Der junge Goedeschal. Ханс Фаллада

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Название Der junge Goedeschal
Автор произведения Ханс Фаллада
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752999341



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nichts, ich habe mich über Tappert geärgert.«

      »Nanu? Er lobte dich über den grünen Klee.«

      »Das ist's ja grade. Du hast natürlich wie immer nicht aufgepaßt.«

      »Bitte. Bitte.« Arne warf sein Gesicht vor, bewegte die Hände salbungsvoll durch die Luft und imitierte verzerrt und faul: »Eine wackere Leistung, Goedeschal. Trefflich nachempfunden. Was denn?«

      »Du hast es gehört und fragst, warum ich mich ärgere?«

      »Hauptsache ist die Eins.«

      »Die Eins ist belanglos, wenigstens für mich. Den Eltern, Paukern und so weiter ist sie natürlich die Hauptsache. Aber –« Kai blieb am Fenster stehen, trommelte gegen die Scheiben und überlegte, während er auf den von einem Schneeschauer überpeitschten Schmuckplatz sah, ob er nicht doch lieber schweigen sollte. Aber die Lust zu sprechen war größer als die kleine, im Hintergrund liegende Hemmung. »Ich sagte vorhin: Unzulänglichkeit des Daseins, im Scherz. Nun wiederhole ich es ernsthaft.«

      »Was hat das mit deinem Aufsatz zu tun?«

      »Du wirst hören.« Kai schwieg. Er dachte nach, vieles drängte. Um den Worten mehr Gewicht zu geben, bildete er – unbewußt – am Munde zwei Falten, die er dann doch gleich als romanhaft markant ärgerlich mit der flachen Hand fortstrich. Er spürte auf den Lippen einen tauben Reiz und sagte nun hastig: »Hast du's nicht schon gefühlt, morgens beim Aufstehen, daß alles so trostlos grau war? Schule, Schule, nicht abzusehen, immer Schule, Arbeiten, Pauker, dann die Eltern, nichts, nichts. Alles war schon da, alles so alt, so reizlos. Du besinnst dich, du überlegst, was zu hoffen sei, was Neues. Du findest nichts. Am Ende scheint es dir so sinnlos, dich überhaupt anzuziehen, wozu? Lebst du denn? Was ist das? Eine Maschine, die rattert. Immer den gleichen Gang. Du faßt die Stühle an, siehst dich im Spiegel – alles war schon da, wird so immer da sein. Und während du dann am Fenster stehst, überkommt es dich plötzlich. Deine Handgelenke brennen. Von oben möchtest du sie in das spitze, splitternde Glas hineinschlagen, in die Pulsadern, so, so – nur damit du fühlst, am roten Strömen deines Blutes fühlst: du lebst, lebst, lebst.«

      Arne machte eine Bewegung, Kai rief hastig: »Nein, jetzt nicht!« Er ging schnell auf und ab; dann ruhiger: »Mehr: oder dann, abends, im Einschlafen, wenn ich träume, ist es, als ob ein Schleier fällt und noch einer und wieder einer. Ich stehe auf den Zehen, dränge mich an die Luft, schmiege mich in sie hinein, näher, näher, ich zittere. In den Fingerspitzen bebt schon die Nähe wärmerer Ströme. Aber dann – dann ist ein Widerstand da, nichts von außen, in mir – nein, nein, auch nicht in mir, – – – ein Widerstand, und grenzenlos enttäuscht sehe ich nichts als Schleier, Nebel, Nebel.«

      »Das verschleierte Bild von Sais, mein Lieber, das haben wir alle gefühlt.«

      »Wie falsch, oh, wie falsch, was du sagst. Hat's dich nie überrascht, wenn du etwas redetest, ganz plötzlich, sehr heiß: dies hast du doch nicht gesagt? Eben sprach doch etwas aus dir? – Oder – du liegst im Bett, und dann merkst du ein warmes Quellen in der Nähe, du ahnst die Wärme eines andern Körpers, und du duckst dich ganz hinein in dich, du wirst ganz klein, nur noch Kern, und deine Nervenspitzen stecken voll Warten in der Dunkelheit, und du wartest, du atmest nicht, warten, warten ... jetzt! Jetzt kommt es! – Du wirfst die gespreizten Hände in die Luft – – – nichts! nichts! Es war wieder nichts!«

      Stille. Auf dem Gang draußen Schritte, die näherkamen, an der Tür zögerten und weiter verhallten. Eine Tür klappte. Arne warf von der Seite einen raschen Blick auf den Freund und sah verlegen fort.

