Название | Die Freistaaten |
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Автор произведения | Jens Zielke |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738089738 |
„Gibt es viele Frauen, die sich über ihn beschweren können?“, fragte Dana beiläufig.
Schmunzelnd drehte Karl seinen Kopf zur Seitenscheibe. Er hatte die Falle gewittert.
„Sein kaum vorhandenes Privatleben schirmt der Freiherr ab. Aber er bat mich darum, Sie wie ein Familienmitglied zu behandeln.“
Glücklich über diese Antwort versenkte Dana den Rücken in den Sitz. Sie schwieg und beobachtete die LCD-Leuchten des Armaturenbretts. Als sie wieder auf die Straße sah, konnte sie den Bühler Finger sehen. Das V ragte in den Frankfurter Nachthimmel. Von weitem sah der Finger aus wie ein halbfertiges Gebäude in das eine tiefe Kerbe geschlagen wurde. Beim Näherkommen konnte man aber sehen, dass dies nur eine optische Täuschung war. Der V-Ausschnitt und die oberen Etagen waren mit verdunkelten Scheiben versehen, aus ihnen drang kein Licht nach außen. Das V hingegen war selbst am Tag hell erleuchtet.
Karl steuerte den BMW aber nicht in die Abfahrt des Fingers, sondern, wie von ihm angekündigt, in die des wesentlich kleineren Nachbargebäudes. Das Parkhaus, in das sie rollten, war fast leer, nur wenige Parkbuchten waren von Autos der absoluten Luxuskategorie besetzt. Dana dachte an das Telefongespräch mit von Carstheim.
Vor zwei Stunden hatte das Handy endlich geläutet.
„Guten Abend, Frau Engelhard“, hatte von Carstheim sich gemeldet. „Ich wollte Sie fragen, ob Sie nicht Lust hätten, unser Gespräch von neulich fortzusetzen?“
„Äh, ich weiß nicht, ich …“, hatte sie gestammelt und sich darüber geärgert, dass er sie überrumpelt hatte. Von Carstheims nächsten Sätze, ließen sie aber ihren Ärger über sich vergessen.
„Frau Engelhard, wenn ein Mensch einem anderen gegenüber Sympathie hegt, ist das kein Verbrechen. Und man sollte das auch zugeben können. Mir jedenfalls geht es so. Ich würde mich wirklich freuen, Sie so bald wie möglich zu treffen.“ Von Carstheim hatte eine Pause eingelegt.
„Dass wir zwei unterschiedlichen Lagern angehören, sollte hierbei keine Rolle spielen. Immerhin gab es in der Vergangenheit eine Menge solcher Paare. Denken Sie nur an Kleopatra und Marc Anton. Wie langweilig wäre die Weltgeschichte verlaufen, wenn Kleopatra gesagt hätte: „Marc, tut mir leid, ein Treffen kommt für mich nicht in Frage. Ich kann Römer nämlich nicht leiden.“
Von Carstheim hatte amüsiert geklungen. Im Geiste hatte Dana sein Lächeln vor sich gesehen.
„Die Welt wäre einer großen Geschichte beraubt worden. Ein gutes Ende hat es mit den Beiden aber nicht genommen“, hatte sie geantwortet.
„Doch nur deswegen sind sie noch in aller Munde.“
Nach diesem Satz hatte Dana einem Treffen, auch auf die Gefahr hin zugestimmt, dass ihr Chef sie feuern würde, sollte er von dem Treffen erfahren.
Angeführt von Karl war Dana in einen grau betonierten Gang gelaufen. Der Gang endete an einer Aufzugstür.
„Ich muss Sie warnen, die Kabine beschleunigt teuflisch, nichts für einen schwachen Magen.“
„Bin einiges gewöhnt“, schlug Dana die Warnung leichthin in den Wind.
Karl schob nun eine Plastikkarte in einen silbernen Schlitz. Das Display leuchtete auf und er gab einen Code ein und die Fahrstuhltüren fuhren auseinander.
„Geben Sie Bescheid, wenn ich Sie abholen soll.“
„Mache ich. Und vielen Dank auch für die Auskunft“, sagte Dana schnell durch die sich schließenden Türen.
