihre Schultern.
„Ein Dreieck zwischen den Hochhaustürmen der Universität, dem alten Zisterzienserkloster einen Hügel weiter und dem Haus unserer Eltern.“
„Das meinst du nicht im Ernst?“
„Es ist ein Dreieck“, wiederholte sie. „Luftlinie wenige hundert Meter. Sieh es dir mal auf der Karte an. Die Schenkel aller Linien sind gleich lang. Glaubst du, so was ist Zufall?“
„Lieber Himmel …“ Robert schüttelte ungläubig den Kopf. „Bei deiner Neigung zum Aberglauben könntest du auch im Kaffeesatz lesen.“
Er stoppte an einer dunklen Hausfassade, über deren Schaufenster eine defekte Neonreklame flackerte.
„Was ist los?“, fragte sie.
„Du sprichst doch fließend Italienisch. Geh mal in die Pizzeria und besorg uns was zum Abendessen.“
„Wieso, weil es besser schmeckt, wenn man auf Italienisch bestellt?“
„Wäre ja möglich, dass der Pizzabäcker deinem Charme erliegt…“
„Du meinst das Lokal da drüben? Sieh dir die Bruchbude doch mal an. Die Schaufensterscheibe ist mit einem Tuch verhängt.
„Vielleicht heißt der Pizzabäcker ja Cesare wie dein Professor …“
Das Haus ihrer verstorbenen Eltern war ein massiver Felssteinbau aus dem siebzehnten Jahrhundert. Im Garten standen alte Apfelbäume.
Sie liebten diesen Ort über alles, auch wenn sie aus einem unbestimmten Gefühl ungern darüber sprachen. Vielleicht war es so etwas wie Respekt vor der Vergangenheit.
Durch die Dachfenster sah man den Stausee und etwas weiter seitlich auf den Hügeln die Hochhaustürme der Universität. Kurze Zeit vor dem Tod ihrer Eltern hatte man das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.
Aber Robert wusste, wie man sich über Vorschriften hinwegsetzte. Anders als sein Stellvertreter Paul Broder, der so etwas kaum gewagt hätte, ließ er es einfach in Nacht- und Nebelaktionen von einem befreundeten Bauunternehmer sanieren.
Das hätte ihn zwar seine Beförderung zum Hauptkommissar kosten können, doch in der Beziehung war er kaum weniger skrupellos als die Verbrecher, die er jagte.
Vorstellungsgespräch
Genau genommen war sie Cesare Hollando gar nicht zum ersten Mal bei seinem Vortrag in Stockholm begegnet, sondern schon früher in einem vollgestopften Fahrstuhl der Universität, wenn auch nur flüchtig, für wenige Sekunden.
Studenten stiegen ein und aus und es war die plötzliche Nähe zu einem dunkelhaarigen Hünen, die sie völlig unvorbereitet traf. Als gerate man in irgendetwas Mysteriöse – wie ein rätselhaftes Magnetfeld …
„Das ist Professor Hollando“, hörte sie einen Studenten hinter sich flüstern. „Unser kommender Nobelpreisträger und künftiger Lehrstuhlinhaber für Neurowissenschaften.“
Obwohl Carolin im Gedränge so gut wie nichts von ihm sah, war es, als stehe auf einmal ihr Herz still. Und einen Moment später, als sich in der zweiten Etage die Fahrstuhltür öffnete, flüchtete sie – wie um ihr Leben zu retten – ins Treppenhaus und lehnte sich aufatmend an die Wand.
Was war das denn? Doch nicht etwa ein Anfall von Klaustrophobie?
Jetzt im selben Fahrstuhl, kurz vor ihrem Vorstellungsgespräch, fühlte sie plötzlich wieder die gleiche Beklemmung. Als würde sie, sobald sie Hollando erst einmal gegenübersaß, kein Wort herausbringen.
Dabei war sie immer stolz darauf gewesen, nicht besonders ängstlich zu sein. Robert nannte sie gern – wenn auch mit ironischem Unterton – „meinen unbesiegbaren weiblichen Gefechtsstand“ und lobte ihre Furchtlosigkeit und dass sie durch kaum etwas aus der Fassung zu bringen war.
Gib dir selbst einen Tritt in den Hintern, ermahnte sie sich. Das ist die Chance deines Lebens!
Du stehst schon fast im Vorzimmer. Und da sitzt auch nur irgendeine bebrillte Schleiereule, die sich nach deinem Termin erkundigt …
Doch in Cesare Hollandos Institut gab es gar kein Vorzimmer. Als sie ohne anzuklopfen die Tür öffnete, saß er kaum fünf Meter entfernt am Schreibtisch, versunken in das Studium von Papieren. Der Raum war überraschend karg eingerichtet. An der einen Wand ein schwarz-weißes Wappen mit Dominikanerkreuz, an der anderen eine Kopie des Heiligen Dominikus von Tizian.
„Nein, nein, Sie sind nicht falsch“, murmelte Hollando, ohne aufzublicken – als könne er ihre Gedanken lesen. „Ich richte mich gerade erst ein. Andererseits schätze ich auch die Einfachheit, wie es sich für einen Dominikaner gehört.“
„Man sagt, Sie bewohnten nur ein winziges Zimmerchen drüben im Kloster?“
„Obwohl man bei einem Professor meiner Besoldungsstufe eher an eine opulente Dienstvilla denken würde? Ja, ich lebe bei den Zisterziensern, allerdings nur vorübergehend.“
„Carolin Meyers, wenn ich mich vorstellen darf?“
Hollando sah prüfend in eine Liste und nickte.
„Und nun sind Sie hier wegen der Arbeitsgruppe? Ihr Gesicht kommt mir übrigens bekannt vor. Waren sie im Karolinska-Institut?“
Carolin erstarrte … Großer Gott, sie war ihm dort aufgefallen …
„Hab im Universitätssekretariat einen der letzten Studienplätze für Ihre Seminare ergattert, weil das Angebot wegen zu großer Nachfrage begrenzt werden musste. In Ihre Arbeitsgruppe aufgenommen zu werden, würde mir einen Traum erfüllen.“
„Einen Traum, aha. Und was, glauben Sie, befähigt Sie in meinem Arbeitskreis mitzuarbeiten? Unter so vielen hoch qualifizierten Studenten?“
Irgendetwas war in seinen Augen, das sie nicht einordnen konnte.
„Nehmen Sie doch Platz, Carolin ….“
„Ja, gern.“
„Also …? Warum sollte ich Sie in meine Arbeitsgruppe aufnehmen?“
„Weil ich besser bin als alle anderen.“
Ihre Antwort schien ihn zu amüsieren. Hollando lehnte sich im Sessel zurück und faltete die Hände über dem Bauch.
„Sie glauben also nach zwei Semestern Neurowissenschaften,