Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker Friedrich

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Название Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754149591



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führenden Pfad bester überwachen."

      „Gut, so leg Dich wieder nieder," sagte Ellington, „und schlaf noch ein paar Stunden; vor Tag aber wollen wir wieder aufbrechen, um wo möglich noch die zweite casucha6 zu erreichen; der nächste Tag sieht uns dann auf chilenischem Gebiet, und dort hoffentlich sicher vor den Henkersknechten des blutigen Tyrannen."

      „Bueno, amigo!" brummte als halbe Antwort der Peon. An der Wand der Hütte aber hintastend, um seinen früheren Lagerplatz wieder zu finden und dort das Weitere zu überlegen, so wie abzuwarten, bis sich die jetzt mißtrauisch gemachten Flüchtlinge wieder beruhigt hätten, fühlte er plötzlich - und wie mit einem elektrischen Schlag fuhr es ihm durch die Glieder - die Gewehre der beiden Engländer, die Ellington dort hingestellt hatte, um sie, falls sie wirklich angegriffen werden sollten, gleich zum Gebrauch bei der Hand zu haben. /96/

      Eine rasche Bewegung der Hand überzeugte den Peon jedoch, daß die Pulverhörner nicht dabei hingen, und er kauerte sich dicht daneben auf den Boden nieder, den für ihn günstigsten Zeitpunkt abzuwarten.

      Er sollte nicht lange zu warten brauchen. Wenn auch Ellington im Anfang beabsichtigt haben mochte, zu wachen, und ein paar Mal zu dem niedern Eingang schritt und hinauslauschte, war die Luft doch zu bitter kalt, sich ihr unnöthiger Weise zu lange auszusetzen. In seinen Poncho deshalb fest eingehüllt, streckte sich der Verfolgte endlich tief aufseufzend dicht neben die Gattin nieder, der er schon vorher das Lager wieder bereitet.

      Der Peon war indessen nicht müßig gewesen; vorsichtig neben sich herumfühlend, nahm er das eine Gewehr zu sich nieder auf's Knie und fing an es zu untersuchen. Hierbei aber war für ihn ein Uebelstand - er hatte wohl schon häufig schießen sehen, aber noch nie selber geschossen; nur so viel wußte er, daß der Hahn gespannt werden mußte. Die Waffe, die er in der Hand hielt, war ein Doppelrohr, die andere eine einfache Büchse, aber weder Pulver noch Blei dazu; was half ihm da das Gewehr? Da durchblitzte ihn ein teuflischer Gedanke - wenn er das einfache Rohr in die Ecke abfeuerte, wo die Flüchtigen dicht aneinander geschmiegt lagen, und dann mit dem noch geladenen Doppelgewehr entfloh, brachte ihn die Verwirrung des ersten Entsetzens jedenfalls außer Schußweite, und nicht allein einer oder mehrere der Fremden würden verwundet, sondern die mashorqueros waren dann auch im Stande, mit dem andern Gewehr sie am Weitermarsch zu verhindern, oder doch so lange aufzuhalten, bis sie die wenigen Provisionen aufgezehrt hatten und dann rettungslos ihnen zur Beute fielen.

      Der Bursche, schlau und gewandt, zögerte nicht lange mit der Ausführung; überdies sollte der Schuß ja als Zeichen den Uebrigen gelten, und preßten diese scharf heran, so war es sogar möglich, daß sie sich ihrer Beute ohne Weiteres bemächtigten. Ellington's Leichtsinn, die Gewehre solcher Art außer dem Bereich des eigenen Arms zu lassen, wäre den /97/ armen Verrathenen bald verderblich geworden - Pedro kannte nur den Mechanismus des Gewehres nicht genau genug, um den Hahn geräuschlos zu spannen, und als er das Doppelrohr wieder neben sich an die Wand gelehnt und die Büchse ergriffen hatte, um den Hahn leise aufzuziehen, knackte dieser, als er in die erste Ruhe trat.

      Don José hatte gar nicht geschlafen, und schon seit der Peon die Hütte wieder betreten, lehnte er, halb sitzend und nur in seinen warmen Poncho gehüllt, an der Mauer der Hütte, dem geringsten Laut horchend, der zu ihm herüberdringen möchte. Er wußte sich selber nicht ordentlich Rechenschaft zu geben, aber er war mißtrauisch geworden und erwartete mit Sehnsucht den anbrechenden Morgen. Nur die Augen schloß er endlich, und überdachte halb wachend, halb träumend die Möglichkeit des Gelingens - die Gefahren ihres Marsches - als ihn das Knacken des Hahns zuerst aus seiner Ruhe wieder emporschreckte. Den Blick rasch nach dort richtend, von woher das so unvermuthete Geräusch gekommen, sah er jetzt deutlich bei dem schwachen von draußen hereindämmernden Schneelicht, wie sich der blanke Lauf eines Gewehres - er konnte nur nicht recht genau erkennen nach welcher Richtung - niedersenkte. Dann war Alles todtenstill.

