Название | Balkanmärchen auf 251 Seiten |
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Автор произведения | Johann Heinrich August Leskien |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742763082 |
viele Lasten Gold habe ich dir gegeben, von mir hast
du sie bekommen, aber du hast immer noch nicht
genug davon, und mir hast du nicht einen roten Heller
abgegeben; du willst aber immer noch mehr. So konn-
te auch die Wagschale mit meines Vaters Kopf, solange
er die Augen offen hatte, sich nicht heben; erst
zuletzt, als wir sie verbunden hatten, hob die Schale
sich gegen nur zwei Kilo. So ist das Auge des Menschen
gierig und unersättlich«.
9. Die Taten des Zarensohnes und seiner beiden
Gefährten
Es waren einmal ein Zar und eine Zarin; die hatten
zehn Jahre lang keine Kinder, und die Zarin fing jedesmal
an zu weinen, wenn sie Kinder sah. Einmal
sah sie einen Mann, der hatte sieben Kinder und ging
betteln, um die Kinder zu ernähren. Einmal kam er
auch an die Tür der Zarin; die war wieder betrübt, daß
sie kein Kind hatte, und gab ihm Geld und Brot. Da
ging einmal gerade ein alter Mann mit weißem Bart
vorüber und sah, wie die Zarin weinte, als sie die
Kinder des Bettlers sah. Der Alte fragte sie: »Warum
weinst du?« Sie antwortete ihm: »Dem da, der sie
nicht ernähren kann, hat Gott Kinder gegeben, und
mir, die sie nähren und kleiden kann, gibt er keine.«
Darauf sagte der Alte: »Wenn du mich zum Gevatter
nimmst, will ich dir ein Kind geben.« – »Warum
nicht? Ich will dich zum Gevatter nehmen.« Der Alte
gab ihr darauf einen Apfel und sagte: »Eine Hälfte iß
du, und die andere gib dem Zaren.« Die Zarin nahm
den Apfel, gab die eine Hälfte dem Zaren, die andere
aß sie selbst. Nach neun Monaten bekam sie ein
Kind, einen Jungen; bei seiner Geburt schoß man mit
Kanonen. Bis zum zehnten Jahr hatten sie ihm noch
keinen Namen gegeben und schickten ihn so ohne
Namen in die Schule. Der Junge aber, traf er auf dem
Schulwege einen Menschen, schlug er ihn nieder, und
die Rinder, die auf die Weide getrieben wurden, packte
er am Schwanze und schleuderte sie zur Seite. Da
klagten die Hirten beim Zaren: »Willst du uns schützen,
oder willst du unser Vieh schlagen lassen?« Als
der Junge aus der Schule kam, sagte der Zar zu ihm:
»Was schlägst du das Vieh? Die Leute sind hierher
gekommen dich zu verklagen.« Darauf antwortete der
Junge: »Ich mag hier nicht bleiben, ich will fort.
Wenns dir recht ist, gib mir ein Pferd und Geld, ich
mag nicht hier bleiben, ich will fort und mich mit irgendeinem
Ringkämpfer messen.« Der Zar aber sagte:
»Sprich nicht davon, daß du fort willst, und schlag
kein Vieh mehr tot«; damit ließ er ihn wieder in die
Schule gehen. Die Schulkinder aber riefen ihm nach:
»Namenlos, Namenlos«, weil er keinen Namen hatte.
Als sie dann aus der Schule kamen, ging der Junge zu
seiner Mutter und sagte: »Ich habe keinen Namen; ich
will fort von hier.« Die Mutter antwortete: »Wenn du
gerne einen Namen willst, so wollen wir dir einen
geben«, und sagte zum Zaren: »Das Kind will einen
Namen haben. Den Apfel, den du gegessen hast, hat
mir ein Alter gegeben und mir gesagt: wenn du mich
zum Gevatter nimmst, schenke ich dir ein Kind.« Darauf
sagte der Zar: »Mag sein, aber wo sollen wir ihn
finden?« – »Er geht jeden Tag an unserm Hause vor-
bei?« – Darauf sagte der Zar: »Halt ihn an, wenn er
vorbeikommt.« Am Abend schoß man mit Kanonen,
da der Zarensohn einen Namen bekommen sollte, und
der Zar hatte Gäste dazu eingeladen. Die Zarin aber
hielt den Alten an, und am nächsten Morgen waren
alle Zimmer voll Leute, auch der Alte war dort und
sagte zum Zaren: »Mach ein Zimmer ganz leer!« Das
geschah, der Alte ging in das Zimmer und sagte:
»Bringt mir das Kind, wie es die Mutter geboren hat.«
Da brachten sie ihm das Kind ganz nackt, er aber
kleidete es in goldne Gewänder, stach ihm ein spitzes
Messer ins rechte Bein und gab ihm den Namen
»Messerprinz«. Als die Leute ihn so in Gold gekleidet
sahen, gerieten sie ganz außer sich, und der Alte
selbst auch; der aber ging davon.
Der Zar schickte nun seinen Sohn wieder in die
Schule; der aber prügelte sich mit den Kindern; sie
klagten es dem Zaren, und er verbot es ihm. Aber es
war einmal von Gott so in den Jungen gelegt, er konnte
es nicht aushalten und sagte zu seinem Vater: »Ich
kann hier nicht stillsitzen, gebt mir ein Pferd und
einen Quersack voll Geld, ich will fort.« Da gab ihm
der Zar, was er wünschte. Der Junge zog fort und kam
an ein Gebirge. Da begegnete ihm einer, der vom Gebirge
herabkam und, während er so ging, mit dem Fuß
ausholte und die Buchen umstürzte. Messerprinz
sagte zu ihm: »Wer bist du?« – »Ich bin ein Mensch,
und du?« – »Ich bin auch ein Mensch; und du, wohin
gehst du?« – Der antwortete: »Ich gehe zu einem Zarensohn,
der Messerprinz heißt, und will mit ihm ringen.
« Messerprinz sagte darauf: »Komm, versuch es
erst einmal mit mir!« Der andre sagte ja, und sie rangen
drei Tage und drei Nächte, aber keiner kam zu
Fall. Da sagte Messerprinz: »Komm, laß uns Brüderschaft
machen!« Der andere war einverstanden, und
Messerprinz fragte ihn: »Was für eine Heldenkraft
hast du?« Der antwortete: »Ich weiß alles, was es auf
der Welt gibt; und was hast du für eine?« – »Ich habe
im rechten Bein ein Messer; wenn mir das ein andrer
herauszieht, muß ich sterben; wenn ich es aber selbst
herausziehe, sterbe ich nicht; wenn ich das Messer
schleudere, kann mir nichts widerstehen.« Da schlossen
die beiden Brüderschaft.
Sie gingen nun