Feuerblüte II. Катя Брандис

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Название Feuerblüte II
Автор произведения Катя Брандис
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847605447



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geschmiedet hatte, am Finger. Er hatte die Form eines Vogels; seine Schwingen bildeten die Seiten des Rings.

      Kilian war ernst geblieben. „Ich glaube nicht, dass irgendjemand genau weiß, was draußen ist. Vater hat erzählt, es gibt eine magische Grenze rund um Daresh, über die man nicht drüberkommt. Die Grenze wurde vor ganz langer Zeit vom Alten Volk geschaffen und wird von Sieben Türmen aufrecht erhalten. Um Daresh zu schützen.“

      „Ich habe gehört, auf der anderen Seite ist nur Wüste.“ Jelica klang nicht besonders interessiert. „Es soll sehr gefährlich sein dort. Warum sollte jemand aus Daresh auf die andere Seite gehen wollen? Das ist doch sinnlos.“

      „Ich fände das schon spannend“, widersprach Kilian. „Jenseits der Grenze soll es noch viele Spuren und Ruinen des Alten Volks geben.“

      „Jetzt fängt er gleich wieder vom Schatz von Atakán an“, meinte Jelica spitz. „Das Thema hatten wir schon ungefähr zehntausend Mal. Kilian will unbedingt reich und berühmt werden.“

      „Ja, und?“, sagte Kilian. „Du willst lieber arm und unbekannt bleiben, was? Macht nichts, dann behalte ich den Schatz eben alleine, wenn ich ihn finde.“

      „Was soll das für ein Schatz sein? Jede Menge Gold?“ Alena glaubte sich zu erinnern, dass sie mal etwas darüber gelesen hatte. Aber es waren nur ein paar Zeilen gewesen.

      Kilian öffnete den Mund, doch Jelica kam ihm zuvor. „Nein. Es ist ein besonderer Schatz, einer, den das Alte Volk hinterlassen hat. Es sind Würfel, die einem Glück, Reichtum, Schönheit, Liebesglück und so was verschaffen können, wenn man sie benutzt. Aber das ist nur ein Gerücht. Kein vernünftiger Mensch glaubt daran, dass es diesen Schatz gibt.“

      „Ach, und ich bin nicht vernünftig oder was?“ Kilian wirkte beleidigt.

      Jelica grinste und wandte sich an Alena. „Das Problem ist auch, dass der Schatz angeblich jenseits der Grenze liegt … und keiner, der danach gesucht hat, je zurückgekommen ist …“

      Alena hörte nicht mehr zu. Ihre Fingerkuppen strichen über das glatte Pergament der Karte, ihre Augen folgten den Linien, die die Grenze markierten. Sie überlegte, ob es einen Weg gab, wie sie dorthin kommen konnte. Und darüber hinweg. Diese leeren Flecken auf der Landkarte forderten sie heraus. Ihr Herz schlug so schnell wie damals, als sie sich selbst ihr Meisterschwert verliehen hatte. Vielleicht ist das meine Aufgabe, dachte sie. Herauszufinden, was jenseits der Grenze liegt. Im Land der Sieben Türme. Ihre Finger bemerkten eine ungewöhnlich raue Stelle auf der Karte. Alena runzelte die Stirn. „Moment mal, was ist denn das?“

      „Was? Gib mal her.“ Kilian beugte sich so dicht über das Pergament, dass seine Nase es fast berührte. „Ich glaube, da hat jemand eine Eintragung wieder entfernt …“

      Er untersuchte es ganz genau, gab dann schweigend die Karte an Alena weiter. Als sie die schwachen Buchstaben entziffert hatte, fühlte sie ein Kribbeln durch ihren Körper laufen. „Also, das Erste ist ein A und das Zweite könnte ein T sein …“

      „Atakán“, sagte Kilian leise.

      „Wunschdenken.“ Jelica schüttelte den Kopf. „Man kann nur zwei Buchstaben lesen. Du interpretierst da etwas …“ Plötzlich hob sie den Kopf. „Was genau ist da draußen eigentlich los?“

      Sie lauschten. Tatsächlich, draußen schien es irgendeinen Aufruhr zu geben. Sie hörten laute Stimmen, rennende Füße. „Los, schauen wir nach“, sagte Alena.

      Doch bevor sie aufstehen konnten, näherten sich ihnen schnelle Schritte innerhalb des Hauses. Rostfraß! Nervös überlegte Alena, ob sie sich verstecken sollte. Doch schon wurde die Tür von Kilians Zimmer aufgerissen. Alena erkannte die Mutter der Geschwister. Sie streifte Alena nur mit einem kurzen Blick, schien kaum zu bemerken, dass sie da war. „Schnell“, sagte sie. „Wir sollen alle auf den Dorfplatz kommen.“

      „Was ist denn passiert?“, rief ihr Kilian hinterher, doch seine Mutter war schon wieder verschwunden.

      Alena und die Geschwister tauschten einen Blick. Dann griffen sie sich ihre Umhänge und Schwerter und hasteten nach draußen.

