Название | Mondschattenland |
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Автор произведения | Wolfgang Bendick |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742759078 |
So kamen wir in ein paar Tagen bis Istanbul, der Stadt der tausend Türme. Hier versuchte man mehrmals, eine der Autotüren zu öffnen, sogar, wenn wir drinnen waren. So blieb uns nichts anderes übrig, als auf einen ‚bewachten‘ Parkplatz zu gehen, wo schon andere, meist bunt bemalte VW-Busse und englische Überlandbusse standen und das ‚Schutzgeld‘ an einen etwas zwielichtigen Parkwächter zu zahlen. Trotz diesem wurden in den paar Tagen, die wir hier verweilten, mehrere Autos geknackt. Dieser Platz lag zum Glück ziemlich zentral. Auf der einen Seite ging es zum Puddingshop und den anderen Freak-Treffpunkten, gegenüber erhoben sich hinter einem Park die Minarette der Blauen Moschee.
Zusammen erkundeten wir den Bazar, ließen uns von der Pracht der angebotenen Waren, die nicht für uns bestimmt waren, bezaubern. Wir saßen in Moscheen und lauschten dem Gesang des Muezzins. Hand in Hand wanderten wir am Bosporus entlang, sahen den Fischern beim Entladen ihres Fanges zu, folgten mit unseren Blicken den rauchenden Fähren nach Asien. In der Ferne verband schwebend die neue Hängebrücke Europa mit Asien, worunter sich langsam wie Schnecken die Ozeanriesen in beide Richtungen bewegten. Bisweilen tutete ein Nebelhorn, dessen dumpfer, vibrierender Ton mir bis tief unter die Haut drang und in mir ein unsagbares Fernweh auslöste. Ich versuchte das meiner Gefährtin zu erklären. Sie meinte, bei ihr löse dieser Klang eher Heimweh aus. Hier gestand sie mir auch, dass sie bei meinem unerwarteten Auftauchen in München gedacht hatte, ich sei zurückgekommen, weil ich genug vom Reisen hatte. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass ich ihren Brief in so kurzer Zeit erhalten habe. Ich erklärte ihr, dass ich umgedreht war, um mit ihr zusammen aufzubrechen, da ich es ihr nicht zumuten wolle, alleine bis nach Erzurum zu fahren… Auf jeden Fall waren wir jetzt zusammen hier und sie wollte auch weiter mit mir zusammen nach Osten. Jedenfalls war Istanbul eine gute Vorbereitung auf das, was uns bald erwartete.
Wir wollten den Staub der Reise loswerden und gingen in ein Hamam, ein türkisches Bad. Das sind meist uralte Gewölbe, innen überall mit Keramikfliesen bedeckt, wo eine erstickende, feuchtwarme Atmosphäre herrscht. In Nischen befinden sich Becken mit heißem und kaltem Wasser, was man mit Schüsselchen schöpft und über sich leert. Das Ganze mit einem Tuch um die Hüften, denn im Orient ist Nacktheit verpönt, und auch Männlein von Weiblein getrennt. In diesen Bädern wäscht man sich, man kann sich massieren lassen, man trifft sich zu einem gemütlichen Schwätzchen. Dabei kann man sich auf erhitzte marmorne Bänke legen. Eigentlich eine gemütliche Angelegenheit, doch für einen Fremden ist das anfangs etwas ungewohnt, es sei denn, man wird gleich als Deutscher erkannt und ein ehemaliger Gastarbeiter nimmt einen unter seine Fittiche. Doris musste natürlich in das Frauenbad. Dort nahmen ein paar Frauen sich ihrer und wollten sie mit einer grünen Paste einreiben, wohl um ihr alle Haare, außer denen auf dem Kopf, zu entfernen. Anscheinend ist das dort die Mode… Auf jeden Fall waren wir froh, uns wieder sauber und noch vollständig behaart wiederzusehen!
Am letzten Abend saßen wir im Sultan Ahmed Park, gegenüber der Blauen Moschee. Die Sonne war schon seit einer Weile großartig untergegangen und der Himmel war wolkenlos. Plötzlich zuckten Blitze auf und erleuchteten die Moschee mit bunten Farben. Donner dröhnte aus Lautsprechern, dann ertönte orientalische Musik. Eine Stimme las in verschiedenen Sprachen, auch in Deutsch, orientalische Poesie vor. Es war eine ‚Lightshow‘, hier wohl das Allerneueste. Wir waren entzückt, obwohl wir zu Beginn erschrocken waren. Teeverkäufer machten die Runde, Sesamkringel wurden geknabbert, und sogar ein paar Schuhputzer versuchten ihr Glück. Dann zurück zu unserem Bus. Wir waren jedes Mal froh, ihn heil wiederzufinden. Inzwischen war ein englischer Doppeldeckerbus voller Freaks angekommen und es ging hoch her. Wie der wohl unter den Brücken durchkam?
