Название | Trojanische Pferde |
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Автор произведения | Peter Schmidt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847657736 |
Während ich die Türklinke drückte und feststellte, dass die Tür verschlossen war – vielleicht durch einen elektrischen Drücker, den man umschalten konnte –, nahm das Mädchen Sums Arm und begann heftig in ihrer Sprache auf sie einzureden. Sum machte sich gereizt los. Sie schrie etwas auf Thai und versetzte dem Mädchen einen Stoß. Ich ging um die Theke der Garderobe und suchte unter der Platte nach dem Türdrücker.
Das Mädchen fiel mir in den Arm, als ich den Doppelschalter gefunden hatte; aber ich stieß es weg und rief Sum zu: “Aufpassen jetzt …” Es gab ein summendes Geräusch, als ich den Knopf drückte.
Sum Nong blieb in der offenen Tür stehen, um auf mich zu warten.
4
Wir waren gerade ins Taxi auf der anderen Straßenseite gestiegen, da erschien Helga im Eingang. Sie hielt etwas in der Hand, das verteufelte Ähnlichkeit mit einem elektrischen Schlagstock aus schwarzem Hartgummi besaß.
Sie winkte uns damit zu, und ich winkte dezent zurück. Während wir abfuhren, sah ich aus den Augenwinkeln, dass oben am Ende der Feuerleiter die Eisentür aufging und ein langer Lulatsch seinen Kopf heraussteckte.
Er hatte kurzes weißes Haar, das über den Ohren etwas zu hoch ausrasiert war, und dicke goldene Ringe an den Fingern. Dem Gesicht nach zu urteilen hätte es Helgas Sohn sein können.
Ich wäre gar nicht abgeneigt gewesen, auszusteigen, und ihn zu fragen, ob er für das doppelläufige Jagdgewehr in seinen Händen einen Waffenschein besaß. Aber Sums ängstliche Blicke hielten mich davon ab. Ich wartete auf das Geräusch eines aufheulenden Motors hinter uns oder einen Schuss, der von der Straßenecke aus unsere Heckscheibe zertrümmert. Doch wir bogen langsam in die Hauptstraße ein. Oder was sich in diesem Viertel Hauptstraße nannte …
Die Fassaden waren wegen der paar Leuchtreklamen nur unwesentlich heller als in den Seitenstraßen, aber die Straßenlaternen sahen immer noch so aus, als seien sie auf halbe Kraft geschaltet.
Sum warf einen ängstlichen Blick in den Rückspiegel.
“Keine Angst, wenn jetzt nicht gleich einer von Helgas Ballermännern auf seinem Rennmotorrad um die Ecke biegt, sind wir überm Berg …”
“Das wäre wirklich phantastisch.”
“Warum hast du dich überhaupt von dem Laden anheuern lassen, wenn du so wild darauf bist, ihn möglichst schnell wieder loszuwerden?”
Sum zuckte die Achseln und schwieg.
Ihr Schweigen klang, als wolle sie mir damit zu verstehen geben: Es hat einen Grund, Winger. So wie alles auf der Welt einen Grund hat, die abgeplatteten Felskuppen im Gebirge und die Risse am Meeresboden. Aber ich kann Ihnen jetzt noch nicht verraten, welchen. Es ist ein schreckliches Geheimnis. Es könnte uns beide ins Unglück stürzen.
Zumindest las ich das in ihrem verängstigten Gesicht. Vielleicht aber las es mein übernächtigtes Gehirn auch nur in dem Buch, das es selber aufgeschlagen hatte, weil mir mein Instinkt sagte, an der Geschichte, in der wir momentan steckten, sei wieder einmal etwas faul.
Unser Hotel lag nahe beim Spielkasino und war eines von der kleinen, aber feinen Sorte, die Spieler bei Laune halten sollen, Gewinner und Verlierer gleichermaßen, und bei den Verlierern ist das sicher kein ganz kleines Kunststück. Zwischen den Stämmen des Waldhang schimmerte der Stausee. Rechts davon befand sich der Parkplatz mit dem Kasinoeingang, und wenn man wollte, konnte man leicht die Auffahrt im Auge behalten.
Der Portier behandelte uns mit jener freundlichen Umsichtigkeit, die man eigentlich nur erwarten durfte, wenn man nach einem langen, sündenfreien Leben an der Himmelspforte angelangt war. Er hatte makellose Zähne, makellose Manschetten und manikürte Finger. Die Farbe seines Jacketts war auf das Tapetenmuster der Rezeption abgestimmt.
