Название | Die geheimnisvolle Insel |
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Автор произведения | Jules Verne |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754180594 |
– Warum mußten wir aber auch, rief Pencroff, alle die Waffen, welche die Gondel enthielt, über Bord werfen, alle Geräthe, bis auf die Taschenmesser!
– Ja, hätten wir das nicht gethan, Pencroff, belehrte ihn Harbert, so hätte uns der Ballon in's Meer fallen lassen.
– Was Du da sagst, ist freilich wahr, mein Junge!« antwortete ihm der Seemann.
Dann sprang er zu einem anderen Gedanken über und sagte:
»Aber das Erstaunen kann ich mir vorstellen, als Jonathan Forster und seine Begleiter am Morgen nach unserer Abfahrt den Platz leer und den Apparat davongeflogen sahen.
– Das wäre nun meine geringste Sorge, was Jene dabei gedacht haben mögen, sagte der Reporter.
– Die Idee ist jedoch von mir ausgegangen! erklärte Pencroff mit selbstzufriedener Miene.
– Eine schöne Idee, Pencroff, meinte der Reporter lachend, die uns dahin gebracht hat, wo wir jetzt sind.
– Lieber bin ich hier, als in den Händen der Südstaatler! rief der Seemann, zumal seitdem Mr. Cyrus die Gewogenheit hatte, sich uns wieder anzuschließen.
– Ich muß gestehen, ich auch! versetzte der Reporter. Uebrigens was fehlt uns denn? ... Nichts!
– Doch, wenn Sie wollen, ... Alles! antwortete Pencroff und zog seine breiten Schultern in die Höhe. Indessen, einmal wird der Tag ja noch kommen, der uns wieder von hier erlöst.
– Und vielleicht eher, als Sie es glauben, meine Freunde, sprach der Ingenieur, mindestens, wenn die Insel Lincoln nur in mäßiger Entfernung von einem bewohnten Archipel oder einem Continente liegt. Zwar ist mir keine Karte des Stillen Oceans zur Hand, doch bewahrt mein Gedächtniß sehr deutlich die Erinnerung an das Bild seines südlichen Theiles.
Die gestern erhaltene Breitenlage versetzt unsere Insel im Westen Neu-Seeland, im Osten der Küste von Chile gegenüber. Diese beiden Länder trennt freilich eine Entfernung von 6000 Meilen. Es bleibt uns demnach übrig, festzustellen, auf welchem Punkte dieser breiten Meeresfläche wir uns befinden. Das soll uns die geographische Länge sagen, welche wir mit hinreichender Genauigkeit, wie ich hoffe, soeben zu bestimmen vorhaben.
– Ist es nicht der Pomotou-Archipel, fragte Harbert, der uns der Breite nach am nächsten liegt?
– Ja, antwortete der Ingenieur, dennoch dürften wir bis zu diesem wohl 1200 Meilen haben.
– Und nach dorthin? fragte Nab, der dem Gespräche mit gespanntester Aufmerksamkeit gefolgt war und mit der Hand nach Süden wies.
– Nach dorthin liegt gar nichts, erwiderte der Ingenieur.
– Nun, Cyrus, sagte der Reporter, wenn die Insel Lincoln aber nur zwei- bis dreihundert Meilen von Chile oder Neu-Seeland entfernt läge ...
– Dann, fiel der Ingenieur ein, bauen wir statt eines Hauses ein Fahrzeug, und Meister Pencroff wird zu seiner Leitung berufen ...
– Ha, Mr. Cyrus, meldete sich der Seemann, einen Kapitän wollt' ich schon abgeben, wenn es Ihnen gelingt, ein seetüchtiges Fahrzeug herzustellen.
– Das soll schon geschehen, wenn es nöthig wird!« erwiderte der Ingenieur.
Während diese Männer, die an Nichts verzweifelten, also sprachen, nahte die Stunde heran, in welcher die Sonnenbeobachtung vorgenommen werden sollte. Wie würde sich nun Cyrus Smith helfen, den Meridiandurchgang zu bestimmen, da ihm alle Instrumente dazu fehlten? Harbert vermochte sich das auf keine Weise zu enträthseln.
