Название | Mein Lieber Sohn und Kamerad |
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Автор произведения | Eberhard Schiel |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738010398 |
In inniger Freundschaft mit Brudergruß
Dein Otto
AN WILLI PUCHERT (8)
Stralsund, 8.9.1914
Lieber Willi!
Wie schade, daß Du schon so früh wieder Stralsund verlassen mußtest. Der Sonntagabend, der Abschiedsabend für unsere Kriegsfreiwilligen, war sehr nett. Ich bin hochbefriedigt nach Hause gegangen. Wie ich mit Walter den Versammlungsraum betrete, tadelte Herr Diete gerade das Benehmen der bekannten Klicke, in dem auch er allen Anwesenden die Namen nannte. Auch Herr Pastor tadelte er. Mit allen gegen zwei Stimmen wird beschlossen, daß sich der Verein als Ganzes der Kriegsjugendwehr anschließt und alle tauglichen Mitglieder teilnehmen müssen. Wir singen das Lied: "Wo Mut und Kraft in deutschen Seelen flammen", mit dem schönen Schluß: "Den Jüngling reißt es fort mit Sturmeswehen, fürs Vaterland in Kampf und Tod zu gehen." - Nun bittet Herr Diete unseren Fritz Schlamm, einiges von seinen Erlebnissen zu erzählen. In frischer, humorvoller Weise erzählte er nun. Von Krotoschin bis Lothringen fuhren sie 72 Stunden. Das kam daher, weil sie mal nach Westen, Norden, Süden fuhren. Dann wurde auch mal wieder zurückgefahren, um feindlichen Flugzeugen nicht den Sammelplatz unseres Heeres zu verraten. In Lothringen wurde Marschieren geübt, usw. Eines Nachts um 2 Uhr kam der Befehl zum Einmarsch in Frankreich. Die Bewohner sind in den ersten Dörfern friedlich, auch versteckte Waffen wurden nicht gefunden. Noch immer war kein Feind zu sehen. Da ertönt feindlicher Kanonendonner. Bald fliegen auch die ersten Gewehr-Geschosse heran. Von den Franzosen ist nichts zu sehen. Sie eröffnen nämlich das Feuer schon auf 2000 Meter, weil die Gewehre die Eigentümlichkeit haben, dann am sichersten zu schießen. Ganz sicher schießen sie auch dann noch nicht. Auf kurze Entfernungen schießen die Kugeln zu hoch. Auf 1000 Meter wird unsererseits das Feuer eröffnet, damit man auch zielen kann. Die Franzosen erscheinen nun nicht in Felduniform, sondern in roten Hosen und blauem Schniepel. Franzosenmantel der 6ten Garnitur. Wenn die Deutschen mit dem :"Deutschland, Deutschland!" auf 800 Meter herangekommen sind, laufen die Franzosen weg. Die Offiziere mit gutem Beispiel voran. Scheinbar zogen sie sich in ein Dorf zurück. Beim Nahen der Deutschen schießen die Franktireurs. Ein Pfarrer steht auf dem Kirchturm und knallt mit einem Maschinengewehr auf unsere Soldaten. Er wird heruntergeholt und am nächsten Baum als warnendes Beispiel aufgeknöpft. Auch aus einem Hause wird einer herausgeholt. Er bekommt einen Spaten in die Hand und muß sich sein Grab schaufeln. Dann wird er erschossen und hineingelegt. Das ganze Dorf wurde angezündet. Drei Häuser blieben stehen. Dann ging es weiter vor. In einem Graben, aber so gelegen, daß sie von Geschossen nicht getroffen werden können, liegen 12 Franzosen und sind tot. Der erste wird mit dem Bajonett gekitzelt und...er nimmt die Hände hoch und steht auf. Sein Nachbar lugt ängstlich um sich, um zu sehen, was der erste machte. Dann hebt auch er die Hände. Bald haben sie dann 12 Gefangene statt Tote, die nachher auf unsere Truppen rücklings geschossen hätten. In ihrem Tornister fand man Konserven mit Sardinen und Feilen zum Anfertigen der scheußlichen, völkerrechtlich verbotenen Dum-Dum-Geschosse. Die französischen Waffen sind ansonsten nicht so vollkommen wie unsere. Beim Gewehr muß jede Patrone für sich geladen werden. Die Maschinen-Gewehre können 25 Schuß abgeben. Unsere haben dagegen einen Patronengürtel mit 250 Patronen. Auch arbeiten unsere 1 1/2 Mal so schnell wie die französischen. Abends gegen 7 Uhr wurde Fritz Schlamm verwundet. Er schleppte sich mit einem Lieutenant bis zur Chaussee. Er lobte auch die Arbeit des Roten Kreuzes. Sie wurden zum Verbandsplatz getragen und hier verbunden. Dann kamen sie ins Feldlazarett. Sie erhielten Kommisbrot mit französischen Sardinen. Eine große Schande ist es, daß Flieger über dem Verbandsplatz, der durch