Название | 12 fette Frauen |
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Автор произведения | Cathrin Sumfleth |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742774965 |
Eindeutig ein echter Mensch und keine Alien Invasion
Ich habe mich bequatschen lassen. Natürlich habe ich mich bequatschen lassen. In meinem Rage Against The Machine-T-Shirt stehe ich wie ein Crossover-Alternative-Rock-Fitness-Hippo an der Rezeption der Gymeinde Altona und bin stimmungstechnisch nicht gerade die Verkörperung eines Bombtracks, also, zwar irgendwie explosiv aber nicht in Bombenstimmung. Carmen allerdings schon. Sie ist bereits auf dem Crosstrainer und winkt mir fröhlich aus der Ferne zu. Ich seufze. Sven, der eigentlich Alex heißt, kommt lächelnd um die Ecke gelaufen um mich einzuchecken. „Paula! Wie geht's, wie steht's?" „Joa", sage ich. „Hey, Rage Against The Machine! Gute Band. Hab ich mal live gesehen." Er reicht mir lächelnd einen Schlüssel für den Spind. „Echt?", frage ich und bin mir sicher, dass er RATM nur verwechselt. Vielleicht mit David Guetta oder den Black Eyed Peas, oder so. „Ja, ist ewig her ... '93. Mein Vater hat mich damals mitgenommen." „Du warst '93 schon geboren?", rutscht es mir raus. „Ich war 93 schon 13", lacht er. „Oha. Ihr trainierten Leute! Euch sieht man die Jahre einfach nicht an.", seufze ich. „Na komm", er zieht eine Augenbraue hoch. „Du bist doch selber kaum 25." „29." „Oh Hauer! Kurz vor 30. Genieße den Rest deines Lebens." „Du bist doch schon drüber und lebst auch noch." „Mehr schlecht als recht", er lacht. Angeber, denke ich. Mehr schlecht als recht. Sein unbekleideter Oberkörper ziert sicher diverse Fitness-Magazine. Mehr schlecht als recht. Morgens hüpft er vital wie ein junger Gott aus dem Bett, trinkt keinen Kaffee, dafür aber frisch gepressten O-Saft. Mehr schlecht als recht. Theramed hat auch schon für eine neue Kampagne angefragt. Mehr schlecht als recht. Die Frauen stehen bei ihm Schlange. Er hat eine Fan-Group auf Facebook und 13k Follower auf Instagram. Mehr schlecht als recht. „Paula?" „Äh ja. Sorry. Man hat's immer schwer im Leben." „Ja! Das Leben ist eins der härtesten." „Genau. Und lebend kommt man aus der Sache eh nicht raus." „Exakt!", er lacht. „Genieß dein Training, ... so lange noch Vialfunktitonen vorhanden sind." „Ha-ha." „Du lachst, junge Dame. Aber komm du erst mal in mein Alter - da ist das nicht mehr gegeben." Pfft, denke ich. „Ach komm, Sven, zieh den Trizeps aus dem Grab! Mit deinem geringen Körperfettanteil hast du dir echt kein Mitleid verdient." Oh mein Gott. Hab ich das wirklich gesagt? Er lacht einfach. „Alex heiß ich, übrigens. Okay, okay. Ich werde versuchen, nicht mehr zu jammern." „Ich bitte darum", sage ich. Dann gehe ich in die Umkleidekabine, wechsle die Schuhe, schaue mir dabei ungewollt Körperteile anderer Frauen an und bin irgendwie amüsiert. „Gute Laune?", fragt Carmen mich, als ich mich auf den Crosstrainer neben ihr schwinge. „Ne", sage ich, „Wieso?" „Ah, wirkte so", sagt sie und kichert. Was ist nur los mit den Menschen? „Clausen hat gesagt, ich soll ein Buch schreiben." „Mach doch, du hast ja Zeit." „Ja. Aber ein Buch? Da werden doch drei Wochen niemals ausreichen." „Schreib halt 'ne Kurzgeschichte." „Hm." Carmen erzählt, dass Rami und sie überlegen, eine Aushilfe einzustellen. „Irgendwie ist es doch einfach viel Arbeit", sagt sie. Seit Jahren rate ich Ihnen dazu. „Müssen ja nicht viele Stunden in der Woche sein", redet sie weiter.
Sag ich ja auch seit Jahren.
„Vielleicht einen Studenten. Die haben ja nix. Was meinst du dazu?", sie sieht mich fragend an.
