Название | Mythos, Pathos und Ethos |
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Автор произведения | Thomas Häring |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738030754 |
02.12.2013: Das Kater unser - Ein Denkmal
03.12.2013: Rudis Resterampe - Resteficken
04.12.2013: Grab - und wie es die Welt sah
Der Hundertjährige, der im Tausendjährigen Reich aus dem Zeitfenster entschwand
25.09.2013: Heute bin ich 100 Jahre alt geworden. Da staunen Sie, was? Wundern Sie sich aber bitte nicht darüber, daß ich diesen Tag nicht zelebriere oder mit meiner Familie, meinen Freunden oder Bekannten feiere. Erstens habe ich keine mehr und zweitens ist mir nicht danach. Ich werde die mir noch verbleibende Zeit nutzen, um über mein bisheriges Leben zu berichten, aber da bei uns Alten das Langzeitgedächtnis bekanntlich viel besser als das Kurzzeitgedächtnis funktioniert, werde ich mit den Ereignissen der letzten Tage und Wochen beginnen, bevor ich jene gleich wieder vergesse.
Das schönste Geburtstagsgeschenk hat mir zweifellos die FDP gemacht, indem sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte und in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, welche ja bekanntlich 1949 begonnen hatte, nicht in den Bundestag eingezogen ist. Daß ich das noch erleben darf! Welch große Freude! Man muß sich das einmal vorstellen und auf der Lunge zergehen lassen: 64 Jahre lang hintereinander saß die FDP im Bundestag, die meiste Zeit davon sogar in der Regierung. 4,8 Prozent, noch nie zuvor war mir die Fünf-Prozent-Hürde so sympathisch wie heute. Daß es die AfD (Alternative für Deutschland) ebenfalls nicht ins Parlament geschafft hat, dürfte genauso zu verschmerzen sein. Es gibt also jetzt endlich eine rechtspopulistische Partei bei uns, das wurde aber auch höchste Zeit. Nachdem Frau Gerkel mit der CDU immer weiter in die Mitte gerückt ist und da die konservative CSU bekanntlich nur in Bayern antritt, entstand ein Vakuum auf der Rechten, welches nun scheinbar ausgefüllt worden ist. Die SPD und ihre linken Schwestern, die Grünen sowie die Linke, können ihr Glück kaum fassen. Sie sitzen alle drei im Bundestag und hätten dort sogar eine rechnerische Mehrheit, wenngleich sie die bestimmt nicht nutzen wollen und werden. Zusammengerechnet kämen die bürgerlichen Parteien auf 51 beziehungsweise 52 Prozent der Wählerstimmen (sofern man das eine Prozent der Freien Wähler noch dazuzählen würde), die linken Parteien dagegen lediglich auf knapp 45 Prozent (wenn man das Ergebnis der Piraten dazurechnet). Also eine klare rechte Mehrheit, die im Parlament jedoch nicht sichtbar wird, da darin nur CDU und CSU sitzen. Tja, hätte die AfD nicht so viele enttäuschte FDP-Wähler angezogen, wären die Freien Wähler nicht angetreten oder hätte Frau Gerkel nicht alle Stimmen aus dem bürgerlichen Lager für sich und ihre Partei beansprucht, dann hätten wir womöglich weitere vier Jahre Schwarz-Gelb vor uns, doch zum Glück blieb uns das allen erspart. Die FDP hat etwas Bemerkenswertes vollbracht: Sie wurde gedrittelt, landete nach 14,6 Prozent der Wählerstimmen 2009 bei besagten 4,8 %. Das ist wahrlich eine sehr beachtliche Leistung, es gibt nicht viele, die so etwas fertigbringen, was also waren die Ursachen für dieses Debakel?
