Das Lächeln der Mona Lisa. Kurt Tucholsky

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Название Das Lächeln der Mona Lisa
Автор произведения Kurt Tucholsky
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754182048



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Sektion

       Anmerkungen (Wikisource)

       Apage, Josephine, apage–!

       Anmerkungen (Wikisource)

       Meine Flieger – deine Flieger

       Saxo-Borussen

       Ledebour

       Ruhe und Ordnung

       Der schlimmste Feind

       Fragen an eine Arbeiterfrau

       Was kosten die Soldaten?

       Die Leibesfrucht

       Unser Militär

       Auf ein Soldatenbild

       Der Graben

       Beschluß und Erinnerung

       Impressum

      M wie: MITROPA, SCHLAFWAGEN

      „In einem richtigen Schlafwagen haben nicht nur die Schaffner Dienst, sondern auch die Fahrgäste.“

       Deutscher Verwaltungsgrundsatz

      Neulich habe ich einen Hund gesehen – der ging ins Geschäft. Es war eine Art gestopfter Sofarolle, mit langen Felltroddeln als Behang, und er wackelte die Leipziger Straße zu Berlin herunter; ganz ernsthaft ging er da und sah nicht links noch rechts und beroch nichts, und etwas anderes tat er schon gar nicht. Er ging ganz zweifellos ins Geschäft.

      Und wie hätte er das auch nicht tun sollen? Alle um ihn taten es.

      Da rauschte der Strom der Insgeschäftgeher durch die Stadt. Morgen für Morgen taten sie so. Sie trotteten dahin, sie gingen zum Heiligsten, wo der Deutsche hat: zur Arbeit. Der Hund hatte da eigentlich nichts zu suchen – aber wenn auch er zur Arbeit ging, so sei er willkommen!

      Es saßen zwei ernste Männer in der Bahn und sahen, rauchend, satt, rasiert und durchaus zufrieden, durch die Glasscheiben. Man wünscht sich in solchen Augenblicken ein Wunder herbei, etwa, daß dem Polizeisoldaten an der Ecke Luftballons aus dem Helm steigen, nur damit jene ein Mal Maul und Nase aufsperrten! Da fuhr die Bahn an einem Tennisplatz vorüber. Die güldene Sonne spielte auf den hellgelben Flächen – es war strahlendes Wetter, viel zu schön für Berlin. Und einer der ernsten Männer murrte: „Haben auch nichts zu tun, sehen Sie mal! Morgens um acht Uhr Tennis spielen! Sollten auch lieber ins Geschäft gehen –!“

      Ja, das sollten sie. Denn für die Arbeit ist der Mensch auf der Welt, für die ernste Arbeit, die wo den ganzen Mann ausfüllt. Ob sie einen Sinn hat, ob sie schadet oder nützt, ob sie Vergnügen macht („Arbeet soll Vajniejen machen? Ihnen piekt er woll?“) –: das ist alles ganz gleich. Es muß eine Arbeit sein. Und man muß morgens hingehen können. Sonst hat das Leben keinen Zweck.

      Und stockt einmal der ganze Betrieb, streiken die Eisenbahner oder ist gar Feiertag: dann sitzen sie herum und wissen nicht recht, was sie mit sich anfangen sollen. Drin ist nichts in ihnen, und draußen ist auch nichts: also was soll es? Es soll wohl gar nichts …

      Und dann laufen sie umher wie Schüler, denen versehentlich eine Stunde ausgefallen ist – nach Hause gehen kann man nicht, und zum Spaßen ist man nicht aufgelegt … Sie dösen und warten. Auf den nächsten Arbeitstag. Daran, unter anderm, ist die deutsche Revolution gescheitert: sie hatten keine Zeit, Revolution zu machen, denn sie gingen ins Geschäft.

      Wobei betont sein mag, daß man auch im Sport dösen kann, der augenblicklich wie das Kartenspiel betrieben wird: fein nach Regeln und hervorragend stumpfsinnig. Aber schließlich ist es immer noch besser, zu trainieren, als im schwarzen Talar Unfug zu treiben …

      Ja, sie gehen ins Geschäft. „Was für ein Geschäft treibt ihr?“ – „Wir treiben keins, Herr. Es treibt uns.“

      Der Hund sprang nicht. Man hüpft nicht auf den Straßen. Die Straße dient – wir wissen schon. Und das verlockende, niedrig hängende patriotische Plakat … der Hund ließ es außer acht.

      Er ging ins Geschäft.

      „Selig, wer sich vor der Welt

       Ohne Haß verschließt;

       Einen Freund am Busen hält

       Und mit dem genießt.

       Was von Menschen nicht gewußt

       Oder nicht bedacht,

       Durch das Labyrinth der Brust

       Wandelt in der Nacht.“

       Unbekannter Dichter

      Abends nach sechs Uhr gehen im Berliner Tiergarten lauter Leute spazieren, untergefaßt und mit den Händen nochmal vorn eingeklammert – die haben alle recht. Das ist so:

      Er holt sie vom Geschäft ab oder sie ihn. Das Paar vertritt sich noch ein bißchen die Beine, nach dem langen Sitzen im Bureau tut die Abendluft gut. Die grauen Straßen entlang, durch das Brandenburger Tor zum Beispiel – und dann durch den Tiergarten. Was tut man unterwegs? Man erzählt sich, was es tagsüber gegeben hat. Und was hat es gegeben? Ärger.

      Nun behauptet zwar die Sprache, man „schlucke den Ärger herunter“ – aber das ist nicht wahr. Man schluckt nichts herunter. Im Augenblick darf man ja nicht antworten – dem Chef nicht, der Kollegin nicht, dem Portier nicht; es ist nicht ratsam, der andere bekommt mehr Gehalt, hat also recht. Aber alles kommt wieder – und zwar abends nach sechs.

      Das Liebespaar durchwandelt die grünen Laubgänge des Tiergartens, und er erzählt ihr, wie es im Geschäft zugegangen ist. Zunächst der Bericht. Man hat vielleicht schon bemerkt, wie Schlachtberichte solcher Zusammenstöße erstattet werden: der Berichtende ist ein Muster an Ruhe und Güte, und nur der böse Feind ist ein tobsüchtig gewordener Indianer.

      Das klingt ungefähr folgendermaßen: „Ich sage, Herr Winkler, sage ich - das wird mit dem Ablegen so nicht gehn!“ (Dies im ruhigsten Ton von der Welt, mild, abgeklärt und weise.) „Er sagt, erlauben Sie mal! sagt er - ich lege ab, wies mir paßt!“ (Dies schnell, abgerissen und wild cholerisch.) Nun wieder die Oberste Heeresleitung: „Ich sage ganz ruhig, ich sage, Herr Winkler, sage ich – wir können aber nicht so ablegen, weil uns sonst die C-Post mit der D-Post durcheinanderkommt! Fängt er doch an zu brüllen! Ich hätte ihm gar nichts zu befehlen, und er täte überhaupt nicht, was ihm andere Leute sagten – finnste das –?“ Dabei haben natürlich beide spektakelt wie