Reisen Band 1. Gerstäcker Friedrich

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Название Reisen Band 1
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754154229



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mehr gesehen und wollte in’s Thal, wo die Thiere nicht allein zu fressen bekommen, sondern er selbst auch mit seinen Leuten bessere Pflege erhalten konnten, wie wir sie in den letzten zwei Nächten gehabt. Bergab ging’s jetzt nun wieder scharf, und zwar so, daß wir den ersten Schnee bald hinter uns ließen und in ein sonniges, freundliches Thal hinabstiegen, wo grüne Myrtenbüsche, wenigstens auf eine Zeit lang die kahlen, nackten Felsen verdrängten. Die Sonne schien hier warm und erquickend, und gegen Abend entreichten wir dem Lauf eines kleinen Wassers in der letzten Stunde folgend, ein Haus. Dort fanden die Maulthiere, die sich die letzten Tage spärlich genug behelfen mußten, gute Wiede, und wir selbst ein vortreffliches Glas Mendozawein, uns daran zu erquicken.

      Dies war das westlichste Haus der Argentinischen Re-/133/publik, und hier versorgten wir uns auch noch mit ein paar Hörnern voll Mendozawein, die wir über's Pferd hingen. Diese Art, Flüssigkeiten zu transportiren, ist übrigens so originell als praktisch. Ein paar gewöhnliche Ochsenhörner, natürlich so groß wie sie solche bekommen können, werden unten gerade abgesägt und mit einem fest eingesetzten und verpichten hölzernen Boden versehen, dann oben durch das spitze, harte Ende ein Loch hineingebohrt und ein Stöpsel draufgesetzt, und die Flasche ist fertig. Zwei solche Flaschen bindet man mit einem kurzen Ende Rohhaut - die hier überall den Bindfaden vertritt - zusammen und hängt sie solcher Art über den Sattel. - Schon von Buenos-Ayres hatte ich ein Paar solcher „Zwillinge", nur etwas kleiner, für Caňa (den Vorlauf von Rum, eins der angenehmsten und leichtesten spirituösen Getränke) mitgenommen.

      An dem Abend spät kamen auch vier Guanakajäger mit fünfzehn mächtigen Hunden zurück, mit denen sie ein armes Thier in den Bergen zu Tode gehetzt hatten. Das ist die einzige Art, wie sie das Wild in dieser Gegend erlegen können, denn Feuergewehr führen sie nicht, oder wissen nur so mittelmäßig damit umzugehen, daß sie sich nicht darauf verlassen können.

      Hier hatten sich unsere Maulthiere, die von da an, wie mein Führer sagte, in den Bergen nicht mehr viel Futter finden würden, noch einmal tüchtig satt gefressen, und die armen Thiere schienen es fast zu wissen, daß es jetzt einem für sie schlechten Terrain zugehe. So wie sich nur Einer der Einfriedigung näherte, spitzten sie schon die Ohren und liefen nach dem entferntesten Ende derselben, um nur nicht eingefangen zu werden. Arme Geschöpfe, das hilft euch nichts - der Lasso erreicht euch, wo ihr auch seid, und seiner fliegenden Schlinge, unter der ihr erschreckt und zitternd zusammenzuckt, entgeht ihr nicht.

      Am nächsten Morgen - Sonnabend den 14. Juli - brachen wir früh auf, und zwar jetzt dem Eingang der Cordilleren, einem schmalen Thale zu, das sich der Tucunjado in die Felsen gerissen. Wir blieben an der linken Seite des Bergstroms, und ich mußte staunend sehen, wie sich die Spuren /134/ des jetzt allerdings niedern Stromes bis zu dreißig und vierzig Fuß über uns erhoben, und dann noch Zeugniß gaben wie er das nächste niedere Land überschwemmt habe. Eine furchtbare Gewalt muß es sein, die all' die tausend Wasser dieser ungeheuren Bergkette im Frühjahr sammelt und donnernd in's Thal hinabsendet, und nicht zu verwundern ist's dann, daß sie ganze Felsstücke mit fortreißt, und selbst an den steinigen Ufern mit Erfolg wühlt und gräbt, und ihr Bett verändert und erweitert.

