Название | Der Trinker |
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Автор произведения | Ханс Фаллада |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752999419 |
»Nur weiter, Väterchen«, sagte sie, »du entwickelst dich ... nur weiter ...«
Ich versuchte nachzudenken. Wovon hatte ich eben noch geredet? Das Verlangen, sie zu umarmen, sie zu betasten, wurde fast übermächtig in mir. Aber ich lehnte mich fest in meinen Korbsessel zurück, ich klammerte mich mit meinen Händen an die Lehne. Plötzlich hörte ich mich dann wieder sprechen. Ich sprach ganz langsam und sehr deutlich, und doch war ich atemlos vor Erregung. »Ich bin ein Kaufmann«, hörte ich mich sagen. »Ich hatte ein recht gutes Geschäft, aber jetzt stehe ich vor dem Bankrott. Sie werden mich auslachen, alle, alle, meine Frau zuerst ... Ich habe viele Fehler gemacht, Magda wird sie mir alle vorhalten. Du weißt doch, Magda ist meine Frau ...?«
Sie sah mich unverwandt an, mit ihrem sehr weißen, wie gepuderten Gesicht, das etwas Gedunsenes hatte; hoch und gewölbt standen in ihm über den fast farblosen Augen die dunklen Brauen.
»Aber ich kann noch Geld herausziehen, aus dem Geschäft, ein paar tausend Mark. Ich täte es schon, um Magda zu ärgern. Magda will das Geschäft retten. Ist sie mehr als ich? Ich könnte das Geschäft verkaufen, ich weiß auch schon an wen, es ist eine ganz junge Firma. Er würde mir zehn-, vielleicht auch zwölftausend Mark dafür geben, wir würden auf Reisen gehen ... Warst du schon einmal in Paris?«
Sie sah mich an, keine Zustimmung oder Verneinung war auf ihrem Gesicht zu lesen. Ich redete weiter, schneller, atemloser. »Ich war auch noch nicht dort«, fuhr ich fort, »aber ich habe davon gelesen. Es ist die Stadt der baumbestandenen Boulevards, der weiten Plätze, der laubigen Parks ... Als Junge habe ich ein bißchen Französisch gelernt, aber ich kam zu früh von der Schule, die Eltern hatten nicht Geld genug. Weißt du, was das heißt: ›Donnez-moi un baiser, mademoiselle‹?«
Kein Zeichen von ihr, nicht ja, nicht nein.
»Es heißt: ›Geben Sie mir einen Kuss, mein Fräulein.‹ Aber zu dir müßte man sagen: Donnez-moi un baiser, ma reine! Reine, das heißt Königin, und du bist die Königin meines Herzens, du bist die Königin des Giftes, das in Flaschen verkorkt wird, gib mir deine Hand, Elsabe – ich werde dich Elsabe nennen, Königin – ich will deine Hand küssen ...«
Sie goss mir das Glas voll.
»Da, trink das noch, und dann gehst du nach Hause. Genug – du hast genug getrunken, und ich habe genug von dir. Du kannst die Flasche Korn mitnehmen, du mußt die ganze Flasche bezahlen, zum Gaststubenpreis. Das ist kein Nepp, komm mir morgen nicht, daß ich dich geneppt habe; du hast dir selber eingeschenkt, ich weiß nicht, wieviel ...«
»Rede nicht, Elsabe«, sagte ich prahlerisch-weinerlich. »Nie würde ich so etwas tun! Was ist Geld –!«
»Lehre du mich die Männer kennen! Wenn ihr voll und geil seid, schreit ihr: ›Was ist Geld?‹ Und am nächsten Morgen kommt ihr mit dem Gendarmen und schreit von Nepp. Der Korn und der Sekt und meine Zigaretten – das macht zusammen ...«
Sie nannte eine Summe.
»Wenn es nicht mehr ist!« rief ich wieder prahlerisch und riß meine Brieftasche hervor. »Hier hast du –!«
Ich legte ihr das Geld hin.
»Und hier ...«, ich nahm einen Hundertmarkschein und legte ihn daneben, »der ist für dich, weil ich dich hasse und weil du mich vernichtest. Nimm ihn, nimm ihn schon. Ich will nichts von dir, gar nichts! Geh. Ich habe dich schon so im Blut, ich kann dich nie mehr besitzen, als ich dich in mir habe. Wahrscheinlich bist du öde und langweilig, du bist nicht von hier, natürlich aus irgendeiner Großstadt, wo du alles gelassen hast – das sind ja nur Reste!«
Wir standen uns gegenüber, das Geld lag auf dem Tisch, das Licht war düster. Ich schwankte leise über meinen Füßen, die fast halb geleerte Kornflasche hielt ich am Halse in meiner Hand. Sie sah mich an.