      Aber auch Ellington war durch den nur zu gut gekannten Laut aufgestört; auch er sah, gerade als er die Augen aufschlug, die Bewegung des Laufs, und dem im Lager überraschten Wilde gleich fuhren die beiden Männer empor, um der neuen, noch kaum bewußten Gefahr zu begegnen .

      Vergebens riß indessen der Bandit an dem Drücker der Büchse, um sich selber durch den Schuß zu retten; er hatte keine Ahnung, daß der Hahn zweimal ausklinken mußte, ehe er feuern konnte; so war er nur „in Ruh' gesetzt" und das Schloß verweigerte den Dienst. Die doch nutzlose Waffe von sich schleudernd, ergriff er das Doppelrohr, um die Thür noch vor seinen Angreifern zu erreichen; hier aber verrannte ihm Ellington den Weg, und noch während er sein Messer aus /98/ der Scheide riß, sich die Bahn zu stoßen, brach er mit einem leisen Stöhnen, zugleich von Ellington's Faust und Don José's scharfem Stahl getroffen, der ihm die eigene Waffe in den Rücken trieb, eine Leiche, zu Boden.

      Die kleine Hütte war im Augenblick ein Bild der Verwirrung, und das Verderben der Unglücklichen wäre besiegelt gewesen, hätten die Henker nicht auf das Zeichen des ausgesandten Spions gewartet. Aber die Furcht vor Feuerwaffen, die der Gaucho nicht leicht überwindet, besonders wenn er sie in den Händen von Europäern weiß, hielt sie zurück, und so gern sie das Blutgeld ihres Herrn verdienen mochten, so wenig dachten sie daran, ihre eigene Haut unnöthig dabei zu Markte zu tragen.

      Ellington und Don José aber waren in dem Augenblick so bestürzt und erschreckt, daß der Spanier schon in der That das Messer zum zweiten Mal gezückt hatte, den eigenen Schwager, den er ebenfalls für einen der Angreifer hielt, niederzustoßen, als ein zufälliger Ausruf desselben noch sein Leben rettete.

      Ellington besetzte jetzt vor allen Dingen die Thür, und - während Don José die Leiche aus dem Weg und in die eine Ecke zog, eilte auch der alte Herr herbei, um den Platz, der, wie er natürlich glauben mußte, schon vom Feind angegriffen wurde, vertheidigen zu helfen.

      III.

      Der Führer der mashorqueros stampfte indessen den Schnee in toller Ungeduld.

      „Carajo!" rief er, dem alten Peon dabei einen grimmigen Seitenblick zuschleudernd - „ich glaube wahrhaftig, der Schuft von vaqueano hat uns betrogen und die vermaledeiten cringos gewarnt, anstatt ihre Waffen in unsere Hände zu liefern - Gift und Messer, wenn ich das gewiß wüßte!" /99/

      Die Anrede war halb an den Alten gerichtet, und dieser, der sich unter dem boshaften, tückischen Blick des Henkers nicht gerade wohl fühlte, erwiderte ruhig:

      „Pedro wird sich hüten und uns verrathen, er weiß gut genug, daß uns die Burschen nicht entgehen können; aber es ist auch möglich, er hat die Sache dumm angefangen, - und dann freilich wär's böse."

      „Böse für Dich, compañero," knurrte der Andere, - „wenn uns die Schufte entgehen, so freu' Dich, denn ein Kopf ist mir sicher, und wenn er auch keine zwölf Unzen trägt, ist er doch des Mitnehmens werth."

      „Paciencia, amigo," sagte der Alte trocken und mit unzerstörbarem Gleichmuth - „wenn der Tag dämmert, werden wir's sehen."

      „Und glaubst Du, daß ich helles Tageslicht abwarten soll, mich von den Schuften nachher wie einen Hund todtschießen zu lassen, wenn ich mich nur in Kugelnähe auf dem Schnee blicken lasse?" tobte der Henker. „Jetzt, augenblicklich müssen wir den Angriff wagen, oder sie ziehen morgen früh aus und ab vor unseren Augen, ohne daß wir es hindern können. Die punta del vaca ist außerdem noch die einzige Hütte, an die ein Anschleichen möglich wäre, wenn ich überhaupt Lust hätte, mich weiter in die Schneeregion hinein zu wagen."

      „Aber, amigo," sagte der Alte, „Du wirst Dir selber -"

      „Fuego!" unterbrach ihn, ingrimmig den Boden stampfend, der Henker - „Du wirst reden, wenn ich Dich frage, und nun voran! Wohl verstanden, Du bleibst dicht an meiner Seite - es könnte sein, daß ich Dich brauchte."

      Der Henker wandte sich von ihm ab, der alte Peon aber murmelte leise vor sich hin:

      „Glaub's wohl, um irgendwo zur Scheibe zu dienen, während die Uebrigen von der andern Seite anschleichen - aber paciencia!" - und ruhig seinen Poncho etwas fester um sich ziehend, erwartete er den Entschluß des Anführers, /100/ dem er sich, wie er recht gut wußte, offen doch nicht widersetzen durfte.

      Der mashorquero rief jetzt