Die Wanderer befanden sich jetzt in einer Entfernung von sechs Meilen von den Kaminen, etwa in jener Gegend der Dünen, in welcher der Ingenieur nach seiner wunderbaren Rettung wiedergefunden worden war. Man machte an dieser Stelle Halt und bereitete Alles zum Frühstück, da nur noch eine halbe Stunde bis zum Mittag fehlte. Harbert machte sich auf, aus dem unsern fließenden Bache Wasser zu holen, das er in einem Kruge, den ihm Pencroff mitgegeben, herbeibrachte. Während dieser Vorbereitungen ordnete Cyrus Smith alles zu seiner astronomischen Beobachtung Nöthige an. Er wählte auf dem Strande eine flache Stelle aus, welche das sich zurückziehende Meer vollkommen geebnet hatte. Die seine Sanddecke erschien glatt wie eine Eisscholle, und kein Körnchen überragte das andere. Ob sie ganz horizontal lag, oder nicht, darauf kam im vorliegenden Falle wenig an und ebenso wenig darauf, ob die sechsfüßige Stange, welche aufgestellt wurde, sich genau in verticaler Richtung befand. Im Gegentheil neigte der Ingenieur diese noch etwas nach Süden, d.h. nach der der Sonne entgegengesetzten Seite, denn man vergesse nicht, daß die Colonisten der Insel Lincoln deshalb, weil diese Insel auf der südlichen Halbkugel lag, das Strahlengestirn seinen Tagesbogen über dem nördlichen, und nicht über dem südlichen Horizonte beschreiben sahen.
Jetzt ward es Harbert klar, wie der Ingenieur verfahren wollte, um die Culmination der Sonne, d.h. ihre Passage durch den Meridian der Insel, oder mit anderen Worten, deren Mittagslinie, zu bestimmen. Es sollte das durch den auf den Sand projectirten Schatten der Stange geschehen, der ihm aus Mangel an Instrumenten ein geeignetes Hilfsmittel zur Erzielung des gewünschten Resultates bot.
Wirklich mußte die Mittagszeit mit dem Augenblicke, in dem dieser Schatten die geringste Länge zeigte, zusammenfallen, und es mußte hinreichen, dem Schatten desselben aufmerksam zu folgen, um den Zeitpunkt wahrzunehmen, wo er sich nach der vorhergegangenen Verkürzung wieder zu verlängern begann. Dadurch, daß Cyrus Smith seinen Stab nach der der Sonne entgegengesetzten Seite neigte, machte er diesen Schatten länger und seine Veränderungen erkennbarer. Denn in der That kann man ja dem Zeiger eines Zifferblattes desto leichter folgen, je länger derselbe ist. Der Schatten des Stabes stellte aber hier nichts Anderes, als den Zeiger eines Zifferblattes dar.
Als er den Zeitpunkt nahe glaubte, kniete Cyrus Smith auf dem Sande nieder und bezeichnete mittels kleiner Holzpflöckchen, die er in den Erdboden steckte, die allmälige Abnahme des Schattenbildes. Seine Gefährten beugten sich über ihn und folgten der Operation mit gespanntestem Interesse.
Der Reporter hielt den Chronometer in der Hand, um die Zeit genau abzulesen, wann der Schatten am kürzesten sein würde. Uebrigens operirte Cyrus Smith, wie erwähnt, am 16. April, d.h. an einem Tage, an dem die wahre Sonnenzeit mit der mittleren bürgerlichen Zeit zusammenfällt, so daß die Angabe Gedeon Spilett's die wahre Zeit in Washington bezeichnen mußte, was die Rechnung wesentlich vereinfachte.
Indessen stieg die Sonne langsam empor, der Schatten des Stabes verkürzte sich nach und nach, und als Cyrus Smith sah, daß er wieder länger werde, fragte er:
»Wie viel Uhr ist es?
– Fünf Uhr und eine Minute«, antwortete sofort Gedeon Spilett.
Zwischen dem Meridiane von Washington und dem der Insel Lincoln lag also ein Zeitunterschied von rund fünf Stunden, d.h. es war auf der Insel Lincoln erst Mittag, wenn die Uhren in Washington schon auf fünf Uhr Nachmittags zeigten. Die Sonne durchläuft nun bei ihrer scheinbaren Bewegung um die Erde einen Grad in vier Minuten, also fünfzehn Grad in einer Stunde. Fünfzehn Grade mit fünf Stunden multiplicirt ergaben demnach fünfundsiebenzig Grade.
Da nun Washington 77°3'11'' westlich von Greenwich liegt, von wo aus die Amerikaner ebenso wie die Engländer ihre Längengrade zählen, so folgt daraus, daß die Insel siebenundsiebenzig plus fünfundsiebenzig Grade, d.h. also unter 152° westlicher Länge zu suchen war.
Cyrus Smith verkündigte dieses Resultat seinen Gefährten, und unter Berücksichtigung der möglichen Irrthümer glaubte er die Lage der Insel Lincoln unter dem fünfunddreißigsten bis vierzigsten Grade südlicher Breite und dem hundertfünfzigsten bis hundertfünfundfünfzigsten Grade der Länge westlich von Greenwich annehmen zu dürfen.
Den Spielraum der etwaigen Beobachtungsfehler schätzte er, wie man sieht, in beiden Richtungen auf etwa fünf Grade, was bei sechzig Meilen auf den Grad gegenüber einer exacten Beobachtung einen möglichen