Название | Der junge Goedeschal |
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Автор произведения | Ханс Фаллада |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752999341 |
»Ach, Arne, viel Lust habe ich überhaupt nicht.«
»Hast du Angst?« fragte Arne und sah ihn gemacht spöttisch an.
»Angst, ach was! Aber was soll ich da? Was soll ich mit den Mädchen reden? Laß mich aus!«
»Nein, mein Junge, du kommst mit. Immer klagst du über Langeweile, aber du tust nur nichts dagegen.«
»Du sagst ja selbst, es wird nichts. Oder glaubst du, sie fliegt mir beim erstenmal um den Hals?« Leiser danach: »So bin ich doch nicht.«
»Laß nur, ich finde schon etwas. Du mußt natürlich mit Klotzsch und Lehmann, ihren Verehrern, fertig werden, aber das wird schon.«
»Wenn ich nun aber doch nicht mag!«
»Ich bitte dich, Kai!«
»Was hast du davon?«
»Ich kann das nicht ansehn, du verdummst ja in deinem Alleinsein. Du weißt ja von nichts. Von nichts hast du eine Ahnung.«
Arne sagte das in einem besonderen Ton, eine leichte Röte stieg in seine Wangen, und er sah rasch von Kai fort.
»Was meinst du?« fragte der hastig, »von was habe ich keine Ahnung?«
Arne schwieg. »Nein, nun sprich«, wiederholte Kai.
»Ach, ich meinte nichts Besonderes. Du weißt eben nichts von der Welt, von den Menschen.« Dann langsamer: »Nichts von den jungen Mädchen.«
Kai zuckte mit den Achseln. »Ich weiß schon genug. Das alles ist doch ein Blödsinn, dieses Verlieben. Heiraten könnt ihr ja doch nicht.«
»Und warum nicht, bitte, lieber Kai?«
»Willst du dein Fräulein Reiser heiraten? Oder meinst du, ich mein Fräulein Lorenz? Da glaubst du selbst nicht daran.«
»Reden wir von etwas anderem«, sagte Arne, »du verstehst mich nicht oder willst mich nicht verstehen. Es geht doch wahrhaftig nicht ums Heiraten.«
»Sondern?«
»Ach was, jetzt laß die Sache in Frieden. Du kommst eben mit.«
»Meinethalben«, sagte Kai und dann, spöttisch: »Zum Heiraten.«
Sie schwiegen. Kai sah gedankenvoll über ein Dach fort in den dunkleren Himmel. Was er mit Arne geredet, hatte ihn kaum gestreift, tiefer drinnen saß jenes halb erschaute, helle Mädchenprofil, ihm dadurch nähergebracht, daß er noch heute Abend hingeneigt zu ihm sprechen würde. Heute Abend, noch heut Abend. Heute Abend etwas anderes, nicht diese selben Tische, Stühle, Teppiche, Schränke, Bücher, nicht die Gesichter der Eltern, sondern die erhellte Weite eines Tanzsaales. Er lächelte, aber sein Lächeln zerging, als er daran dachte, daß er würde sprechen müssen. Was sagen? Was tun? Er sah sich im Kreis der andern stehen: nun soll er reden, aber er schweigt, er findet die Worte nicht, eine glühende Hitze steigt von den Füßen in ihm auf, flockiger Nebel durchzieht sein Gehirn, der die Worte sinnlos getrennt in der Luft hängen läßt, und dann ist nur ein Bild da, ein Bild: ihr stumpfes Profil, blaß, weiß, mit den schmalen, kaum geröteten Lippen. Kai räuspert sich, er setzt an, er will sagen: »Arne, ich gehe nicht«, aber er schweigt. Denn so erschreckend dieses Gesicht dort in der Luft hängt, so süß ist doch auch sein Anblick. Nun, wenn er auch schweigt, er wird nahe sein, so nahe. Und dann ist das andere da, das Zuhaus, das trübe Zimmer, der endlose Abend, mit tausend gleichen vorher, tausend gleichen danach, grau, abgegriffen, trostlos. Nein, nur das nicht, besser alles andere als dies. »Ich bin ja gar nicht anders wie die anderen. Ich bin nur schüchtern. Nur diesmal, weil es das erste Mal ist.«
Es klopfte. Werner Klotzsch trat herein. »Was, noch nicht fertig? Höchste Eisenbahn!«
»N'Abend, Klotzsch, immer langsam voran, wir kommen noch Zeit satt.«
Klotzsch trat zum Schreibtisch, stöberte in den Büchern. »Noch nicht Homer präpariert?«
»Brauchen wir gar nicht«, sagte Arne, »morgen schreiben wir vier Stunden Mathematik. Vorher Sallust. Also?«
»Hab ich gar nicht dran gedacht.«
»Ein schlimmer Tag für euch beide«, meinte Arne.
