Der Trinker. Ханс Фаллада

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Название Der Trinker
Автор произведения Ханс Фаллада
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752999419



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zuhören. Ich war nicht eigentlich müde, aber ich war all dieser Dinge so müde, dieser unermüdlichen Geschäftigkeit – um gar nichts. Denn was war das, Honig versenden? Es war nichts, die Leute aßen ihn, und dann war es wieder vorbei, es war wie Seifenblasen, ein schillerndes Nichts mit wenig Luft gefüllt in sehr viel Licht. Es zerplatzte, nichts blieb, alles Täuschung und schwarze Magie! ›Ach, geh doch weg du! Rede nicht ewig, schwätze nicht so viel! Laß mich in Frieden! Was rennst du dich ab? Es gibt hunderttausend und Millionen Firmen auf der Welt; glaubst du, deine ist wichtig? Sie ist ganz schnurz, nicht einmal eine Fliege kümmert sich darum! Ja, wenn ich jetzt einen Schnaps hätte, dann könnte ich dir wieder mit Aufmerksamkeit zuhören; ich könnte wohl einen holen, ich könnte mir eine ganze Buddel Schnaps durch Else aus der nächsten Kneipe holen lassen, aber ich kann's nicht tun, weil du hier rumsitzt und ewig schwätzt. Weil du in meinem Leben rumsitzt, darum kann ich nicht tun, was meinem Leben gefällt. Nein, nein, es ist natürlich nicht so schlimm gemeint, ich habe sie schon ganz gerne, die Magda, aber es wäre furchtbar nett von ihr, wenn sie sich mal für eine Weile gänzlich aus meinem Leben verdünnte; Kuh, diese langweilige, ewig schwätzende!‹

      Ich hatte mich während dieses Selbstgespräches immer mehr in einen heftigen Zorn hineingeredet; nun stand ich plötzlich auf und sagte brüsk zu der völlig überraschten Magda, daß ich wegen starker Kopfschmerzen noch eine Viertelstunde spazierengehen wollte ... nein, danke, keine Begleitung ... Und damit war ich schon draußen, und es war mir wirklich ganz egal, was sie von mir dachte, oder ob ich schon wieder Gefühle bei ihr verletzt hatte. Ich ging nur um sieben oder zehn Ecken, bis ich in eine Gegend kam, wo ich mich unbekannt glaubte, und trat dort in eine kleine Kneipe und bat den dicken bärtigen Wirt um einen doppelstöckigen Kognak ... Als ich den dritten kippte, denn ich wollte mich für die Nacht ausgiebig verproviantieren, sagte der Wirt langsam: »Das kennt man ja gar nich bei Sie, Herr Sommer. Sie haben wohl eine kleine Erkältung –?« Ärgerlich, ein so bekannter Mann zu sein, verzichtete ich auf den vierten und machte mich wieder auf den Heimweg. Ich lutschte meine süßen Atembonbons, und auch dabei ärgerte ich mich wieder über Magda, die mich zwang, den schönen Kognakgeschmack durch solch süßliche Mundparfüms zu vertreiben.

      Sie erwartete mich noch, wahrscheinlich wollte sie mich wieder auf ihren langweiligen Honig locken, aber ich ging direkt ins Schlafzimmer und redete auch nur noch ein paar mürrische Worte, Fortbestand starker Kopfschmerzen vorgebend. Dann schlief ich rasch ein.

      Aber mitten in der Nacht, kurz nach ein Uhr, stand ich schon wieder barfüßig im Pyjama in der Speisekammer und leerte rasch nacheinander, was noch in den drei Flaschen drin war. Und während ich noch die letzte Flasche am Munde hatte, wurde mir mit schrecklicher Gewissheit klar, daß ich verloren war, daß es keine Rettung mehr für mich gab, daß ich dem Alkohol gehörte mit Leib und Seele. Nun war es gleichgültig geworden, ob ich noch einige Tage oder Wochen irgendwelchen Schein von Anstand und Sitte aufrecht erhielt – es war doch vorbei. Sie sollte nur kommen, die Magda, und mich hier trinken sehen. Ich würde ihr ins Gesicht sagen, daß ich ein Trinker geworden war, und sie hatte mich dazu gemacht, sie mit ihrer infernalischen Tüchtigkeit!

      Aber sie kam nicht. So ließ ich die drei leeren Flaschen offen dastehen und legte die Korken daneben; mochten sie wissen, alle wissen, Magda, Else, wer noch wollte –: es war doch alles egal!

      Dann aber, gegen Morgen, mein Herz ging so schwer, stand ich noch einmal auf, leckte gewissermaßen den allerletzten Tropfen aus den Flaschenhälsen, füllte Wasser ein, halb oder ein drittel, je nachdem, verkorkte sie und stellte sie wieder an ihre alten Plätze. So gewann ich wieder eine Anstandsfrist von ein oder zwei Tagen ...