Er fragte nicht nach Sums Pass, obwohl das wahrscheinlich seine Pflicht gewesen wäre, sondern trug nur meinen Namen und den Vermerk “mit Begleitung” ein.
Er war die perfekte Verkörperung der Diskretion und zwinkerte nicht mal mit den Augen dabei.
Man sah seinem Gesicht an, dass er glaubte, ich hätte mir das Mädchen in Thailand unter den Nagel gerissen, weil mir unsere Emanzen eine Nummer zu groß waren für ein harmonisches Sexualleben. Oder weil nach seiner Überzeugung niemand so artistisch vom Kleiderschrank in die Lampe sprang wie diese Asiatinnen.
Am Fahrstuhl wandte ich mich noch einmal nach ihm um und machte das Siegeszeichen. Aber das war ihm schon etwas zuviel der Kumpanei, und er beugte sich ohne irgendein Anzeichen von Lächeln über seine Papiere.
Unsere Zimmer besaßen eine Verbindungstür. Ich platzierte Sum Nong in einen Sessel vor dem Fernseher und bat sie, sich nicht von der Stelle zu rühren, während ich ihr im Ort ein paar Sachen wie Unterwäsche, Zahnbürste und eine kleine Reisetasche besorgte.
“Und schließ bitte die hinter mir Tür ab, ja?”
Sum nickte geistesabwesend, dabei starrte das Fernsehbild an, als sei es eine Direktübertragung vom Mars.
“Irgend was nicht in Ordnung mit dem Film?”, fragte ich.
“Ich mache mir nur Sorgen, was jetzt aus mir werden soll. Mein Pass ist noch im Klub. Glauben Sie, ich bekomme eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn ich nicht mehr dort arbeite?”
“Nein.”
“Weil die Bestimmungen so streng sind?”
“Weil unser Land nur für Menschen Verwendung hat, die ein paar Millionen in neue Fabriken investieren und viele Arbeitsplätze schaffen. Weil unser Sozialsystem aus dem letzten Loch pfeift, wenn es ein paar Asylbewerber und Wohlstandstouristen aus der Dritten Welt durchbringen soll und wir dann alle zum Frühstück billige Marmelade essen und die Heizungen kleiner drehen müssen.”
“Sind Sie vielleicht so was wie ein verkappter Sozialreformer, Ralf?”, erkundigte sie sich lächelnd.
“Nein, ich bin nur ein armer Schlucker, der dauernd was zu meckern hat, weil er in seinem Alter immer noch auf der Klappliege im Büro schlafen und seine Hemden zum Lüften an den Fenstergriff hängen muss.”
“Tatsache?” Sie legte kichernd ihren Arm um meine Hüften. “Weil Sie keine Waschmaschine besitzen? Dann sind Sie ja genau so arm wie ich?”
“Meine Mutter, ein schwarzes Mädchen aus Angola, hat mir beigebracht, dass trocken Brot und Wasser rosige Wangen macht – und Armut ein sonniges Gemüt.”
“Sie sind gebürtiger Angolaner? Sieht man Ihnen aber gar nicht an, dass Ihre Mutter …?”
“Nein, ich bin so weiß wie Schreibmaschinenpapier. Mein Vater war Chefkoch auf einem deutschen Ozeanklipper. Er lernte ein schwarzes Mädchen in Luanda kennen, das Schiff hatte einen Maschinenschaden, die Ersatzteile brauchten ziemlich lange von Europa aus – aber jetzt muss ich mich wirklich beeilen, um dir eine Zahnbürste zu kaufen, bevor die Läden schließen.”
“Das ist noch etwas, das Sie wissen sollten …”, sagte Sum, als ich schon in der Tür stand.
“Ja?”
“Ich bin nur nach Deutschland gekommen, um herauszufinden, was mit meiner Zwillingsschwester Nam passiert ist.” Sie schwieg und sah mich erwartungsvoll an. “Deswegen habe ich in Thailand Deutsch gelernt.”
Verblüffend gut Deutsch sogar, dachte ich. Jedenfalls für jemanden, der in armen Verhältnissen aufwuchs und sich kaum ein Universitätsstudium im fernen Bangkok leisten konnte. Also schloss ich die Tür wieder und setzte mich zu ihr in den Sessel. “Deine Schwester arbeitete im selben Klub?”
“Man