Kara Deniz
Am nächsten Morgen zuckelten wir durch den dichten Verkehr zur Anlegestelle der Fähren. Zwischen bunten Bussen und qualmenden LKWs fanden wir einen so engen Platz, dass wie durch die seitliche Schiebetür aussteigen mussten. Leichte Gischt spritzte auf das Fahrzeugdeck, worauf wir standen, der Wind wehte uns erste Gerüche von Asien zu. Beim Anlegen wollte jeder der erste sein. Motoren röhrten und die Hupen schienen blockiert. Als unsere Türen freiwaren, sprangen auch wir schnell in unser Fahrzeug, bevor uns ein Ungeduldiger von hinten hinausschob, und wir krochen in einer Kolonne stinkender Laster die Serpentinen hoch, die uns auf die neue Autobahn brachten, welche Istanbul über die Hängebrücke mit Ankara verband. Bald kamen wir auf ein Plateau. Gemüsefelder lösten sich mit Getreideflächen ab, an verschiedenen Stellen fuhren monströse Maschinen über das Land und ernteten Kartoffeln. Später, als die Gegend hügeliger wurde, verwandelte sich das Land in Weiden mit Schafherden darauf. Die Tiere waren länger als deutsche Schafe. Ein beim Rennen auf und ab wippendes Fettpolster verlängerte das Hinterteil. Wohl eine Art Reservetank, wie bei einem Kamel. Und deren Hirten waren meistens Kinder, die durch Steinwürfe die Tiere zu lenken versuchten. Doch diese waren etwas stoisch oder bevorzugten das Futter an dem Ort, wo sie gerade grasten. Auch waren sie durch ihre Wolle gut gepanzert gegen Wurfgeschosse. Also suchten sich die Kinder andere Ziele für den Stein, den sie gerade in der Hand hielten. Was war da geeigneter als unser Auto? Wie bereute ich, daheim keinen Schutzrahmen mit Gitter für die Windschutzscheibe gebaut zu haben! Für die alten, doppelscheibigen Busse, gab es diese bei fast jeder neben der Straße liegenden Reparaturwerkstätte, nicht aber für unser Modell. Trotzdem kamen wir heil nach Ankara.
Hier bogen nach Norden ab, um zum Schwarzen Meer zu gelangen. Wir durchfuhren nicht endende Haselnuss-pflanzungen, wo sich Kinder hoch hinaufhangelten, um die Nüsse abzuschütteln. Manchmal hingen sie wie Tarzan an den bogenförmigen Stämmen und machten Klimmzüge, damit die reifen Früchte zur Erde fielen oder schlugen mit langen Stangen daran. Die Frauen und die kleinen Kinder lasen sie auf, warfen sie auf Haufen und stampften darauf herum, um die trockenen, kranzförmigen Blatthüllen zu entfernen. Die Männer standen dabei, rauchten Zigaretten oder füllten die Ernte in Säcke, um sie auf Eselsrücken in die Dörfer zu schaffen. Dann wieder wilde Schluchten und malerische Dörfer. Bisweilen lösten Kiefernhaine die Plantagen ab und es duftete nach Harz. Wir fanden an unseren Übernachtungsplätzen Pilze, die unseren einheimischen ähnelten. Wir fragten die Leute, ob sie gut seien, oder aßen anfangs nur wenig davon, um sie zu probieren. Hier sprachen sehr wenig Menschen Deutsch. Vielleicht ermöglichte ihnen die Kultur der Haselnüsse ausreichende Einnahmen und sie suchten deshalb ihr Glück nicht in der Ferne.
Und dann lag es vor uns, unter einer schwarzen, tiefen Wolkendecke, Kara Deniz, das Schwarze Meer. Endlos wie alle Meere erstreckte es sich bis hinter den Horizont. Hier und da pflügte ein Schiff seine schaumige Furche in den flüssigen Grund, eine Regenwand trieb einem Schleier gleich nach Osten. Die schmale Straße wand sich durch feuchtgrüne Wälder langsam der Küste zu. Bald verließen wir sie und bogen in einen kaum sichtbaren Weg ein, eigentlich nur zwei Spuren im kurzen Gras, die über den Klippen endeten, nicht einsehbar von der Straße. Das war uns gerade recht. Wir drehten das Auto in Wegfahrrichtung, aus Sicherheitsgründen und um nicht morgens mit beschlagenen Scheiben riskante Manöver fahren zu müssen. Wir stiegen aus und streckten uns. Der