Der Expressaufzug beschleunigte augenblicklich. Jochen Schweitzer hätte aus ihm eine Attraktion machen können. Danas Magen zog sich zusammen und sie hielt sich an der Griffstange fest. Die Zahlen auf dem Stockwerksanzeiger tickten, wie die Zehntelsekunden einer Uhr, und abrupt hielt der Aufzug im Penthouse an. Ihr Magen hüpfte und erzeugte ein angenehmes Kribbeln. Die Tür öffnete sich von links nach rechts. Dunkelbrauner Dielenboden erschien vor ihr und eine Holztäfelung verlief rund um das mindestens neun Meter hohe und 400 Quadratmeter große Wohnzimmer. Die Täfelung ging nahtlos in das Panoramafenster über. Der hintere Teil des Wohnzimmers wurde von einem Bücherregal, das bis unter die Decke reichte, eingenommen. Rechts daneben konnte sie eine offene, saalgroße Küche sehen. Eine Vielzahl von Pflanzen war so verteilt, dass der Raum trotz seiner Größe einladend und gemütlich wirkte. In der linken Ecke flackerte ein Kamin. Davor, vom Feuerschein beleuchtet, stand eine Couchgarnitur.
„Willkommen in meinem unbescheidenen Heim“, sagte von Carstheim von einer kleinen Holztheke aus. Er trug ein weißes Polo-Shirt und eine dunkle Stoffhose. Auf dem Shirt prangte das Marc Anton Logo.
„Meine Schwester hat mir schon häufig vorgeworfen, dass alles viel zu protzig ist. Ich habe mich aber mit dem Argument durchgesetzt, dass wir die Wohnung auch unseren Geschäftspartnern zur Verfügung stellen. Sie können sich nicht vorstellen, wie verwöhnt Manager und Vorstandsvorsitzende sein können.“
Dana war vollkommen perplex. Deutschlands mächtigster Geschäftsmann erweckte den Anschein, als würde er sich für seinen Reichtum schämen. Sie musste daran denken, dass selbst die großen Geldinstitute des Landes vor ihm kuschten.
„Sie müssen sich nicht entschuldigen, dass Sie so wohnen“, sagte sie.
Von Carstheim löste sich von der Theke. „Gestatten Sie mir bitte das Privileg, Sie beim Vornamen zu nennen?“ Hoffnungsvoll ruhten seine dunklen Augen auf ihr. Dana nickte zustimmend. Dabei versuchte sie, Ruhe auszustrahlen. In Wirklichkeit schlug ihr Herz bis zum Hals.
„Wenn du mir erlaubst, dich im Gegenzug ohne das ‚von‘ anzusprechen, geht das in Ordnung.“
„Gleiches Recht für alle.“ Von Carstheims Blick huschte vielsagend über das blaue Kostüm, das ihre Figur betonte.
„Hoffentlich bist du nicht allzu hungrig. Aus Gründen der Diskretion habe ich meiner Köchin freigegeben. Der Kühlschrank ist zwar gut gefüllt, das hilft uns aber nicht weiter. Zu unserem Glück besitzt das Haus aber ein gutes Restaurant mit Zimmerservice.“
„Ich kann kochen. Meine Mutter meinte, es könne nicht schaden, es zu lernen und deine Küche muss ich unbedingt ausprobieren.“ Dana krempelte ihre Ärmel hoch und durchquerte das Wohnzimmer.
„Du bist die attraktivste Politikerin, die je diese Küche betreten hat.“
Dana verzichtete auf eine Antwort, stattdessen blitzten ihre Augen.
Von Carstheim zog eine Flasche aus dem Weinregal am Eingang der Küche und Dana ergriff seinen Arm.
„Immer langsam, Herr Freiherr.“ Sanft zog sie ihn in die Küche an die Arbeitsplatte. Er schwang die Weinflasche über ihren Kopf und stellte sie auf die Arbeitsplatte.
„Du könntest den Wein dekantieren, während ich mich umsehe.“
„Das kann ich.“
„Sicher? Das ist kein Schraubverschluss. Nicht, dass du dir wehtust.“ Dana drehte die Weinflasche um wenige Zentimeter, damit sie das Etikett lesen konnte.
„Bolivianischer, das wundert mich nicht.“
Von Carstheim wurde das Gefühl nicht los, dass Dana ein Spiel begonnen hatte. „Wie darf ich das verstehen?“
„Bolivien.“ Dana öffnete eine Schublade und unter ihren prüfenden Augen drehte von Carstheim den Korkenzieher in die Weinflasche.
„Ist das letzte Land auf der Erde, das nach einem Mann benannt wurde.“
Ein lautes Plopp erfüllte die Küche – von Carstheim hatte den Korken aus der Flasche gezogen.
„Danke für den zustimmenden Applaus.“
„Bolivien?“ Von Carstheim prüfte den Korken