Reisen Band 1. Gerstäcker Friedrich

Читать онлайн.
Название Reisen Band 1
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754154229



Скачать книгу

wie in Californien.

      Wenn man aber so den ganzen Tag im Sattel gehangen hat, freut man sich nicht wenig auf die Zeit, wo man den Kopf einmal auf den Sattel legen kann, besonders wenn es erst einmal über Nachtschlafenszeit hinausgeht. - Wenn sich auch die Glieder bald vollständig an das Reiten gewöhnen, wollen sie doch auch manchmal Ruhe haben und sich strecken und dehnen. Außerdem kommt für den Magen Abends noch ein besonders wichtiger Moment, denn das ist die einzige Zeit, wo es wirklich etwas zu essen giebt. Morgens setzt es gewöhnlich nur einen Schluck Mateh - ich habe mich meinem Schicksal gefügt und meine Lippen preisgegeben, die nun doch einmal durchgebrannt sind und keine Haut wieder ansetzen werden, bis ich die letzten verzweifelten Bombillas im Rücken habe - dann halten wir höchstens um zehn, elf oder zwölf Uhr, wie es gerade mit der Station paßt, und nehmen eben einen Imbiß Fleisch. - Früher, wo wir Milch bekommen konnten, tranken wir einen Schluck Milch. Viel Essen verträgt sich aber über Tag nicht mit dem raschen Reiten, und erst Abends wird tüchtig eingelegt, um nachher wieder vierundzwanzig Stunden auszuhalten. Am Abend verlangt aber auch der Magen etwas Ordentliches, und wenn er das nicht bekommt, knurrt er und läßt sich krank melden. Dennoch aber wollte ich, wir hätten an diesem Abend, ohne einen einzigen Bissen zu sehen, in freier Steppe gelagert; denn noch nie ist mir der Schmutz und die Unreinlichkeit beim Essen wie im ganzen Wesen der Leute so furchtbar widerlich vorge/98/kommen, als bei den Menschen gerade, bei denen wir an diesem Abend übernachteten. Ich hatte bis jetzt noch fast alles Essen, das mir geboten worden, so unreinlich die Umgebung auch immer gewesen sein mochte, hinuntergewürgt, hier aber weigerte sich der Magen standhaft, etwas Weiteres zu sich zu nehmen, und ich ließ mir zuletzt heißes Wasser geben und machte mir eine Tasse starken Kaffee, um nur nicht krank zu werden. Der Leser mag dies vielleicht für übertrieben halten, er soll aber nur hierher kommen, und ich will dann sehen, ob er sagt, ich habe Unrecht gehabt.

      28. Der Weg, den wir an diesem Tag ritten, lag ebenfalls durch eine wüste Steppe hindurch; mein Alter hatte aber in Achiras wieder so schreckliche Geschichten über die Indianer gehört, die sich erst vor ganz Kurzem bis dicht zu der hier lagernden Garnison herangewagt, daß er seine gewöhnliche Station zu umgehen beschloß. - Wir sahen deshalb den ganzen Tag weder Weg noch Steg - überall umgab uns die hier todte, öde Pampas. Nur im Hintergrund tauchte nach und nach ein eben nicht sehr hoher Berg, der El Morro, auf, und als wir ihm endlich näher kamen, lag er eben so starr' und unfruchtbar vor uns als die vorigen. Kein Haus ließ sich an seinem Fuß erkennen, keine Umzäunung; nur an einem Punkte - und es schien, als ob sich der Weg gerade dorthin ziehe - stand ein, einzelner niederer Baum. Rechts von uns wurden auch noch in der Ferne mehrere, scharf am Horizont abgezeichnete Bergkuppen sichtbar, und mein alter Correo sagte mir, das seien die Berge, in denen sich die Carolina-Goldminen befänden. „Wären wir," setzte er hinzu, „Indianern in den Weg gekommen, so hätten wir uns nördlich durch jene Berge gewandt, denn so hoch nach Norden trauen sie sich nicht hinauf. So aber ist's besser, wir haben kürzeren Weg und sparen auch Geld, denn dahin geht keine Post und wir müßten uns Pferde kaufen."

      Indessen waren wir dem Berg nahe gekommen und befanden uns plötzlich vor einer kleinen, aus seinen eigenen Steinen errichteten Hütte, so daß sie gegen den Hintergrund nicht einmal durch das schon ebenfalls wettergraue Binsendach abstach. Vor der Thür, so dicht, daß er den Schatten selbst /99/ auf die Schwelle werfen mußte, stand ein gewaltiger alter Feigenbaum, und eine kleine Umzäunung, halb von Steinen, halb von Holz und Dornen errichtet, vollendete Alles, was zur Ansiedelung des kleinen Platzes gehörte. Der Raum aber vor der Hütte war sauber gekehrt, und das Innere der stillen Bergeswohnung (ärmlich zwar bis zum Aeußersten und nur den unentbehrlichsten Bedürfnissen genügend) so nett, so reinlich, so wohnlich gehalten, daß mir nach all' dem Schmutz und Unrath, den ich bis jetzt gesehen, der kleine, kaum fünf Schritt im Durchmesser haltende Raum wie ein Palast erschien, und der Trunk Milch, den mir die Leute reichten, so herrlich mundete, als sei es das kostbarste Labsal gewesen.