      »Aber das alles ist nicht das Schlimmste. Es gibt anderes. Grauenhaftes. Hast du schon einmal die Augen der Leute angesehen? Auf der Straße? Alle Augen sind gestorben, sind tot. Es ist, als seien Häutchen über sie gewachsen. Manchmal sehe ich mich voll Angst im Spiegel an, voll elender Angst, auch meine Augen könnten schon so sein. Daß ich falsch sehe, falsch sehen muß. Nicht mehr das Leben sehen kann. Und das ist es ja: es muß ja doch kommen, muß doch. Das nun, das ist Fratzerei, Verzerrung, Tod. Und da, im Warten baut man sich etwas, ein Stück Land, ein Fleckchen Garten, das einem selbst gehört, in dem man zu Haus ist, das sagt: du lebst, du bist du.«

      Arne sagte, unüberzeugt: »Ich verstehe. So dein Aufsatz.«

      Kai schwieg, dann wieder stiller: »Als ich schrieb, wanderte ich draußen in der Einsamkeit auf der Suche. Ich stürmte alle Hügel hinan, zu meinen Füßen raschelte das gepantherte Laub des Ahorn. Meine Einsamkeit flog oben am Himmel über mir als Habicht. Ich war es, mein näheres Leben weinte, als ich mein Haupt zwischen Gundermann und Schafgarbe am staubigen Grabenrand schluchzen ließ. Ich schämte mich, als ich den Aufsatz abgab. Nachts zitterte ich, daß hier ein wenig Wahrheit, die ich nie bei andern fand, offen an den Tag trat. Sah ich sein blasses Gesicht mit dem spitz verschnittenen Bart über die Arbeit gebeugt, preßte ich meine Hände zusammen, um nicht aufzuschreien. Dann gab er sie zurück. Es zuckte in seinen Mundwinkeln, als er mich ansah. Ich hätte ihn erschlagen mögen, weil er wußte, es wußte.«

      Er lehnte den Kopf an die Scheiben, er schwieg. Draußen trieb der Ostwind noch immer in schrägen Strichen Millionen Schneeflocken dem Boden zu. Kai folgte einem Kristall, bis es irgendwo im Strudel verschwand, seufzte auf und wandte sich wieder zu Arne, der sprach: »Und was nennst du jenes Leben, auf das du so wartest?«

      Kai sagte still: »Ich weiß es nicht.«

      »Im Grunde möchtest du nur raus, möchtest du nur was anderes. Dieses hier langweilt dich, das ist alles.«

      »Etwas anderes, ja«, wiederholte Kai.

      Nun war Arne im Fluß. »Ich will dir etwas sagen: du lebst zu allein. Ich weiß schon, die andern sind alle Proleten, mit denen komme ich dir auch gar nicht erst. Aber das: du hast dies Pech gehabt mit deiner Krankheit, grade als die Tanzstunde anfing. Wärest du mit dabei, würdest du nicht so reden.«

      Kai lächelte. »Mag sein.«

      »Nein, du brauchst nicht zu lachen, ich meine natürlich nicht das Tanzen, aber die jungen Mädels. So bist du zu allein. Du mußt dich verlieben.«

      »Geht das so auf Kommando?«

      »Du weißt nicht, wie schön das ist, Kai.«

      »Du hast gut reden. Wie soll ich das tun? Ich kann nicht zum nächsten jungen Mädchen auf der Straße sagen: ›Mein gnädiges Fräulein, ich liebe Sie!‹«

      »Natürlich nicht. Aber komm mit in die Tanzstunde. Ich führe dich als Gast ein. Heute haben wir großen Schlussball. Vielleicht, daß du jemand findest.«

      Und, als Kai schwieg: »Fräulein Reiser, meine Dame, hat eine Freundin, die dir gefallen würde.«

      »Wie heißt sie?«

      »Ilse Lorenz.«

      »Ilse Lorenz? Ist das nicht die Flamme von Klotzsch? Ich habe so etwas gehört.«

      »Ach, das ist einseitig. Versuch dein Glück.«

      »Es ist verrückt.«

      »Gerade darum.«

      »Und schon heute Abend?«

      »Ja, mach schnell. Du ißt dann bei mir, und wir gehen zusammen hin.«

      »Muß ich mich umziehen?«

      »Besser schon.«

      Während Arne in einem Buch blätterte und Kai sich umzog, dachte der: »Also das ist es: sich verlieben. Das ist die Arznei, die helfen soll. Du lieber Gott!«

      Aber dann, als sie die gewundene, dunkle Treppe zur Diele hinabtasteten, stieg eine Angst in ihm hoch. »Was tue ich? Fliehe ich vor mir? Ja, ich sehne mich nach Wärme, aber kann die von außen kommen? Ach – vielleicht überhaupt nicht von außen, überhaupt nicht von andern. Vielleicht liegt es an mir.«

      Er atmete hastig. Er flüsterte: »Arne, nein, ich kann nicht, sei nicht bös.«

      Der faßte ihn am Arm. »Du hast Lampenfieber. Das vergeht schon.«

      Es