Название | Das Bildnis des Dorian Gray |
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Автор произведения | Oscar Wilde |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752916331 |
»Ja,« antwortete Lord Henry träumerisch, »die Kleidung des neunzehnten Jahrhunderts ist abscheulich. Sie ist so düster, so deprimierend. Die Sünde ist noch das einzig Farbenfreudige, das im modernen Leben übriggeblieben ist.«
»Du solltest wirklich nicht solche Dinge vor Dorian sagen, Harry!«
»Vor welchem Dorian? Vor dem, der uns den Tee einschenkt, oder dem anderen auf dem Bilde?«
»Vor keinem.«
»Ich ginge gerne mit Ihnen ins Theater, Lord Henry«, sagte der Jüngling.
»Dann kommen Sie doch. Und du auch, Basil, nicht wahr?«
»Ich kann nicht, wirklich nicht. Es ist mir lieber so. Ich habe eine Unmenge zu tun.«
»Schön also. Dann müssen wir zwei allein gehen, Herr Gray.«
»Ich freue mich riesig darauf.«
Der Maler biß sich auf die Lippe und schritt, die Teetasse in der Hand, zum Bilde. »Ich bleibe hier bei dem wirklichen Dorian«, sagte er traurig.
»Ist das der wirkliche?« rief das Original und ging gleichfalls langsam zu ihm hin. »Bin ich wirklich so?«
»Ja, genau so bist du.«
»Wie wundervoll, Basil!«
»Du siehst wenigstens jetzt so aus. Aber das Bild wird sich nie ändern«, seufzte Hallward. »Das ist schon etwas.«
»Was man heute für ein großes Wesen aus der Treue macht!« rief Lord Henry aus. »Und doch ist sie selbst in der Liebe eine rein physiologische Frage. Sie hat auch nicht das mindeste mit unserem eigenen Willen zu tun. Junge Männer wären gerne treu und sind es nicht; alte würden gerne untreu sein und können es nicht: das ist alles, was sich darüber sagen läßt.«
»Geh heute abend nicht ins Theater, Dorian«, bat Hallward. »Bleibe hier und speise mit mir.«
»Ich kann nicht, Basil.«
»Warum?«
»Weil ich Lord Henry Wotton zugesagt habe, ihn zu begleiten.«
»Er wird dir darum nicht mehr zugetan sein, wenn du so treu deine Versprechungen hältst. Er bricht seine immer. Ich bitte dich, nicht zu gehen.«
Dorian Gray schüttelte lachend den Kopf.
»Ich beschwöre dich.«
Der junge Mann schwankte und blickte zu Lord Henry hinüber, der die beiden mit einem belustigten Lächeln vom Teetische aus beobachtete.
»Ich muß mit, Basil«, antwortete er.
»Schön«, sagte Hallward und ging zum Tische hinüber, wo er seine Tasse hinstellte. »Es ist ziemlich spät, und da ihr euch noch umziehen müßt, habt ihr keine Zeit mehr zu verlieren. Adieu, Harry! Adieu, Dorian! Komm bald wieder. Komm morgen.«
»Bestimmt.«
»Aber nicht vergessen!«
»Nein, natürlich nicht!« rief Dorian.
»Und ... Harry!«
»Ja. Basil?«
»Vergiß nicht, was ich dir sagte, als wir am Vormittag im Garten saßen.«
»Ich habe es vergessen.«
»Ich vertraue dir.«
»Ich wünschte, ich könnte mir selbst vertrauen«, sagte Lord Henry lachend. »Kommen Sie, Herr Gray, mein Wagen steht unten, und ich kann Sie an Ihrer Wohnung absetzen. Adieu, Basil! Es war ein sehr unterhaltender Nachmittag.«
Als sich die Tür hinter ihnen schloß, warf sich der Maler auf den Diwan, und in sein Gesicht trat ein schmerzlicher Ausdruck.