      Ein junges Ehepaar bewohnte mit der alten Mutter diesen friedlichen, freundlichen Platz, und selbst die Matrone war so reinlich gekleidet, wie ich bis zu diesem Ort, im Innern des Landes, noch nicht einmal ein junges Mädchen gekleidet gesehen habe. Um so wohlthuender war das hier, da gerade die Unreinlichkeit der Frauen mir bis dahin so widerlich gewesen. Nach einer kurzen Station am Fuß des Berges hin erreichten wir eins der gewöhnlichen kleinen Städtchen, das schwärmte von Soldaten. Sie hatten sich überall kleine, oft nicht einmal gegen den Regen geschützte Hütten gebaut, und das ganze Leben hier, von den starren Felsen umschlossen, bot ein bewegtes, heiteres Bild. Wohin das Auge auch sah, weideten hier, von kleinen, wild genug ausschauenden Burschen gehütet, Heerden von munteren Pampaspferden, die fortwährend zum raschen Aufsitzen bereit gehalten werden mußten; Lagerfeuer, wohin der Blick auch streifte mit Gruppen, die einem Zigeunerlager keine Schande gemacht hätten, und Mengen von Mädchen und Frauen, die entweder in den Hütten wirthschafteten, oder am kleinen Bach Geschirr oder Wäsche reinigten.

      Wir bekamen von hier aus drei frische Pferde, von denen sich zwei als gut genug auswiesen, das dritte abere, das unglücklicher Weise mir zu Theil wurde, schon nach drei Leguas nicht mehr von der Stelle wollte. - Hätten uns heute die Indianer überfallen, so mußte ich einfach Stand halten, denn der Correo würde sich verwünscht wenig um mich bekümmert /100/ haben. Da das Pferd aber zuletzt stehen blieb und in der That nicht mehr weiter konnte, während der alte Bursche von Correo schon seit einer halben Stunde meine ungemeine Thätigkeit mit der Peitsche bewundert hatte, mochte er wohl zuletzt glauben, das Pferd sei nicht schuld, sondern ich, kam rasch zurückgesprengt, gab mir sein Pferd und stieg nun in meinen Sattel, um da sein Glück zu versuchen. Wenn er dem armen Geschöpf, was ich nicht hatte thun wollen, die scharfen, entsetzlichen Sporen aber auch tief in die Seiten rannte, daß seine gelbledernen Reitstiefel von Blut bespritzt waren, es konnte nicht mehr, und fluchend schickte er endlich den Postillon, der überdies schon ganz unschuldiger Weise die schönsten Grobheiten wegen des nichtswürdigen Thieres bekommen hatte, etwa eine halbe englische Meile nach Norden hinauf, wo acht oder neun andere Pferde ruhig weideten. Dem jungen Burschen gelang es auch, bis in Lassowurf an die nichts Böses ahnenden heranzukommen, denn mit dem schweren Felleisen hintenaus hätte er sie nicht verfolgen können, und als die Schlinge erst um seinen Kopf schwirrte und die dadurch gewarnten Thiere fliehen wollten, war es zu spät. Das kräftigste der Heerde, einen prächtigen kleinen Hengst, hatte er gefaßt, und nach wenig Minuten Ankämpfens ergab sich das Thier auch so weit in sein Schicksal, daß es sich wenigstens von uns Dreien meinen Sattel auflegen und mich hinauf ließ. Kaum fühlte es sich aber wieder so weit frei, daß es seinen Kopf in die Höhe bringen konnte, als es zu steigen, zu tanzen und gleich darauf auszuschlagen anfing, als ob es sich verpflichtet hätte, mich in einer gewissen gegebenen Zeit Gott weiß in welchem Theil der Steppe abzusetzen. Ich hielt mich jedoch im Sattel, und mit Sporn und Revenka machte ich es zuletzt wenigstens so weit mürbe, daß es seinen Eifer auf den Weg selber richtete und nun mit mir davonflog, als ob wir noch heut Abend Mendoza erreichen wollten.

      Meine beiden Begleiter blieben weit zurück und brauchten nachher lange Zeit, mich wieder einzuholen.

      Heut Abend sollte ich aber auch ein Beispiel von einer argentinischen Rebhühnerjagd sehen, von der ich früher wirklich keine Ahnung gehabt. Ein Volk der kleinen Steppen/101/hühner stieg dicht vor uns auf, und eins fiel, von den anderen abgesondert, etwa hundert Schritt von uns an einer Stelle nieder, die durch einige kurze Grasbüschel markirt war. Der alte Correo winkte mir zu, ihm in einiger Entfernung zu folgen, und die lange, aber kurzstielige Peitsche wie einen Lasso um den Kopf schwingend, vermied er die Stelle, wo das Huhn eingefallen war, und sprengte in einem weiten Kreis darum hin. Immer enger und enger zog er diesen, die Peitsche fortwährend schwingend und jetzt das Huhn schon im Auge, das sich, durch nichts gedeckt und von der kreisenden Schnur eingeschüchtert, fest auf den nur mit dünnen Grasbüscheln bewachsenen Boden drückte, bis das Pferd selbst in Sprungesnähe vor ihm war und die schwere Peitsche mit scharfem, aber sicherem Schlag das arme kleine, zitternde Geschöpf zu Tode traf. - Ohne abzusteigen, nahm der Correo dann das noch flatternde Huhn vom Boden auf, so weit bog er sich, mit dem rechten Fuß im Steigbügel bleibend, zur Erde nieder, und fort ging's wieder über die Steppe in neuer und toller Hast. Ziemlich spät in der Nacht erreichten wir den Rio-Quinto, wo wir, in etwas reinlicherer Umgebung als bisher, Halt machten.

      Als wir am nächsten Morgen aufbrachen, nahm der Postillon wieder, wie die Leute das schon mehrmals