»Steck dein Geld ein!« sagte sie flüsternd. »Nimm dein Geld vom Tisch ... Ich will dein Geld nicht ... Geh ...«
»Du kannst mich nicht zwingen, das Geld wieder zu nehmen, ich lasse es liegen ... Ich beschenke dich, Königin des klaren Korns, Elsabe genannt, ich gehe ...«
Ich ging mühsam auf die Tür zu, der Schlüssel steckte von innen, ich mühte mich, ihn im Schloss zu drehen ...
»Du«, sprach sie dicht hinter mir, »du ...«
Ich drehte mich um. Ihre Stimme war leise gewesen, aber voll und sanft, alles Spröde war aus ihr gewichen.
»Du ...«, wiederholte sie, und in ihren Augen war jetzt Farbe und Licht, »du – willst du?«
Jetzt war ich es, der sie nur schweigend ansah.
»Zieh deine Schuhe aus, sei leise auf der Treppe, die Wirtsleute dürfen dich nicht hören. Komm, mach schnell ...«
Schweigend tat ich, wie sie mir geheißen. Ich wußte nicht, warum ich es tat. Ich begehrte sie jetzt nicht, so begehrte ich sie nicht.
»Gib mir die Hand!«
Sie knipste das Licht aus und führte mich an der einen Hand, in der anderen Hand hielt ich noch immer die Kornflasche. In der Schankstube war es völlig dunkel, ich schlich ihr nach. Durch ein kleines staubiges Fenster fiel auf die verwinkelte enge Stiege Licht vom Mond. Ich schwankte, ich war sehr müde. Ich dachte an mein Bett daheim, an Elsabe, voller Wünsche an den weiten Weg nach Haus.
Es war alles zu viel. Der einzige Trost war die Flasche Korn in meiner Hand, sie würde mir Kraft spenden. Am liebsten wäre ich stehen geblieben und hätte schon jetzt einen Schluck aus der Flasche genommen, so müde war ich. Die Stufen knarrten, die Tür zur Kammer ächzte leise, als sie geöffnet wurde. Auch in der Kammer war Mondschein. Ein Bett, das zerwühlt war, ein eiserner Waschständer, ein Stuhl, ein Kleiderrechen an der Wand ...
»Zieh dich aus«, sagte ich leise, »ich komme dann gleich.« Und mehr zu mir: »Gibt es hier Sterne?«
Ich trat ans Fenster, das den Blick in einen Obstgarten freigab. Ich öffnete einen Flügel; lau wie eine zarte Liebkosung kam die Frühlingsluft herein, voll von Düften und sanftem Wind. Unter dem Fenster lag das schräge Teerdach eines Schuppens.
»Das ist gut«, sagte ich wieder leise, »dieses schräge Dach ist sehr gut ...«
Ich konnte den Mond nicht sehen, er stand hinter dem Hausdach mir zu Häupten. Aber sein Licht erfüllte mit einem weißlichen Schein den Himmel, nur die stärksten Sterne waren zu sehen und auch sie nur matt. Ich war unzufrieden und gereizt.
»Komm schon«, rief sie ärgerlich vom Bett her. »Mach ein bißchen schnell! Denkst du, ich brauch keinen Schlaf?!« Ich drehte mich um, ich neigte mich über das Bett. Sie lag auf dem Rücken, bis zum Halse zugedeckt. Ich streifte die Decke zurück und legte einen Augenblick mein Gesicht gegen ihre nackte Brust. Kühl und fest. Sachte atmend, kühl und fest. Es roch gut – nach Haar und Fleisch.
»Mach doch zu!« flüsterte sie ungeduldig. »Zieh dich aus – laß den Unsinn! Du bist doch kein Schüler mehr!«
Mit einem tiefen Seufzer richtete ich mich auf. Ich ging an das Fenster, nahm die Flasche und schwang mich hinaus auf das Schuppendach. Ich hörte einen ärgerlichen zornigen Ruf hinter mir. Aber ich ließ mich schon hinab in den Garten.
»Besoffener alter Trottel!« rief sie oben, dann schlug das Fenster zu.
Ich stand zwischen Büschen, ich roch den Duft des Flieders. Die Frühlingsnacht war ganz rein. Ich setzte die Flasche an den Mund und trank lange –.
7
Ich gehe und gehe. Ich marschiere und singe mir ein Lied dazu, eines jener Wanderlieder, die ich früher bei Ausflügen mit Magda sang. Dann humpele ich wieder lange Strecken auf schmerzenden Füßen. Ich habe mir eine