Moby Dick. Herman Melville

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Название Moby Dick
Автор произведения Herman Melville
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752992410



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Peleg!« sagte Bildad mit fester Stimme, »ob dein Gewissen zehn Zoll oder zehn Faden tief ins Wasser gesunken wäre, kann ich nicht sagen. Aber du bist immer noch ein verstockter Sünder; ich befürchte, daß dein Gewissen leck ist und schließlich in dem tiefsten Höllenpfuhl versinken wird.«

      »In dem Höllenpfuhl? Das ist eine Beleidigung! Du beleidigst mich über alles Menschenmaß hinaus. Es ist eine Unverschämtheit, zu sagen, daß ein Mensch für die Hölle bestimmt ist. Blitzschwerenot! Bildad, sag' das noch einmal, und ich will einen lebendigen Ziegenbock mit Haut und Haar auffressen! Hinaus aus der Kabine, du heuchlerisches schwindsüchtiges Musketengesicht. Hinaus mit dir!«

      Als er diese Worte hervordonnerte, wollte er auf Bildad losspringen, aber dieser wich ihm mit einer erstaunlichen Geschicklichkeit aus.

      Ich war über diesen furchtbaren Zornesausbruch der beiden Hauptbesitzer des Schiffes entsetzt und wollte schon darauf verzichten, auf einem Schiff mitzufahren, das so merkwürdige Herren hatte. Ich machte Platz, um Bildad entweichen zu lassen, der ohne Zweifel vor der Wut Pelegs verschwinden musste.

      Aber zu meinem Erstaunen setzte er sich mit aller Seelenruhe auf seinen Heckbalken nieder und schien nicht im entferntesten daran zu denken, zu verschwinden. Er schien an den verstockten Peleg und seine Art gewöhnt zu sein. Peleg setzte sich, nachdem seine Wut verraucht war, wie ein Lamm hin, wenn er auch noch etwas nervös zitterte.

      Schließlich sagte er: »Die Sturmbö ist wohl auf die Leeseite gegangen, Bildad. Du konntest doch immer so gut eine Lanze scharf machen. Willst du mal die Feder spitzen? Mein Messer muss geschliffen werden! Da ist er. Danke, Bildad! Nun, junger Mann, du heißt doch Ismael? Komm mal her, Ismael. Für den dreihundertsten Anteil kannst du bleiben!«

      »Kapitän Peleg,« sagte ich, »ich habe einen Freund, der auch mit auf das Schiff will, soll ich ihn morgen mitbringen?«

      »Ich habe nichts dagegen,« sagte Peleg, »bring' ihn mal her, und wir wollen ihn uns mal ansehen.«

      »Welchen Anteil will er denn?« knurrte Bildad und sah von dem Buch auf, in das er sich wieder vergraben hatte.

      »Bekümmere dich nicht darum, Bildad!« sagte Peleg. »Versteht er etwas von der Walfischjagd?« wandte er sich an mich.

      »Er hat unzählig viele Wale getötet, Kapitän Peleg.«

      »Nun, du kannst ihn ja mal herbringen!«

      Nachdem ich die Papiere unterzeichnet hatte, ging ich fort. Es war kein Zweifel darüber, daß ich den Morgen gut ausgenutzt hatte.

      Aber ich war noch nicht weit fort, da machte ich mir Gedanken, daß der Kapitän, mit dem ich segeln sollte, sich nicht gezeigt hatte. Aber in vielen Fällen ist ein Walschiff völlig ausgerüstet und hat die ganze Mannschaft schon an Bord, wenn der Kapitän erscheint und den Befehl übernimmt. Diese Fahrten dauern oft so lange, und die Augenblicke, wo das Schiff zu Hause ist, sind so kurz, daß der Kapitän, wenn er Familie oder etwas Ähnliches hat, sich nicht viel um sein Schiff im Hafen kümmern kann, sondern alles den Schiffsherren überlässt, bis alles zur Abfahrt bereit ist. Natürlich ist es ganz gut, wenn man ihn vorher gesehen hat, bevor man sich ihm unwiderruflich ausliefert. Als ich mich umwandte, redete ich Kapitän Peleg an und erkundigte mich, wo man den Kapitän Ahab antreffen könnte.

      »Was willst du denn von Kapitän Ahab? Es ist alles in Ordnung; du bist angemustert.«

      »Aber ich möchte ihn gerne sehen.«

      »Das wird jetzt kaum möglich sein. Ich weiß nicht, was er jetzt treibt. Aber er hält sich zu Hause auf, er ist wohl krank und sieht doch nicht so aus. Auf jeden Fall, junger Mann, will er mich nicht gern sehen. Daher nehme ich an, daß er dich auch nicht gern sehen will. Er ist ein wunderlicher Mann. Das meinen wenigstens einige, aber er ist ein guter Kerl. Er wird dir schon gefallen. Hab' nur keine Angst! Er ist ein vornehmer, wenn nicht gerade gottesfürchtiger, aber göttlicher Mann, der Kapitän Ahab. Macht nicht viele Worte, aber wenn er etwas sagt, kannst du ihm wohl zuhören. Das sage ich dir von vornherein: Ahab ist kein Alltagsmensch. Ahab ist auf den Schulen gewesen und ebenso unter den Kannibalen. Er hat größere Wunder als die des Meeres kennengelernt. Er hat mit seiner feurigen Lanze auf mächtigere Feinde, als auf Wale gezielt. Er führt die kühnste und sicherste Lanze von unserer ganzen Insel. Das versteht er besser als der Kapitän Bildad und als der Kapitän Peleg. Er ist eben Ahab, mein Junge, und Ahab, der alte Ahab, war, wie du wohl weißt, ein gekrönter König.«

      »Und ein ganz verderbter dazu! Als der böse König erschlagen war, haben da die Hunde nicht sein Blut geleckt?«

      »Komm mal hierher«, sagte Peleg mit einem Blick, der mich erschrecken ließ.