auffällige rote Kreuze auch von Oben erkenntlich war, erschienen und Bomben warfen. Diese erreichten aber nicht ihr Ziel, sondern fielen in den Wald. Unser Fritze sollte nach Diederhofen zur Erholung. Er nahm aber Urlaub, um die Erholung in seiner Heimat zu suchen. Sein Regiment war von 11 Uhr bis 7 1/2 Uhr des Abends im Gefecht. Eine kriegsstarke Kompagnie war zum Schluß noch kampffähig. Er meinte, mehr könne er nicht erzählen, da er nicht mehr erlebt habe, aber wenn er wieder zurück kommt, wird er wieder mehr erzählen. Nun wurden noch einige Lieder, auch zur Geige und Zupfgeige, gesungen, worauf auch Herr Regierungsrat einige Worte an die Freiwilligen richtete. Er ermahnte sie zu Kämpfen für das, was sie im Verein gelernt haben, und es hinaustragen. Er überreichte W. Neels, Fritz Schlamm, O. Pögler und K. Jakobs einen Siegestaler mit den Worten: "Mögen Sie in diesem Zeichen siegen." Er bedauerte nur, daß Ihr anderen schon fort und um den Taler gekommen seid. Nun richtete auch Herr Diete einige Worte an die von uns Scheidenden, die zu Herzen gingen. Wenn Herr Diete mir oft etwas zu lange redete, heute folgte ich Wort für Wort. O, wie schade, daß Du diesen Abend nicht mehr erleben durftest. Er war zu schön. Jeder erhielt noch ein Kreuz, wie Du auch eins erhieltest. Herr Pastor Pfeiffer kam mit der Nachricht, Herr Hauptmann Rintelen sei gefallen. Wie schmerzlich, wenn ich daran denke, daß der zu Herrn Diete sagte: "Wenn ich wiederkomme, dann bauen wir Jungdeutschland." Es sollte ihm nicht vergönnt sein. - Unsere 42-er sollen nun auch schon schwere Verluste haben. Wenn ich die Verlustliste habe, werde ich sie Dir senden. Wie ist Euer Kamerad aus Garz angekommen? Seid ihr auch wieder glücklich im schönen Stettin? Mehr weiß ich nicht zu berichten. Sei Du herzlich gegrüßt und Gottbefohlen
Dein getreuer Otto
VON WILLI PUCHERT (9)
Stettin, 12. 9. 1914
Lieber Otto!
Heute erhielt ich Deinen Brief wie auch die Karte. Die Karte war irrtümlich erst zur 8. dann zur 7. und endlich zur 6. Kompagnie gekommen. So kam es, daß ich den Brief eher wie die Karte erhielt. Am Freitag abend bin ich nach Hause gefahren. 2 Tage war ich da. Sonntag mit dem 6 Uhr Trajekt kam ich zurück, war jedoch sehr müde, so daß ich nicht in den Verein kommen konnte. Um 11 Uhr bin ich dann weiter gefahren. Morgen haben wir 2 Schießübungen. wenn diese gut ausfallen, wie die erste, bekommen wir noch zwei Tage Urlaub, vielleicht Donnerstag bis Sonnabend. Dann können wir in unserer neuen Uniform fahren. Die erste Schießübung, liegend aufgelegt, ist gut ausgefallen. Wir sitzen noch immer in Stettin. Die Truppenübungsplätze sind sämtlich überfüllt. Wir machen nun 4 Tage Exerzieren im Regiment und einige Tage Manöver mit der ganzen Brigade. Anfang Oktober stehen wir zur Verfügung des Generalkommandos. Die graue Uniform sieht tadellos aus und sitzt äußerst bequem. Wir sind inzwischen umquartiert ins Gesellschaftshaus. Hier ist nun fast die ganze Kompagnie zusammen. Wie weit seid ihr mit Eurem Kursus? Grüße bitte Deine Eltern und Geschwister sowie alle Vereinsmitglieder recht herzlichst.
Mit deutschem Brudergruß Willy
Hoffen wir das Beste für die morgigen Schießübungen.
AN WILLI PUCHERT (10)
Stralsund, 19.9.1914
Lieber Willi!
Mein Direktor ist heute Nachmittag nach meinem Vater raus gefahren. Diese Gelegenheit benutzte ich, um Dir schnell einige Zeilen zu widmen. Vielleicht erreicht dieser Brief Dich etwas später wie die anderen. Am 20. wolltet ihr doch schon von Stettin fort. Auch der letzte Sonntag im Verein nahm einen guten Verlauf. Es waren etwa 20 Ostpreußen erschienen. Herr Diete las uns einen wunderbaren Kriegsbrief eines alten Kriegsberichtserstatters vor. Er ist von der Deutschen Tageszeitung zum westlichen Kriegsschauplatz entsandt. Die Tochter des Geheimrats Becker ist auch im Westen als Rote Kreuz Helferin tätig. Sie ist in einem Lazarett beschäftigt, welches ihr Gemahl, mit dem sie kriegsgetraut, leitet. Sie fuhr mit einem Lazarettzug. Die Stellungen verschoben sich aber derart, daß der Zug mitten durch die tobende Schlacht fuhr. Frau..., geb. Becker, sah so den Kampf aus nächster