      Der Anblick des Gebirges war von hier wahrhaft wundervoll. - Wie eine riesige Wand lag die ganze fest in sich zusammengedrängte Masse der eigentlichen Cordilleren, des Rückenmarks eines ganzen ungeheuren Welttheils, gerade und hoch aufstrebend vor uns, und eine zackige Schneemasse krönte die gewaltigen Gipfel. Aber es sah nicht aus, als ob der Schnee auf diese Berge niedergefallen wäre, sondern der ganze obere Theil der Gebirgsmasse schien aus Schnee und Eis zu bestehen, so blitzte und funkelte und strahlte es im hellen fröhlichen Sonnenlicht. Nur hier und da, wo die senkrecht niederschießenden Hänge so schroff und glatt abfielen, daß auch nicht eine Flocke daran hatte haften können, zeigte der alte Berg die nackten Glieder und verrieth dadurch die ungeheuren Schichten des gefangenen Schnees, der in seine Zacken hineingeweht worden, und dort Schluchten ausfüllte, in denen andere Gebirge Raum gehabt hätten.

      Im Anfang war der Weg ziemlich gut, d. h. steinig und abschüssig genug, aber doch breit und nicht gefährlich - wir waren ja einmal in den Bergen, wo es eben keine Chausseen mehr giebt. Je weiter wir aber hineinkamen, desto höher mußten wir auch hinauf, und desto näher traten von beiden Seiten die Gebirge zusammen, so daß der jetzt plötzlich ganz schmale Pfad schon anfing an steilen bröcklichen Schluchten hinzuführen, und die Maulthiere nicht mehr die Wahl hatten wo sie gehen wollten, sondern sich auf den einen schmalen Weg verwiesen sahen. Oft passirten wir jetzt Plätze, wo links der Abgrund viele hundert Fuß steil unter uns lag, während rechts schroffe vorragende Felsstücke jedes Abdrängen davon auf das Unerbittlichste versagten. So allmälig kamen /135/ wir aber in diesen Engpaß hinein, und so viel des Neuen umgab mich zu derselben Zeit, daß ich im Anfang kaum auf den Weg achtete. Mein Blick hing in den steilen, jäh niederschießenden Schluchten, die oben von weichen schimmernden Schneeschichten ausgefüllt, unten von grünen Myrtenbüschen bewachsen waren, und hier - dort drüben strich er mit langsam gewaltigem Flügelschlag - sah ich den ersten Condor, den Riesengeier dieser Berge. Hier aber begann ich auch zum ersten Mal die unendliche Größe dieser Gebirge zu ahnen, als der ungeheure Vogel, der so dicht an uns hingeflogen war, daß ich das scharfe Schlagen seiner Schwingen hatte hören können, nach dem gegenüberliegenden, nur wenige hundert Schritt entfernt geglaubten Hang hinüber und weiter und weiter strich, und die Hänge immer noch nicht erreichte, und zuletzt so klein aussah wie ein junger Rabe.

      Der Weg wurde aber wirklich immer schmaler, und wo er sich vor uns in Schlangenlinien dicht um die Felsen schmiegte, schien es mir plötzlich, als ob er dort vollkommen aufhöre. Mein sonst gewiß scharfes Auge konnte nicht die Spur eines Aussprungs mehr entdecken, und doch befanden wir uns schon mehrere hundert Fuß über dem kleinen Strom, der tief unter uns wie ein Milchbach über Felsenblöcke dahinsprudelte - und hinauf? - lieber Gott, die ganzen Cordilleren lagen noch wie in e i n e r schroffen Felsmasse über uns, und da hinauf konnte der Pfad unmöglich gehen. - Aber der helle Streifen, der eigentlich nur wie eine Ader in dem dunkleren Gestein aussah, konnte doch auch wahrhaftig nicht der Pfad sein, auf dem wir, an solchem Abgrund hin, mit unseren Thieren die Bahn suchen sollten.

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