      10

      In der nun folgenden Zeit besuchte ich mein Kontor ziemlich regelmäßig und leistete auch einige Arbeit, nicht aus Lust daran, sondern einer alten Gewohnheit folgend, mit der nicht sofort zu brechen war, und aus Scham vor Magda. Magda war sehr still geworden, wir sprachen beide nur noch das Allernotwendigste miteinander. Am lebhaftesten ging es noch zwischen uns zu, wenn Dritte zugegen waren, Hinzpeter oder Else oder Kunden. Dann konnten wir sogar Späßchen miteinander machen, der vergnügte Ton früherer Ehejahre schien wiedergekommen, kaum aber hatte sich die Tür hinter jenen Dritten geschlossen, so verstummten wir auf einen Schlag, meine Miene wurde eisig, und Magda fing an, emsig mit Papier zu rascheln. Sie hielt sich in dieser Zeit ständig in meiner Nähe. Nicht daß sie mit mir zum oder vom Kontor gegangen wäre, aber drei oder zehn Minuten nach mir tauchte sie bestimmt auf, der Haushalt lag ganz in Elses Händen. Natürlich hatte solche Beaufsichtigung nicht den geringsten Einfluß auf mich, ich tat doch, was ich wollte, das heißt: ich trank nach Bedürfnis. Von der Gewohnheit der kleinen Gläschen war ich zu der der großen Schlucke aus der Flasche übergegangen. Ich hielt mir immer eine solche Flasche in meinem Schreibtisch auf dem Kontor und eine zweite in einer Ecke des Badezimmerschrankes daheim. Es machte mir Vergnügen, diese Flaschen gewissermaßen unter Magdas Augen einzuschmuggeln, in der Aktenmappe oder gar in der Hosentasche, vom Jackett verdeckt. Wenn ich meine Vorratsdepots frisch versorgt hatte, erfüllte mich ein wirkliches Glücksgefühl, als sei ich reicher geworden. Bei dem geringsten Anzeichen von Durst schon konnte ich einen Schluck nehmen. Zu Hause im Badezimmer war das einfach genug, aber auf dem Kontor, das Magda mit mir teilte, gab es manchmal Schwierigkeiten. Dann saß ich viele Minuten und grübelte über einen Vorwand, sie hinauszuschicken. Einmal, als mir gar nichts einfiel, ging ich sogar so weit, daß ich heimlich in ihrer Gegenwart – der Schreibtisch deckte mich gegen Sicht – die Flasche entkorkt auf den Boden stellte, dann den Radiergummi zu Boden fallen ließ und ihn mir umständlich suchte, zuletzt auf allen vieren, wobei ich unter der Wölbung des Schreibtisches, sehr vergnügt über meine List, beträchtlichen Kognak in mich hineingluckern ließ.

      Ich wechselte meine Ansicht, wie weit Magda mich durchschaute, fast stündlich. Meist war ich fest davon überzeugt, daß sie gar nichts ahnte, zu anderen Stunden, namentlich wenn ich mißmutig und gereizt war, wußte ich es beinahe, daß sie mich ganz und gar durchschaute. Dann grübelte ich wieder. Manchmal ging ich lange Zeit im Kontor nachdenkend auf und ab, immer an Magdas Platz vorüber; dann war ich böse, wie ich es nannte, nicht auf etwas speziell, nicht einmal auf Magda, sondern ich war einfach böse, wie eben ein Mensch schlecht und böse sein kann, von Urgrund her, so ist er einmal, so böse war ich, und ich suchte einen Grund, mit ihr Streit anzufangen. In diesem Streit wollte ich die Gewissheit aus ihr herauslocken, ob sie gar nichts oder alles wußte, und wußte sie alles, so wollte ich auch den letzten Schein von Anstand fallen lassen. Gerade in ihrer Gegenwart, in der Anwesenheit meiner nüchternen, sauberen, tüchtigen Frau wollte ich mich toll und voll saufen, ich wollte die Füße auf den Schreibtisch legen und wüste, schweinische Lieder singen und zotige Redensarten gebrauchen – welche Wollust, sie mit in den Dreck zu ziehen, ihr zu zeigen: den hast du einmal geliebt, und unter deiner Liebe ist er so geworden ... Nun gerade! Geht her! –

      Ich ging immer schneller auf und ab, ich genierte mich nicht mehr, ich warf ihr böse, herausfordernde Blicke zu, aber dann, direkt vor meinem Ausbruch, stand sie stets auf und verließ das Kontor. Ich aber starrte ihr nach, ich starrte wütend die braun gemaserte Tür an, ich ballte die Fäuste, ich knirschte mit den Zähnen: ›Feige ausgerissen, aber das hast du aus mir gemacht, du – Tüchtige!‹ Schließlich setzte ich mich wieder an meinen Schreibtisch, trank kräftig und wurde müde und sanft.

      Übrigens, wenn ich gesagt habe, ich hätte meine Arbeit nur so so gemacht, aus alter Gewohnheit, so ist nicht einmal das ganz richtig: man soll sein Licht auch nicht unter den Scheffel stellen. Der Alkohol machte es, daß ich in dieser Zeit viel von meiner vornehmen Chef-Zurückhaltung verlor, ich konnte mit der Landkundschaft viel besser schwätzen, wir klopften einander auf die Schulter, erzählten uns Witzchen, wobei wir uns achtsam umsahen, ob Magda auch nicht in der Nähe war, und dabei gelang mir mancher ungewöhnlich vorteilhafte Abschluss. Was ich früher nie getan hatte, wofür ich mich zu fein gehalten hatte und meine Firma zu ansehnlich, das tat ich jetzt gerne: ich ging mit den Landwirten in eine kleine Kneipe, und dort, über einem zerschnitzelten Lindenholztisch, auf dem unsere Stangen kreisrunde nasse Ränder hinterließen, erzählten wir uns vielerlei, tranken noch mehr, und ich kaufte von den oft stark Angetrunkenen zu vorteilhaftesten Preisen. Wenn ich dann, wieder auf dem Büro angelangt, dem Hinzpeter diese Abschlüsse zur Verbuchung angab, sah ich wohl die Blicke, die