Drittes Kapitel
Um zwölfeinhalb Uhr am nächsten Tage schlenderte Lord Henry Wotton von Curzon Street nach Albany hinüber, um einen Besuch zu machen bei seinem Onkel Lord Fermor, einem heiteren, aber ziemlich rauhen alten Junggesellen, den die Außenwelt einen Egoisten nannte, weil sie keinen besonderen Nutzen aus ihm ziehen konnte, der aber in der Gesellschaft als freigebig verschrien war, weil er die Leute, die ihn amüsierten, aufs beste fütterte. Sein Vater war britischer Gesandter in Madrid gewesen, als Isabella noch jung war und man noch nichts von Prim wußte, hatte sich aber in einem Augenblicke launischen Ärgers aus dem diplomatischen Dienste zurückgezogen, weil man ihm nicht den Gesandtenposten in Paris angeboten hatte, zu dem er sich vollauf berechtigt geglaubt hatte durch seine Geburt, seine Arbeitsunlust, sein gutes Englisch in seinen Depeschen und durch seine zügellose Vergnügungssucht. Der Sohn, der des Vaters Privatsekretär gewesen war, hatte mit seinem Chef zugleich den Abschied genommen, was man damals ziemlich verrückt fand, und als der Titel einige Monate später auf ihn überging, hatte er sich ernstlich dem großen aristokratischen Studium gewidmet, absolut nichts zu tun. Er besaß zwei große Häuser in der Stadt, zog es aber vor, in einer Junggesellenwohnung zu hausen, weil das weniger Umstände machte, und speiste meistens im Klub. Er beschäftigte sich ein wenig mit der Verwaltung seiner Kohlenminen in den Midlandgrafschaften und entschuldigte diese verwerfliche industrielle Tätigkeit damit, daß er sagte, der einzige Vorteil, Kohlen zu besitzen, sei der, es einem Gentleman möglich zu machen, in seinem eigenen Kamin Holz zu brennen. Politisch war er ein Tory, außer wenn die Tories Regierungspartei waren, denn in solchen Zeiten verlästerte er sie und schimpfte sie radikales Gesindel. Er war ein Held für seinen Kammerdiener, der ihn drangsalierte, und ein Schrecken für die meisten seiner Verwandten, die er drangsalierte. Nur England konnte ihn erzeugt haben, und er selber sagte immer, daß das Land mehr und mehr auf den Hund käme. Seine Grundsätze waren altmodisch, aber an seinen Vorurteilen war etwas dran.
Als Lord Henry ins Zimmer trat, fand er seinen Onkel in einem flockigen Jagdrock, eine ziemlich wohlfeile Zigarre im Munde und brummend in den »Times« lesend.
»Na, Harry,« sagte der alte Herr, »was bringt dich so früh her? Ich dachte immer, ihr Dandies steht nie vor zwei Uhr auf und werdet nie vor fünf Uhr sichtbar.«
»Reine Familienliebe, auf mein Wort, Onkel Georg; ich brauche etwas von dir.«
»Geld vermutlich«, sagte Lord Fermor und machte ein saures Gesicht. »Na gut, so setz' dich und sag' mir alles. Ihr jungen Leute von heutzutage bildet euch ein, das Geld wäre alles.«
»Ja,« brummelte Lord Henry, während er seine Blume im Knopfloch zurechtrückte, »und wenn sie älter werden, dann wissen sie es. Aber ich brauche kein Geld. Nur Leute, die ihre Rechnungen zahlen, brauchen Geld, Onkel Georg, und ich bezahle meine nie. Kredit ist das Kapital eines zweitältesten Sohnes, und man kann brillant davon leben. Außerdem kaufe ich immer bei Dartmoors Lieferanten, und daher habe ich nie Scherereien. Was ich brauche, ist eine Auskunft, keine nützliche Auskunft natürlich, sondern nur eine wertlose.«
»Ich kann dir alles sagen, Harry, was je in einem englischen Blaubuch gestanden hat, obwohl diese Bengels heutzutage einen Haufen Unsinn zusammensudeln. Als ich noch Diplomat war, lagen die Dinge besser. Aber ich höre, man stellt jetzt die Leute auf Grund einer Prüfung ein. Was kann man da noch erwarten? Prüfungen, mein Bester, sind der reine Humbug von A bis Z. Wenn einer Gentleman ist, weiß er schon genug, und wenn er kein Gentleman ist, so mag er alles Mögliche wissen, es hilft ihm doch nichts.«
»Herr Dorian Gray hat nichts mit Blaubüchern zu schaffen«, sagte Lord Henry in seinem schläfrigen Tone.
»Herr Dorian Gray? Wer ist das?« fragte Lord Fermor, seine buschigen weißen Augenbrauen zusammenkneifend.
»Um das zu erfahren, bin ich gerade hergekommen, Onkel Georg. Oder genauer gesagt, wer es ist, weiß ich. Nämlich der Enkel des verstorbenen Lord Kelso. Seine Mutter war eine Devereux, Lady Margaret Devereux. Ich möchte, daß du mir etwas über seine Mutter erzählst. Was weißt du von ihr? Wen hat sie geheiratet? Du hast zu deiner Zeit doch so ziemlich alle Leute gekannt, also wahrscheinlich