„Finde ich gut", sage ich. Seit Jahren. „Hm. Dann machen wir das wohl. Na ja. Eventuell wollen wir auch mal in den Urlaub, irgendwann. Ich hatte seit Jahren keinen Urlaub. Oder zumindest mal für einen Tag an die Ostsee, weißt du. Das wär schon schön. Man vergisst sich selbst irgendwie immer. Arbeit kann ja nicht alles sein. Wir haben nun mal keine Garantie auf ein langes Leben", sie seufzt. Kurz befürchte ich, dass sie anfängt zu weinen, aber sie fasst sich sehr schnell wieder. „Jedenfalls ... wir werden das dann bald ausschreiben. Und falls dir jemand einfällt, also, so ein schnittiger junger Student, dann schick den zu uns. Haha." „Okay", sage ich. „Leider kenne ich wenige schnittige junge Männer. Eigentlich nur Ferdi. Und der hat einen Job, einen schlechten zwar, aber ... ach du Scheiße!" Ich habe meine Schicht im Nachtlicht vergessen. Carmen auch, eigentlich wäre es ja ihre Schicht gewesen. Zum Glück bin ich noch ganz gut in der Zeit. „Mach dein Training in Ruhe fertig", sage ich zu ihr. Sie verspricht, mich später auf ein Bier zu besuchen. Auf einmal steht Sven neben uns. „Was ist hier los? Sind deine Vitalfunktionen schon erschöpft?", er mustert mich kritisch. „Ach, so ein Quatsch ... ich muss in die Kneipe!", antworte ich hektisch. Er lacht und sagt: „Wie oft bin ich schon mit den Worten vom Crosstrainer gesprungen!" Um 21 Uhr stehe ich aufs Feinste herausgeputzt vorm Nachtlicht. Ich kann nicht mal genau sagen, warum ich so ein dringendes Bedürfnis dazu habe, gut auszusehen. Aber es ist immerhin Freitag Abend und ich stehe mitten auf dem Kiez vor der Kneipe, über die ich heute Abend regieren werde. Ich bin ein bisschen stolz und etwas aufgeregt. Ich war schon lange nicht mehr am Wochenende auf der Reeperbahn unterwegs, aber das letzte Mal, als ich Carmen an einem Freitag hier besucht habe, war es ziemlich voll. Ich auch, was natürlich meine Erinnerung rückwirkend getrübt haben könnte. Kuddel kommt ebenfalls schon um die Ecke getigert, heute in Begleitung einer etwas verbraucht wirkenden Dame. „Das ist Roswitha!", sagt er, „Meine Frau." Roswitha streckt mir die faltige, solariumgebräunte Hand entgegen. „Moin." „Moin", sage ich. „Du bist also die neue Bardame, ja?" „Ja, genau. Vorübergehend zumindest." „Ah jo!", Roswitha lächelt. Schöne Zähne hat sie, vielleicht ist es aber auch nur der hohe Kontrast zu ihrer Hautfarbe. Dann kommt auch Jürgen um die Ecke. „Hallo Kinder!", flötet er. Er umarmt Roswitha und mich zur Begrüßung, Kuddel klopft er auf die Schulter. „Seid ihr bereit für 'nen Schnaps?" Alle nicken begeistert. Jürgen schließt auf schenkt uns die erste Runde Jägermeister ein. Dann schaut er überall im Laden nach dem Rechten, stellt noch ein paar zusätzliche Biere kalt und setzt sich für eine Weile mit an den Tresen. „Roswitha, wie geht es dir? Was machen die Kinder?" „Ach, hör bloß auf, Jürgen! Auf die Nerven gehen die mir, jeden verdammten Tag. Steffen hat jetzt seine erste Freundin. Die ist ja ein süßes Mädel, aber wirklich nicht gerade die hellste, das sag ich dir. Und Janette, die hat einfach heimlich das Rauchen angefangen.", sie schüttelt den Kopf. „Dabei hab ich extra selbst damit aufgehört, um ihr ein besseres Vorbild zu sein. Aber kannste nix machen, die treffen ihre eigenen Entscheidungen." Kuddel nickt zustimmend. „Ihren eigenen Kopf haben die, ja ja." „Wenigstens ist sie gut in der Schule, was man von ihrem Bruder nicht behaupten kann. Wir hoffen, dass er dieses Jahr noch eine Lehrstelle findet. Eigentlich wollte er Abitur machen, ist jetzt in der 11. Klasse, aber mit den Noten ..." „Nee, nee", seufzt Kuddel. „So schlecht war nicht mal ich in der Schule." „Na",