Название | Eine Studentin |
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Автор произведения | Peter Schmidt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742710260 |
Sie wandte sich nach ihr um und starrte sie ausdruckslos an. Es schien, als versuche sie zu sprechen.
Plötzlich kam sie auf Carolin zu, umarmte mit beiden Händen ihre Hüfte und legte den Kopf an ihre Brust.
Ein unmerkliches Zittern lief durch ihren Körper.
„Schon gut … alles in Ordnung“, sagte Carolin.
Sie versuchte sich zu lösen, aber das Mädchen hielt sie mit beiden Händen fest umklammert.
„Sagst du mir deinen Namen?“
Keine Antwort …
Sie spürte ihren Atem, ihre Anspannung.
Carolin strich ihr über die Stirn – und dann mit einer mütterlichen Geste über das hellblonde Haar. „Verstehst du mich? Kannst du sprechen? Wo wohnst du?“
Dabei suchte sie das Ufer bis zur Staumauer ab, aber außer ihnen war niemand zu sehen.
„Du hast vergessen, wo du wohnst?“
Das Mädchen schüttelte den Kopf.
„Macht nichts … wird dir schon wieder einfallen.“
Sie blickte Carolin nur schweigend mit weit aufgerissenen Augen an.
Großer Gott …! War das womöglich ein weiteres Opfer?
„Ich bringe dich jetzt in meine Wohnung. Da kannst du frühstücken, dich duschen und ein wenig ausruhen. Vielleicht finde ich auch ein paar Sachen für dich, die dir passen. Danach sehen wir weiter, einverstanden?“
Sie griff nach der Hand des Mädchens und zog sie vom Wasser weg in Richtung Ufer.
„Mein Haus ist oben auf dem Hügel, direkt an der Straße. Siehst du den Felssteinbau mit dem Schieferdach, gleich neben den hohen Bäumen?“
„Ein schönes altes Haus“, sagte das Mädchen.
„Es gehörte meinen Eltern …“
„Leben deine Eltern noch?“
„Nein, sie sind bei einem schrecklichen Verkehrsunfall ums Leben gekommen.“
„Oh, das tut mir leid. Und wo liegen sie begraben?“
„Na, wie alle Menschen – auf dem Friedhof.“
Allerdings hätte Robert es vorgezogen, ihre Eltern nicht auf dem städtischen Friedhof, sondern lieber in einem Urnengrab ihres Gartens zu beerdigen. Aber das war leider zurzeit noch nicht erlaubt.
„Und gehst du deine Eltern oft besuchen?“
Carolin nickte nur und legte den Arm um ihre Schultern.
Fürchterlicher Gedanke, sie könnte das Gleiche durchgemacht haben wie die anderen Opfer. Und erst recht die Vorstellung, dass Robert ihr beim Verhör mit denselben brachialen Methoden zusetzte …
Aber Carolin hatte noch keine Ahnung, wie sie das Mädchen davor bewahren sollte. Verstecken in ihrer Wohnung? Wie lange würde das im selben Haus gut gehen? Und später?
Robert verfügte über den Spürsinn des geborenen Detektivs. Er bemerkte an kleinsten Anzeichen, dass irgendetwas nicht stimmte. Und wenn sie das Mädchen in die Obhut eines Heims gab, würde es angesichts des Aufsehens, das der Fall momentan in der Presse erregte, schnell in Verdacht geraten, ein weiteres Opfer zu sein.
Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll, dachte sie ratlos.
Womöglich wusste Cesare Hollando ja Rat? Sie konnte auch versuchen herauszufinden, ob jemand in der Umgebung vermisst wurde. Vielleicht fand sie so die Familie des Mädchens?
Institut
Warum zum Teufel geht er nicht mit mir ins Bett?, dachte sie. Etwa wegen des Gelübdes zur Ehelosigkeit?
Dominikaner versprachen nach der Ordenslehre eigentlich nur Gehorsam, schloss das auch Keuschheit ein?
In der Vorlesung am Vormittag schien er sie kaum noch zu kennen. Ein kurzer Gruß, unmerkliches Kopfnicken. Hollando trug ein Sommerjackett und wirkte noch gebräunter als sonst; was eigentlich um diese Jahreszeit nur per Kurztrip in die Karibik möglich war – oder mittels Sonnenbank.
Irgendwie komische Vorstellung, dass er sich unter einem UV-Strahler rekelte …
Mit einem Mal wurde ihr Verlangen unwiderstehlich, sich endlich Klarheit darüber zu verschaffen, was genau er eigentlich trieb. War er mit seiner Assistentin Anna Schwartz zusammen?
An diesem Tag blieb sie so lange in der Cafeteria, bis Hollando das Universitätsgebäude verließ. Sie folgte ihm vorsichtig am Sekretariat entlang über den Vorplatz – immer in ausreichender Entfernung – und dann über die Fußgängerbrücke zum Einkaufs-Center. Hollando steuerte zielstrebig auf eine kleine Trattoria zu.
Das ist also ihr Liebesnest, dachte sie.
Es war ein italienisches Spezialitätenlokal. Rote Lederpolster, gemütliches Ambiente, trotzdem exklusiv. Die einfachste Methode, um Frauen zu imponieren.
In der Steinzeit hatten Jäger mit reicher Beute punkten können, jetzt brauchte man weder Pfeil und Bogen noch Muskeln, sondern nur noch ein ausreichendes Bankkonto und die Information, wo ein Platz zum Stelldichein zu finden war, der Eindruck machte …
Hollando nahm an einem Tisch weit von der Theke Platz. Doch zu ihrer Verblüffung bestellte er nur eine Karte. Keine Spur von Anna Schwartz.
Carolin wechselte sicherheitshalber zum Geschäftseingang gegenüber, weil es zu riskant war, dauernd durch das Seitenfenster des Lokals zu blicken.
Er bestellte nur ein kleines Gericht ohne Beilage und sah während des Essens kein einziges Mal auf die Uhr – merkwürdig …
Carolin hatte angenommen, dass er danach mit Anna ein Taxi nehmen würde, wohin auch immer. Aber stattdessen kehrte Hollando auf demselben Weg zur Universität zurück.
Was hatte das zu bedeuten?
Hollando fuhr hinauf zum Research Department of Neuroscience, wo auch ihr Arbeitskreis tagte. Durch das Oberlicht in den Türen sah sie vom Fahrstuhl aus, dass Licht im Institut brannte.
Aber nicht lange, dann verlöschte es wieder …
Hatte er sich etwa im Institut schlafen gelegt? Gab es dort überhaupt so etwas wie eine Couch? Nach ihrer Erinnerung nicht. Oder war er jetzt im hinteren Bereich, wo sich der Magnetresonanz-Tomograph befand?
War dort ihr Liebesnest?
Carolin öffnete die Außentür eines der nur fußbreiten Balkone im Treppenhaus, eigentlich nur ein steinerner Vorsprung, und beugte sich so weit übers Geländer, dass sie seitlich in die Fenster des Instituts sehen konnte.
Nirgends Licht …
Was, zum Teufel, stimmt hier nicht?
Er