      »Sieh mich an, Bursche! Sag' das an Bord des ›Pequod‹ nicht noch einmal! Sag' das nicht noch einmal! Kapitän Ahab hat sich nicht selbst den Namen gegeben. Es war eine verrückte Laune seiner unglücklichen Mutter, die Witwe war und starb, als er zwölf Monate alt war. Und doch sagte die alte Frau Tistig in Gayhead, daß der Name eine prophetische Bedeutung hätte. Vielleicht werden die anderen Narren dasselbe erzählen. Ich möchte dich nur warnen. Es ist eine Lüge! Ich kenne Kapitän Ahab sehr gut, ich bin mit ihm als Maat gefahren. Ich weiß, daß er ein guter Mensch ist, nicht so fromm, wie Bildad, aber er ist ein guter Mann, der auch fluchen kann, so wie ich etwa – aber er ist viel mehr wert als ich. Ja, ich weiß, daß er nie sehr lustig war, und ich weiß, daß er auf der Heimreise ein wenig schwermütig schien. Aber das kam wohl von den brennenden Schmerzen in dem blutenden Stumpf. Ich weiß auch, daß er, seitdem er das Bein durch den verdammten Wal verloren hat, schwermütig, verzweifelt und wild ist. Aber das wird wohl vorübergehen. Und ein für allemal laß dir gesagt sein, junger Mann, es ist besser, man fährt mit einem schwermütigen guten Kapitän, als mit einem schlechten, der immer lacht. Nun leb' wohl – und tue dem Kapitän Ahab nicht Unrecht, weil er zufällig einen schlechten Namen hat. Außerdem ist er verheiratet seit den beiden letzten Fahrten mit einem lieben Mädchen, das sich in alles fügen kann. Denk' daran, daß der alte Mann von dem lieben Mädchen ein Kind hat! Du musst nicht glauben, daß Ahab nur unglücklich und hoffnungslos verloren ist. Nein, mein Junge, so unglücklich und geknickt er auch ist, so hat er doch seine guten Eigenschaften!«

      Als ich fortging, hatte ich den Kopf voll von Gedanken. Was ich zufälligerweise von dem Kapitän Ahab gehört hatte, erfüllte mich mit einem gewissen schmerzvollen Mitleid. Er tat mir leid, aber ich weiß nicht, weshalb. Vielleicht war es der grausame Verlust seines Beines. Zu gleicher Zeit empfand ich merkwürdige Ehrfurcht vor ihm, aber diese Ehrfurcht war eigentlich nicht Ehrfurcht. Es fällt mir schwer, dieses Gefühl zu beschreiben. Aber ich empfand es, und es zog mich zu ihm hin, wenn ich auch über das Geheimnis, das in ihm steckte, eine gewisse Ungeduld empfand. Schließlich wurden meine Gedanken in andere Bahnen gelenkt, so daß der mystische Ahab meinen Vorstellungen entschwand.

      Viertes Kapitel

      Wir gingen den Kai hinunter, bis wir an das Schiff kamen. Queequeg trug seine Harpune, und Kapitän Peleg begrüßte uns mit seiner rauen Seemannsstimme von dem Wigwam aus. Er sagte, er hätte nicht angenommen, daß mein Freund ein Kannibale wäre. Er müsste uns mitteilen, daß Kannibalen an Bord des Schiffes keinen Zutritt hätten, es sei denn, daß sie vorher ihre Papiere vorgezeigt hätten.

      »Was verstehen Sie darunter, Herr Kapitän?« sagte ich, sprang an Bord und ließ meinen Freund auf dem Kai stehen.

      »Das heißt, daß er seine Papiere vorzeigen muss!«

      »Ja«, sagte der Kapitän Bildad mit hohler Stimme und steckte hinter Peleg den Kopf aus dem Wigwam hervor. »Er muss nachweisen, daß er bekehrt ist. Sohn der Finsternis«, und er wandte sich an Queequeg. »Gehörst du einer christlichen Gemeinschaft an?«

      »Er bekennt sich zur ersten Gemeinschaft der Heiligen«, sagte ich. Nebenbei bemerkt, werden viele tätowierte Wilde, die auf Schiffen von Nantucket fahren, schließlich Christen.

      »Der Gemeinschaft der Heiligen?« rief Bildad. »Was soll denn das heißen? Doch nicht die, die im Versammlungshaus von Colemans diakonischer deuteronomischer Gemeinde ihre Versammlungen abhält?«

      Damit