Название | Der Mädchenfänger |
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Автор произведения | Peter Schmidt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847654759 |
"Lassen wir doch das förmliche Sie, ja? Ich bin gerade mal zweiundzwanzig und noch kein alter Mann."
Das war gelogen, in Wirklichkeit war er schon achtundzwanzig. Aber er fand, man sah es ihm nicht an. Bei diesem jungen Gemüse zählte jedes Jahr. Ein jugendlich aussehender Mensch von Dreißig war garantiert ein uralter Knacker für sie, den sie sofort verdächtigen würden, Schwierigkeiten mit den Gelenken oder beim Wasserlassen zu haben.
"Angela." Sie zog ihren Fäustling aus und gab ihm die Hand. Als er ihr in die Augen sah, spürte er, dass sich mit ihr etwas anbahnen würde.
Man sah es einfach. Es stand da in einer Sprache, die jeder verstehen konnte - in unmerklichen, aber verräterischen Zeichen. Genau jenes Lächeln zuviel, das Interesse signalisierte. Genau jene für Sekundenbruchteile geweiteten Pupillen, die anzeigten, was sie fühlte.
Großer Gott, es war verdammt noch mal immer dasselbe. Er las darin wie in einem offenen Buch. Es gab keine Geheimnisse für ihn. Er war der Herr des Universums. Natürlich hielt sie ihn für viel zu alt.
"Tom Sighcore." Sie deutete auf die Rolle in seiner Hand. "Es ist nur wegen des Heftes."
"Ja, natürlich, wegen des Heftes. Darf ich dich zu einem Kaffee einladen?"
"Ich würde Ihnen das Magazin gern abkaufen."
"Abkaufen? Kommt gar nicht in Frage. Du trinkst jetzt mit mir und meinen Freunden oben auf der Zwischenetage einen Kaffee, und das ist dann die Gegenleistung dafür, dass ich dir das Heft schenke."
"Wirklich?" Sie fiel ihm vor Glück fast um den Hals, nestelte dann aber sofort verlegen an ihrem linken Handschuh (der rechte war zu Boden gefallen), vielleicht, weil ihr bewusst geworden war, wie einladend und voreilig das auf Quant wirken musste. Er hob den Handschuh auf und drückte ihn ihr mit dem Magazin in die Hand.
Als er auf Trevians Tisch zusteuerte, wusste er, dass Angela bis in alle Zukunft für seine Kellergeschichten gestorben war, verbrannt wie ein Agent, den die Gegenseite enttarnt hatte, denn das Risiko, mit einem seiner Mädchen gesehen zu werden, würde er niemals eingehen. Angela war sicher wie in Abrahams Schoß vor ihm. Aber eine Freundin, eine junge, über die man sich das Maul zerreißen und die man in der Öffentlichkeit vorzeigen konnte, war genau das Richtige für ihn.
Trevian nickte anerkennend, als er mit Angela an ihrem Tisch auftauchte. Man sah seinem Gesicht an, dass ihm Quants Neuerwerbung imponierte. Er gebrauchte immer diesen Ausdruck, wenn er ein neues Mädchen aufgetan hatte.
Angela ist auch wirklich ausgesprochen hübsch, dachte Quant, ein Glücksfall wie das Compremol.
Es gab nicht vieles auf der Welt, das so perfekt war. Er stellte sich vor, wie er mit ihr durch die Szenekneipen tingelte und wie sich die Köpfe der pickeligen Fünfzehn- bis Achtzehnjährigen von ihren abgestandenen Colagläsern wegdrehten, um ihnen verstohlen nachzublicken. Von den überschminkten Diskoschönheiten ganz zu schweigen, die bei Angelas jugendlicher Anmut vor Neid erblassen mussten.
"Das ist Elsa", stellte Trevian vor. "Ein Pferd aus bestem Stall. Ihr Vater hat sich kürzlich in der Stadt als Anwalt niedergelassen."
Elsa sah etwas dicklich, fast mütterlich aus, schien aber doch viel weniger Ähnlichkeit mit der Frau des amerikanischen Präsidenten zu haben, als er geglaubt hatte. Sie lächelte bei Trevians Worten so debil und schicksalsergeben, dass er sich unwillkürlich an Tom Sighcore auf seinem Flokatiläufer erinnert fühlte.
Trevian versuchte immer vergeblich den gleichen drastischen Humor zu zeigen wie er – als gäbe es so etwas wie einen verwandten Zug in ihrer Natur. Als müssten sie einander in ihren saloppen Kommentaren über das weibliche Geschlecht den Rang ablaufen. Doch was dabei herauskam, hatte glücklicherweise wenig Ähnlichkeit mit seiner eigenen Art, die Frauen zu sehen. Es wirkte höchstens blasiert auf seine Zuhörer.
"Ihr seid noch nicht miteinander bekannt, oder?“, erkundigte sich Trevian.
