Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1. Gerstäcker Friedrich

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Название Kleine Erzählungen und Nachgelassene Schriften 1
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754955482



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sonst kann ich Ihnen mit nichts dienen?“ sagte Herr Köfer, während die Dame ihren Shawl fester um die Schultern zog.

      „Heute nicht,“ sagte Fräulein Ostachini, nicht in der Stimmung, höflich zu sein; „guten Morgen, Herr Köfer!“ und mit den Worten fegte sie zum Bureau hinaus und nahm alle die Papierschnitzeln, Bindfaden, Nußschalen und sonstigen Gegenstände mit, die in ihrer Bahn lagen und die die alte Kathrine in den letzten Tagen versäumt hatte auszukehren.

      Herr Köfer sah ihr über seine Brille nach – ohne sie zu begleiten, wie er es vorher bei Herrn Bomeier für nöthig befunden; dann aber, als sie die Thür hinter sich zuschlug, murmelte er leise:

      „Ja wohl – nicht die geringste Rücksicht für mich selber, und das Unglück möchte ich erleben, wenn wir nur ein einziges Mal sagten, daß ihre Stimme – die so scharf geworden ist, daß sie Einem durch Mark und Bein schneidet, ein wenig belegt gewesen wäre – Herr Du meine Güte, ich glaube sie drehte das Comptoir um!“

      Der eine Schreiber, der sich kurz vorher ein Paket Briefe geholt hatte, die ihm Herr Köfer bei Seite gelegt, kam damit wieder zu seinem Pult.

      /40/ „Aber ich muß in die Druckerei zurück,“ sagte der Setzerjunge, der noch immer in der Ecke stand.

      „Und der Doctor kommt noch immer nicht!“ rief Herr Köfer und fuhr sich mit der Hand durch die ungekämmten Haare. „Springen Sie doch einmal hinüber, Splitzner, und sehen Sie, wo er bleibt.“

      Der „erste“ Commis legte die Briefe auf. –

      „Doctor Hesbach wünscht Abrechnung über sein hier in Commission befindliches Stück,“ sagte er, indem er den einen Brief vorschob; „er behauptet, in den Zeitungen gelesen zu haben, daß es in Breslau, Köln, Cassel, Dresden, Frankfurt a. M. und Wiesbaden gegeben sei.“

      „Ist denn das Honorar dafür eingekommen?“

      „Ja, Herr Köfer.“

      „Schön, dann schreiben Sie ihm, sobald es käme, sollte er augenblicklich Abrechnung erhalten.“

      „Es ist eingekommen, Herr Köfer,“ sagte der junge Mann.

      „Esel,“ erwiderte Herr Köfer, „haben Sie nicht gehört, was ich Ihnen gesagt habe? Und die anderen Briefe?“

      „In diesem hier verlangt ein Herr Pleschner ebenfalls Abrechnung. Er sagt, daß er –“

      Herr Köfer nahm den Brief, riß ihn auseinander und warf ihn in den Papierkorb – „weiter! –“

      „Noch ein solcher Brief von Doctor Rabener. Sein Lustspiel wäre auf sieben Bühnen zur Aufführung gekommen, und er hätte noch nichts davon gehört.“

      „Ich auch nicht,“ sagte Herr Köfer, nahm den Brief, knitterte ihn zusammen und steckte ihn in die Tasche.

      „Herr Blesheim wünscht ebenfalls Abrechnung,“ fuhr der junge Mann fort. „Er behauptet, Sie hätten ihm auf seine vier letzten Briefe gar nicht geantwortet.“

      „Das ist sehr leicht möglich,“ sagte Herr Köfer – „die Herren scheinen weiter gar nichts zu thun zu haben, als Briefe zu schreiben – wir müssen ihnen das abgewöhnen. Stecken Sie den Wisch in den Papierkorb. Was sonst noch?“

      „Anmeldung von neuen Stücken.“

      „Bekannte Namen?“

      /41/ „Nein.“

      „Fort damit!“

      Die Thür ging wieder auf, und Herr Guido Lerche trat, von dem zweiten Commis gefolgt, der ihm auf der Treppe begegnet war, in’s Zimmer.

      „Aber, Herr Lerche – der Setzerjunge wartet schon zwei Stunden auf Sie,“ sagte Herr Köfer vorwurfsvoll.