      ***

      „Was hast du in meinem Stall zu schaffen, Gildenloser?“

      Eine harte Hand packte Jorak, schleuderte ihn mit Wucht gegen die Wand des Dhatla-Stalls und warf ihn zu Boden. Blitzschnell rollte Jorak sich weg, zwischen die riesigen Beine der Dhatlas. Der Fußtritt, der auf seine Rippen gezielt hatte, ging ins Leere. Dafür lag Jorak jetzt zwischen armlangen Grabkrallen, die ihn ohne Mühe durchbohren konnten. Doch er hatte keine Angst, er wusste, dass die Dhatlas nicht auf ihn treten würden. Sie hatten sich in den letzten Wochen an ihn gewöhnt. Eine riesige keilförmige Schnauze senkte sich über ihn, blies ihm warmen, nach Pflanzenbrei riechenden Atem in den Nacken.

      „Scher dich fort, du räudige Baumratte!“, schrie der Händler.

      Jorak kam wieder auf die Füße. Ihm fiel ein Fluch der Feuer-Gilde ein, den er von seinem Vater gehört hatte, vor langer Zeit. „Möge die Flamme Euch verzehren, bis Ihr zu jämmerlichen kleinen schwarzen Klümpchen geworden seid!“

      Er genoss den erschrockenen Ausdruck des Händlers und glitt nach draußen. Schade, dachte er, als er in das Gewirr der Gassen eintauchte, aus dem der Blaue Bezirk Ekaterins bestand. Der Stall war bequem gewesen. Jetzt musste er sich eine neue Bleibe suchen. Eigentlich hätte er wie die anderen Gildenlosen im Schwarzen Bezirk von Ekaterin leben müssen, so lautete das Gesetz. Doch Jorak hasste den Gestank und das Elend des Schwarzen Bezirks. Außerdem fühlte er sich den anderen Gildenlosen nicht sehr verbunden. Die meisten von ihnen waren für irgendein Verbrechen aus ihren Gilden ausgestoßen worden und wurden nun behandelt wie Aussätzige. Er dagegen gehörte zu den wenigen Menschen Dareshs, die nie einer Gilde angehört hatten. Aber wen interessierte dieser Unterschied?

      Als Jorak durch die Straßen streifte, hielt er nach Möglichkeiten Ausschau, etwas Essbares aufzutreiben. Er hatte an diesem Tag noch nichts in den Magen bekommen, ihm war schon schwindelig vor Hunger. Geschickt ließ Jorak bei einer schwer beladenen Handelskarawane, die gerade ihre Waren in Lagerhäuser bringen ließ, ein paar Handvoll Felizas-Sprossen und Rillza-Nüsse mitgehen. Niemand bemerkte es.

      Ich könnte erst mal bei Kerrik und Lilas unterschlüpfen, ging es Jorak durch den Kopf. Doch er hasste es, von der Großzügigkeit anderer abhängig zu sein, und er wollte nicht, dass die beiden Ärger bekamen, weil sie einem Gildenlosen Gastrecht boten. Außerdem hatte er gerade sowieso wenig Lust, Kerrik zu sehen. Es hatte keinen Sinn, darum herumzureden ? die Sache mit Alena hatte ihre Freundschaft angeknackst. Er konnte einfach nicht vergessen, dass sie mit Kerrik … nein, er wollte jetzt nicht daran denken.

      Stattdessen überlegte er, was er an diesem Tag Neues machen konnte. Er hatte sich einmal geschworen, jeden Tag etwas zu tun, was er nie zuvor getan hatte. Dadurch blieb sein Geist beweglich, und er wurde kein Sklave seiner Gewohnheiten. Das konnte leicht gefährlich werden, wenn man so lebte wie er.

      Das Neue konnte eine Kleinigkeit sein, zum Beispiel eine ungewöhnliche Frucht zu probieren oder eine Straße zu erkunden, die er sonst nie entlangging. An manche Dinge erinnerte er sich noch genau. Wie er zum ersten Mal mit einem Natternmenschen gesprochen hatte (eine interessante Erfahrung, auch wenn er nicht viel verstanden hatte). Wie er versucht hatte eine Audienz beim Stadtkommandanten zu bekommen (hatte nicht geklappt, zählte aber trotzdem). Wie er in eins der Gasthäuser gegangen war, zu denen nur Feuerleute Zutritt hatten (er war nach zweimal zehn Atemzügen rausgeflogen). Oder wie er zum ersten Mal ein Mädchen geküsst hatte (es war nur vorübergehend in der Stadt gewesen, er hatte es nie wiedergesehen).

      Doch heute fiel ihm nichts ein. Das war ärgerlich. Sonst hatte er immer jede Menge Einfälle, zum Glück meistens dann, wenn er sie brauchte. Er hatte sich daran gewöhnt, sich auf seine Intuition zu verlassen. Doch heute schien sein Kopf wie leer gefegt.

      Vielleicht lag das daran, dass auch mit Ekaterin irgendetwas nicht stimmte. Wie immer, wenn er durch die Bezirke streifte, beobachtete er ständig, erspürte Stimmung und Pulsschlag der Stadt, registrierte, was sich wo tat. Heute