"Das ist Guildo Festerbelle, das ist der, den keiner mag", hieß es mal in einer "Cover-Version" der "Perfekten Welle". Er allein ist nicht der Hauptschuldige, aber er hat seinen Teil zur Misere beigetragen. 2009 landeten CDU/CSU bei gerade mal 33,8 Prozent der Stimmen, ein ziemlich maues Ergebnis, das der Tatsache geschuldet war, daß die Union in der Großen Koalition mit der SPD wenig vom eigenen Programm durchsetzen hatte können. Deshalb wählten viel CDU- und CSU-Anhänger 2009 die FDP, um dafür zu sorgen, daß eine christlich-liberale Koalition möglich wurde. Dummerweise glaubte Parteichef Festerbelle, die 14,6 % für seine Partei wären selbst erarbeitet und die FDP hätte jede Menge neue Fans dazu gewonnen. Also plusterte er sich mächtig auf, sprach von seinem Haufen als zukünftiger Volkspartei und konnte vor lauter Kraft fast nicht mehr laufen. Außerdem war er es nach elf Jahren in der Opposition gewohnt zu kritisieren, weshalb er sich in den Koalitionsverhandlungen sowie in den ersten Monaten der Koalition nach wie vor wie ein Oppositionsführer gerierte. Er wollte ein neues liberales Zeitalter einläuten, glaubte, jene Regierung würde jahrzehntelang bestehen und der Größenwahn ließ ihn nicht mehr los. So versprach er seinen Wählerinnen und Wählern Steuersenkungen, seinen Parteifreunden gut dotierte Posten und sich selber einen Platz in den Geschichtsbüchern.
Na ja, letzteren hat er tatsächlich bekommen, wenn auch nicht unbedingt so, wie er sich das seinerzeit vorgestellt hatte. Die FDP ist grandios gescheitert, sie hat es sich mit allen verscherzt, die ihr mal wohlwollend gegenüberstanden und wenn man bedenkt, daß von den 4,8 %, die sie immerhin noch gewählt haben, nur 40 Prozent von denen angaben, die FDP wäre ihre Lieblingspartei, dann kann man sich vorstellen, wie tief die Gelben gesunken sind.
Allerdings ist Mitleid hier völlig fehl am Platz, denn die FDP-Vertreter waren meistens diejenigen mit der größten Klappe, marktradikal bis zum Exzeß, immer nur die Wirtschaft fördern und die Arbeitslosen fordern, "das wird der Markt schon regeln", lautete ihre Maxime. Und in der Tat, der Markt hat es geregelt und die FDP auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt, vorerst zumindest. Aus den FDP-Abgeordneten und ihren Mitarbeitern wurden quasi "die Schlecker-Frauen der Politik". Natürlich wird die olle FDP in vier Jahren grandios wiederauferstehen, aber sie wird sich nicht mehr so arrogant aufführen, das steht zweifelsfrei fest. Genießen wir deshalb die folgenden vier historischen Jahre, in denen die FDP erstmals nicht im Bundestag vertreten sein wird.
"Wer Gerkel als Bundeskanzlerin haben will, muß FDP wählen", hatte der Spitzenkandidat der Liberalen wenige Tage vor der Wahl noch getönt gehabt. Die Wähler hingegen waren schlauer und wählten, wenn sie Gerkel haben wollten, lieber gleich die CDU, schließlich war sie ja für jene Partei angetreten. Dieses erbärmliche Betteln um die Zweitstimme der Unionswähler, das in früheren Jahren immer erfolgreich funktioniert hatte, gab der FDP in der öffentlichen Wahrnehmung endgültig den Rest. "Haste mal ne Stimme, uns reicht auch die Zweitstimme", wurden die Leute angebettelt und das war nicht mal mehr nur noch peinlich, sondern fast schon widerlich. Nicht einmal die mitfühlenden Frauen, welche ein Dirndl ausfüllen konnten, wollten den Sexismus-Experten mehr ihre Stimme geben.
Ja, die FDP mußte einen ähnlichen Absturz erleben, wie die CSU 2008, als sie von 60,7 % bei der Landtagswahl in Bayern 2003 bei 43,4 % landete. Auch da war der Größenwahn schuld gewesen, deshalb bleibt lediglich festzuhalten, daß alle bekommen was sie verdienen, die Wähler sind auf ihre Art und Weise durchaus gerecht und das stimmt einen doch ziemlich hoffnungsfroh.
Nach der Großen Koalition von 2005 bis 2009 erreichten die drei kleineren Parteien FDP (14,6 %), Die Linke (11,9 %) und Die Grünen (10,7 %) miteinander über 36 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 und lagen zusammen gerade mal noch gut 20 Prozent hinter CDU/CSU (33,8 %) und SPD (23 %). So einen geringen Abstand hatte es noch nie zuvor gegeben, doch das war eben allein der Tatsache geschuldet, daß die Anhänger der großen Parteien