      „Kann ich Armeen aus der Erde stampfen?“ citirte Herr Lerche und ging ohne Gruß an seinen Platz, Herrn Köfer gerade gegenüber; „ich bin die Nacht erst um halb Drei nach Hause gekommen und habe trotzdem schon heute Morgen den Artikel beendet. Ich muß ihn nur noch einmal durchlesen, nachher kann ihn der Junge mitnehmen.“

      Herr Guido Lerche hatte sich in den Jahren, in denen wir das Vergnügen nicht hatten, ihm zu begegnen, sehr zu seinem Vortheil verändert, was wenigstens sein physisches Selbst betraf. Er war dick und rund geworden, trug einen kleinen, aber sehr buschigen Schnurrbart, leinene Vorhemdchen und papierne Vatermörder, sah also immer sehr reinlich aus und zeigte einen nicht unbedeutenden Ansatz zu einer mühsam erworbenen rothen Nase.

      „Wo waren Sie denn bis halb drei Uhr?“ sagte Herr Köfer, der in sofern Interesse daran nahm, als Herr Lerche schon seit fünf Jahren als Gatte seiner Schwester sein Schwager und dabei „stummer“ Theilhaber des Geschäfts geworden.

      „Wo ich war?“ sagte Guido – „Bomeier gab ein famoses Champagner-Souper nach dem Theater, und wir haben uns köstlich amüsirt. Ist ein ganz famoser Kerl!“

      „Sind Sie mit der Recension fertig?“

      „Gewiß.“

      „Darf ich Sie bitten?“

      Lerche reichte ihm das Blatt hinüber, und Herr Köfer warf kaum den Blick darauf, als er ausrief:

      „Aber, bester Lerche – Sie reißen ja das Stück furchtbar herunter, und es hat ausgezeichnet gefallen! Der Autor ist beinah nach jedem Act gerufen geworden, und der Regisseur hatte alle /42/ Hände voll zu thun, ihn nur zu entschuldigen. Das Publikum war ganz außer sich.“

      „Lieber Schwager,“ sagte Herr Lerche verächtlich, „thun Sie mir den einzigen Gefallen und nennen Sie mir nur gar nicht das Wort Publikum. Was ist Publikum? Eine Masse, die Entrée bezahlt, um das Institut zu erhalten und sich ein paar Stunden Abends zu amüsiren. Für ihr Eintrittsgeld haben sie dann allerdings Sitz, aber wahrhaftig keine Stimme, und mit Ihrer Erfahrung müssen Sie doch schon lange wissen, daß eine solche Masse wohl steuerpflichtig sein kann und sein muß, aber nie die geringste Rücksicht auf ihr Urtheil verlangen darf.“

      „Aber der Autor hat einen so bekannten Namen!“ sagte Herr Köfer, doch noch nicht vollständig überzeugt.

      „Und was thut das?“ rief Herr Lerche. „Das Urtheil über dramatische Productionen haben wir in der Hand, nicht das Publikum, und wer ist der Autor überhaupt? Kennen wir ihn? Hat er es auch nur der Mühe werth gefunden, uns einen Anstandsbesuch zu machen? – heh?“

      „Das allerdings,“ sagte Herr Köfer.

      „Gut,“ bemerkte Herr Lerche, „den Herren müssen wir wenigstens Lebensart lehren und sie davon überzeugen, daß sie ohne uns nichts sind – nachher werden sie zahm und fressen aus der Hand. Ueberlassen Sie das mir, Schwager. Ich weiß, wie man mit derartigem Gelichter umspringen muß.“

      Herr Köfer hatte indessen die Recension über das gestern gegebene Stück weiter verfolgt. – „Hm,“ sagte er dabei – „Bomeier wird damit zufrieden sein – kann nicht mehr verlangen, aber – haben Sie sich da verschrieben? – Was bedeutet denn der letzte Satz?“

      „Welcher?“

      Herr Köfer las: „Fassen wir aber das Ganze in wenige Worte zusammen und bewundern wir fortan sein großes Talent für Form, für Stilistik – seine Begabniß, sich das Außerordentlichste anzueignen – seine reizende, schöne Factur, seine zarten Fühlhörner und seine ernsthafte – ich /43/ möchte fast sagen passionirte Indifferenz ... das verstehe ich nicht.“3

      „Lieber Schwager,“ sagte Herr Lerche, mit der linken Hand eine abwehrende Bewegung machend – „überlassen Sie das mir. Sie verstehen das allerdings nicht, aber es drückt in höherer Weise aus, was unser geistiges Ich bei einer solchen Leistung empfindet. Bomeier ist in der That ein Künstler erster Klasse, und ich hoffe nur, daß er unserem Institut erhalten bleibt. Etwas Rohes, das er noch an sich hat, wollen wir dann schon abschleifen und poliren.“

      „Na,“ sagte Herr Köfer – „dann geben sie nur dem Jungen da das Manuscript, daß er in die Druckerei