Das Bildnis des Dorian Gray. Oscar Wilde

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Название Das Bildnis des Dorian Gray
Автор произведения Oscar Wilde
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752916331



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er nur für liebenswürdige Übertreibungen der Freundschaft gehalten. Er hatte sie gehört, über sie gelacht und sie vergessen. Sein Wesen hatten sie niemals beeinflußt. Dann war Lord Henry Wotton gekommen mit seinem sonderbaren Hymnus auf die Jugend, seiner schrecklichen Warnung von ihrer Flüchtigkeit. Das hatte ihn rechtzeitig aufgerüttelt, und als er jetzt dastand und das Abbild der eigenen Schönheit betrachtete, durchdrang ihn die volle Wirklichkeit jener Schilderung. Ja, der Tag mußte kommen, da sein Gesicht verrunzelt und verwelkt, die Augen trüb und farblos, die Anmut seiner Gestalt geknickt und entstellt sein würde. Das Scharlachrot der Lippen würde verblassen, der Goldglanz des Haares sich wegstehlen. Das Leben, das von seiner Seele gebildet wurde, zerstörte seinen Körper. Er würde häßlich, abscheuerregend und formlos werden.

      Als er daran dachte, durchfuhr ihn ein scharfer Schmerz wie ein Messerstich und ließ die feinsten Nerven seines Ichs erbeben. Seine Augen verdunkelten sich zu Amethysten, und ein Tränenflor umschleierte sie.

      Es war, als hätte sich ihm eine eiskalte Hand aufs Herz gelegt.

      »Gefällt es dir nicht?« rief endlich Hallward, ein wenig gereizt durch das Schweigen des Jünglings, dessen Grund er nicht begriff.

      »Natürlich gefällt's ihm«, sagte Lord Henry. »Wem würde es nicht gefallen? Es gehört zu den größten Werken der modernen Kunst. Ich gebe dir jeden Betrag dafür, den du verlangst. Ich muß es haben.«

      »Es gehört nicht mir, Harry.«

      »Wem denn?«

      »Dorian natürlich«, antwortete der Maler.

      »Da hat er Glück...«

      »Wie traurig!« flüsterte Dorian und hielt die Augen noch immer fest auf das Bild gerichtet. »Wie traurig! Ich werde alt werden und häßlich und widerlich. Aber dies Bild wird immer jung bleiben. Es wird nie über den heutigen Junitag hinaus altern... Wenn es nur umgekehrt sein könnte! Wenn ich ewig jung bliebe und dafür das Bild altern könnte! Dafür – dafür – gäbe ich alles! Ja, nichts in aller Welt wäre mir dafür zuviel! Ich gäbe meine Seele dafür!«

      »Dieser Tausch würde dir schwerlich passen, Basil«, rief Lord Henry lachend. »Das wäre schlimm für dein Bild.«

      »Ich würde mich ernstlich dagegen wehren, Harry«, sagte Hallward.

      Dorian Gray wandte sich zu ihm und sah ihn an. »Ich bin davon überzeugt, Basil. Die Kunst ist dir mehr als deine Freunde. Ich bedeute für dich nicht mehr als eine grüne Bronzefigur. Vielleicht kaum so viel, müßte ich sagen.«

      Der Maler war starr vor Erstaunen. So zu sprechen sah Dorian gar nicht ähnlich. Was war geschehen? Er schien ganz erregt. Sein Gesicht war gerötet, und die Wangen brannten.

      »Ja,« fuhr er fort, »ich bin dir weniger als dieser Hermes aus Elfenbein oder der silberne Faun da. Die wirst du immer liebbehalten. Wie lange wirst du mich liebhaben? Vermutlich bis die erste Runzel mein Gesicht entstellt. Ich weiß jetzt, wenn man erst seine Schönheit verliert, hat man alles verloren. Dein Bild hat mich dies gelehrt. Lord Henry Wotton hat ganz recht. Jugend ist das einzige, was Wert hat auf der Welt. Sowie ich entdecke, daß ich alt werde, bringe ich mich um.«

      Hallward wurde bleich und faßte ihn bei der Hand. »Dorian, Dorian!« rief er, »sage so etwas nicht. Ich habe nie einen Freund gehabt wie dich und werde nie wieder so einen haben. Du bist doch nicht auf leblose Dinge eifersüchtig? Du, der schöner ist als irgendeines von ihnen.«

      »Ich bin eifersüchtig auf jedes Ding, dessen Schönheit nicht stirbt. Ich bin eifersüchtig auf das Bild, das du von mir gemalt hast. Warum darf es behalten, was ich verlieren muß? Jeder Augenblick, der verfliegt, raubt mir etwas und schenkt ihm etwas. Oh, wenn es doch umgekehrt wäre! Wenn sich das Bild verändern und ich immer bleiben könnte, wie ich jetzt bin! Warum hast du es gemalt? Es wird mich dereinst verhöhnen – furchtbar verhöhnen!« Die heißen Tränen traten ihm in die Augen, er zog seine Hand weg, warf sich auf den Diwan und vergrub sein Gesicht in den Kissen, als betete er.