"Aber wir haben voneinander gehört", sagte Quant und gab Elsa die Hand. "Wenn ich Sie Trevian abspenstig machen will, dann auch wegen Ihrer vielen hübschen Freundinnen. Schöne Frauen bringen mich um den Verstand. Was soll man da machen?" Er lächelte schicksalsergeben und dachte, dass es eine schon peinliche Ähnlichkeit mit Elsas Lächeln bei Trevians Vorstellung hatte – als äffe er sie nach, um sie zu verspotten. Aber niemand schien etwas davon zu bemerken.
"Oh, Sie meinen wahrscheinlich meine Freundinnen aus dem Kurs?"
"Ja, ich hab' Sie alle kürzlich zusammen in einem Lokal sitzen sehen. Warten Sie mal, das war bei …"
"Was für ein Kurs denn?“, erkundigte sich Trevian. "Davon weiß ich ja noch gar nichts."
"Alte Benimmformen", sagte Elsa, man merkte ihr an, dass sie ungern darüber sprach. "Klassische Konventionen."
"Was soll das nun wieder sein?" Trevian beugte sich verständnislos vor. Sein Blick schien sagen zu wollen: Bin ich vielleicht im falschen Universum? "Etwa ein waschechter Weiberklub? Und Ihr trefft euch heimlich in Lokalen?"
"Ich glaube, ich weiß, wovon Elsa spricht", meinte Angela. Sie rührte in ihrer Kaffeetasse und sah etwas verlegen aus, weil sie plötzlich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückte. "war stand zu Beginn des Semesters überall an den Plakatsäulen zu lesen. Ein Volkshochschulkurs, in dem man alte Höflichkeitsformen und Verhaltensweisen lernen kann."
"Sie werden analysiert", berichtigte Elsa. "Und natürlich kann man sie auch lernen. Wir machen kleine Gruppenspiele wie beim Schauspielunterricht. Wir wollten einfach weg von all dem öden Diskotheken- und Videoclipkram und uns mal um was anderes kümmern. Nicht weil wir altmodische Jungfern sind, sondern weil es Spaß macht. Wusstet ihr, dass man vor hundert Jahren völlig andere Konversationsformen pflegte? Man versuchte die Argumente des anderen zu verstehen. Heutzutage hat jeder zu allem und jedem sofort eine fertige Meinung. Oder dass es in Spanien als ungehörig gilt, jemanden, der anwesend ist, zu verspotten?"
"Und Sie und Ihre Freundinnen können damit was anfangen?“, fragte Quant. "Hat das denn irgendeinen praktischen Wert? Ich meine, ich käme mir etwas blöd vor, wenn ich mich jetzt plötzlich wie ein Mensch aus dem achtzehnten oder neunzehnten Jahrhundert benehmen sollte. Ach hör mal, Angela, was hältst du eigentlich davon, wenn du morgen Abend mit mir ins Kino gehst?"
"Morgen Abend?"
"Vielleicht läuft ja sogar irgendwo ein Musikfilm mit Tom Sighcore. Na, wie auch immer. Ich gebe dir mal meine Telefonnummer."
Angela steckte Quants Visitenkärtchen ein. "Vielen Dank für das Heft. Jetzt muss ich aber gehen – bevor mein Bus fährt. Nein, Sighcore dreht überhaupt keine Musikfilme. Nur diese scheußlichen Videoclips", sagte sie und bedachte Elsa mit einem Blick, als sei sie nicht ganz richtig im Kopf.
"Lieber Himmel, hast du ihren Blick gesehen?“, fragte Trevian. "Die Kleine ist verknallt in dich."
4
Bevor er das Haus betrat, beobachtete er immer sorgfältig die Umgebung. Hatte sich irgend etwas verändert? Er ging die Allee bis zum Kiosk entlang, kaufte bei der freundlichen alten Frau mit den Goldzähnen, einer Aussiedlerin aus Kasachstan, irgend etwas Belangloses, eine Zeitung oder eine Schachtel Zündhölzer, plauderte über Gott und die Welt mit ihr und versuchte sich ein möglichst genaues Bild zu machen.
Wer beobachtete ihn aus den umliegenden Häusern? Stand dort jemand hinter der Gardine? Welche parkenden Fahrzeuge waren auffällig?
Am auffallendsten waren die, die betont unauffällig wirken wollten. Drückte sich vielleicht sogar irgendwo ein verdammter Privatdetektiv herum, der ihm auf die Spur gekommen war?
Zwischen den Obstbäumen und alten Platanen sah das Haus mit seinen beiden Backsteinkaminen und dem provisorischen Stück Maschendraht in der Mauer immer etwas düster aus, besonders in der Dämmerung und wenn man sich noch nicht an seine altmodischen Erker und die kuriosen roten Zinnen auf den Türmen