»Ich bin fein raus«, lächelte Klotzsch überlegen, »Lehmann gibt mir die Lösungen.«
»Lehmann? Ausgerechnet Lehmann«, fragte Arne, »dein Nebenbuhler? Wie das?«
»Ich hab ihm einen Tanz mit Fräulein Lorenz dafür abgetreten.«
Kai und Arne lachten, endlos und ein wenig übertrieben. »Du bist gut«, rief Arne.
»Das grenzt an Mädchenhandel«, sagte Kai und zog seinen Mund überlegen breit.
»Findet ihr es schlimm?« Klotzsch wurde ängstlich.
»Nein, nein, nur genial.«
»Ob ich es rückgängig mache?«
»Um Gottes willen! Laß es so, was soll wohl aus deiner Mathematikarbeit werden? Ich habe schon Kai auf dem Hals.«
Kai fuhr hoch, sah Arne an. »Ich verlasse mich auf dich.«
»Darfst du, darfst du, um ein halb zwölf stecke ich dir die Resultate zu.«
Entschuldigend sagte Kai: »Es ist zu dumm, daß ich in Mathematik so minderbegabt bin, aber ich kann mir die größte Mühe geben, ich kapiere nichts. Und noch eine Fünf geht wegen der Versetzung nicht.«
»Ich helfe dir ja schon«, wiederholte Arne. Eine Weile schwiegen sie, dann fragte Arne wieder: »Sag einmal, Klotzsch, wer steht eigentlich mit Fräulein Lorenz besser, du oder Lehmann?«
»Nun ich, selbstverständlich.«
»Ich finde das gar nicht so selbstverständlich.«
»Nun, ich bin doch oft mit ihr im Wandervogel zusammen. Wir nennen uns doch auch du und so.«
Arne warf auf Kai einen Blick, aber der schwieg, und so sagte denn Arne mit viel Bedeutung: »Bist du nun eigentlich auch schon im Wandervogel, Kai?«
Kai fuhr auf. »Ich? Wieso? Ach so, ja natürlich. Hast du mich nun endlich angemeldet, Klotzsch?«
»Ich dich? Aber nein!«
»Wie oft soll ich dich denn noch bitten?«
»Du in den Wandervogel? Nie hast du auch nur ein Wort davon gesagt! Nur geschimpft hast du drauf.«
Arne griff ein. »Ich selber bin dabei gewesen, wie dich Kai auf dem Hof darum bat.«
Klotzsch sah zweifelnd von einem zum anderen. »Sollte ich das überhört haben?«
»Aber natürlich.«
Kai fragte: »Willst du es nun erledigen oder nicht?«
»Ja, aber gewiß doch. Nur verstehe ich nicht ...«
»Gott, ich will einmal sehen, was ihr treibt. Aber bald, ja?«
»Selbstverständlich. Gleich morgen.«
Dann zum Essen. Arne und Kai das Gesicht leicht gerötet vom Widerschein eines Triumphes, den sie verschwiegen und schlau über ihren Gefährten errungen hatten und der ihnen der Vorläufer weiterer Intrigen zu sein schien.
5
Gleich am Eingang des Saals verlor Kai seine Freunde. Zu spät gekommen, hatten sie ihn sofort verlassen, um ihre Damen zu suchen. An eine Säule gelehnt sah Kai ihnen nach, verlor sie aus den Augen, und nun war nichts mehr da als die flatternden weißen und bunten Mullkleider der Mädchen. Eben begann der Klavierspieler einen Walzer, und wie sie dort am Arme ihrer Tänzer dahinflogen, schienen sie Kai fremde, rätselhafte Blumen, denen er nie nahkommen würde. Vergebens suchte er ihre Gesichter zu erraten, diese Gesichter aus Weiß, Rosa und Rot mit den immer anderen Strichen der Augenbrauen, er kam ihnen nicht näher. Sie schienen einer fremden Gattung anzugehören,