      »Das ist dein Werk, Harry«, sagte der Maler bitter.

      Lord Henry zuckte die Achseln. »Es ist der wahre Dorian Gray – sonst nichts.«

      »Das ist er nicht.«

      »Wenn er es nicht ist, was habe ich damit zu schaffen?«

      »Du hättest weggehen sollen, als ich dich darum bat«, grollte er.

      »Ich blieb, als du mich darum batest«, war Lord Henrys Erwiderung.

      »Harry, ich kann nicht auf einmal mit meinen beiden besten Freunden Streit anfangen, aber ihr beide habt schuld, daß ich das beste Stück, das mir je gelungen ist, hassen muß, und ich werde es vernichten. Ist es schließlich mehr als Leinwand und Farbe? Ich will es nicht eingreifen lassen in drei Leben und sie zerstören.«

      Dorian Gray hob seinen goldschimmernden Kopf von dem Kissen und blickte ihn mit bleichem Gesicht und tränenfeuchten Augen an, als er zu dem Maltische aus Kiefernholz trat, der unter dem hohen verhängten Fenster stand. Was wollte Basil beginnen? Seine Finger wühlten zwischen dem Wust von Blechtuben und trockenen Pinseln herum, als suchten sie etwas. Ja, sie suchten das lange Schabmesser mit der schmalen Klinge aus schmiegsamem Stahl. Endlich hatte er es gefunden. Er wollte die Leinwand zerschlitzen.

      Mit einem erstickten Schluchzen sprang der Jüngling vom Diwan auf, schoß auf Hallward zu, riß ihm das Messer aus der Hand und schleuderte es in den äußersten Winkel des Ateliers. »Tu es nicht, Basil, tu es nicht«, schrie er. »Es wäre Mord.«

      »Ich freue mich, daß dir meine Arbeit endlich doch gefällt, Dorian«, sagte der Maler kühl, als er sich von seinem Erstaunen erholt hatte. »Ich hätte es gar nicht geglaubt.«

      »Gefällt? Ich bin verliebt in dies Bild, Basil. Es ist ja ein Teil von mir selbst. Ich fühle es.«

      »Schön, sobald du trocken bist, sollst du gefirnißt, gerahmt und zu dir hingeschickt werden. Dann kannst du mit dir anfangen, was dir beliebt.« Er schritt durch den Raum und klingelte nach Tee. »Du trinkst doch Tee, Dorian? Du auch, Harry? Oder machst du dir nichts aus so einfachen Genüssen?«

      »Ich bete einfache Genüsse an«, sagte Lord Henry. »Sie sind die letzte Zuflucht komplizierter Naturen. Aber für Szenen schwärme ich nicht, außer auf der Bühne. Was für tolle Burschen seid ihr doch, ihr beide! Wer war es doch gleich, der den Menschen als ein vernünftiges Tier definiert hat? Das war eine der voreiligsten Definitionen, die je aufgestellt wurden. Der Mensch hat eine ganze Menge Eigenschaften, aber gewiß keine Vernunft. Alles in allem übrigens: Gott sei Dank, obwohl mir's eigentlich lieber wäre, ihr beiden Wirbelköpfe zanktet euch nicht um das Bild. Du solltest es lieber mir gegeben haben, Basil. Dieses törichte Knäblein braucht es eigentlich gar nicht, und ich brauche es sehr.«

      »Wenn du es einem anderen geben willst als mir, Basil, verzeihe ich es dir nie«, rief Dorian Gray; »und ich erlaube niemand, mich ein törichtes Knäblein zu nennen.«

      »Du weißt, Dorian, das Bild gehört dir. Ich hab' es dir geschenkt, noch ehe es vorhanden war.«

      »Und Sie wissen, Herr Gray, daß Sie ein wenig töricht waren und daß Sie ernstlich gar nichts dagegen haben können, an Ihre große Jugend erinnert zu werden.«

      »Heute früh hätte ich sehr viel dagegen gehabt, Lord Henry.«

      »Ah! heute früh. Seitdem haben Sie einiges erlebt.«

      Es klopfte an die Tür, und der Diener trat mit einem besetzten Teebrett ein und servierte auf einem kleinen japanischen Tisch den Tee. Die Tassen und Löffel klapperten, und ein georgischer Samowar begann zu summen. Zwei gewölbte chinesische Porzellanschüsseln wurden von einem jungen Diener hereingebracht. Dorian Gray ging hin und goß den Tee ein. Die beiden Männer schlenderten zum Tische und sahen nach, was unter den Deckeln der Schüsseln war.

      »Wir wollen heute abend ins Theater gehen«, meinte Lord Henry. »Irgendwo wird sicher was los sein. Ich habe zwar zugesagt, im White-Klub zu soupieren, aber mich erwartet nur ein alter Freund; ich kann ihm also ein Telegramm schicken, daß ich nicht wohl sei oder infolge einer späteren