Ein Mann will nach oben. Ханс Фаллада

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Название Ein Mann will nach oben
Автор произведения Ханс Фаллада
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753126357



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haben eine Dummheit gemacht, Rieke, dafür müssen wir jetzt bezahlen! Es ist Lehrgeld, du kannst sicher sein, ich bezahle es nur einmal – still jetzt, Rieke! – Wie ist es, Herr Hagedorn: ja oder nein?«

      »Also her mit den zweihundert. Der Mensch macht mich kaputt!« Und Herr Hagedorn sank auf den Küchenstuhl und trocknete sich sein Gesicht ab.

      »Das Sparbuch, Rieke!«

      »Karle!« sagte sie flehend. »Es ist doch dein Jeld! Wie kommst du dazu?! For meine Maschine, for mir!«

      »Das Sparbuch –« wiederholte er nur.

      »Ich würde das Aas verdreschen und die Treppe runterschmeißen!« sagte Kalli Flau und betrachtete seine Arme. »So ein feiger Hund, wenn der erst fühlt, es gibt Senge, der reißt aus.«

      »Laß man, Kalli!« sagte Karl Siebrecht. »Dies mach ich, wie ich will.«

      Rieke war vor dem Küchenschrank hingekniet und hatte einen Stoß Wäsche herausgenommen. Sie griff in den Schrank, tastete, aber ihre Hand kam leer zurück. Sie stutzte, dann fing sie an, die Wäsche auseinanderzulegen, Laken um Laken, Handtuch um Handtuch. Alle sahen ihr schweigend zu. Zwischen dem Stoß Wäsche lag nichts. Rieke nahm sehr schnell den Stoß Wäsche daneben heraus, es waren Arbeitshemden des alten Busch, Unterhosen. Sie griff in den Schrank, die Hand kam wiederum leer zurück. Immer schneller legte sie Hemden und Hosen auseinander. Alle schwiegen, alle sahen ihr zu. Und wieder lag nichts zwischen der Wäsche. Nun war nur noch ein kleines Häufchen im Schrank: Riekes und Tildas Wäsche. Sie nahm sie eilends heraus. Ihre Hände zitterten so, daß sie die Stücke nicht mehr ordentlich auseinanderlegen konnte, sie wühlte in ihnen.

      Der junge Mensch sagte: »Paß auf, Vater, die haben gar kein Sparbuch. Alles fauler Zauber.« Herr Hagedorn auf seinem Küchenstuhl seufzte schwer.

      Rieke stand jetzt vor dem Schrank, sehr bleich, die Hände gegen die Brust gepreßt. Ihre Kinderstirn lag in Falten. »Rieke –« sagte Karl Siebrecht sanft.

      »Ach –« sagte Rieke. Sie drehte sich rasch um und ging aus der Küche in die Stube. Die Tür klappte scharf, dann hörten sie drüben Rumoren und Poltern. Dann Stille. Dann einen hellen, klagenden Schrei.

      »Hierbleiben!« sagte Karl Siebrecht und ging rasch in die Stube, deren Tür er hinter sich zuzog.

      Rieke stand am Fenster. Ihr Gesicht sah erbärmlich aus, in ihren hellen Augen war ein fassungsloser, angstvoller Ausdruck, als sei sie ein Hund, der sich vor Schlägen fürchtet. Sie hielt das Sparbuch aufgeschlagen in den Händen. »Karle«, flüsterte sie. »Ach, mein lieber Karle ...«

      Er warf einen Blick in das Buch. Was er in der letzten Minute geahnt und gefürchtet hatte, war Wahrheit geworden: nur Auszahlungen standen auf der Seite. Unwillkürlich warf er einen Blick auf die Schlusssumme. »43 Mark« stand da. Gott sei Dank, dachte er. Es ist nicht alles fort.

      Sie hatte angstvoll in seinem Gesicht zu lesen versucht. »Karle!« flüsterte sie. »Wat mach ick nur? Vata hat dein janzet Jeld vasoffen! Und ick hab jesagt, bei mir is dein Jeld sicher! Schlag mir, Karle, ick bin der Dussel jewesen, und dir habe ick jeschumpfen – schlag mir tüchtig in't Jesichte!«

      »Tochter«, sagte der alte Busch. »Tochter ...«

      Karl Siebrecht sah erst jetzt, daß der Maurer aus seinem Rausch erwacht war. Er lag da, das Kinn in seine Hand gestützt, ein weinerliches Grinsen auf dem Gesicht. »Det macht nischt! Det mach ick jrade! Dafor komm ick dir uff, Tochta! Morjen jeh ick uff 'n Bau, ick jeh gleich jetzt, wenn de willst!«

      »Vata! Vata!« rief Rieke. »Wat haste bloß anjerichtet?! Du hast mir unjlücklich jemacht, du hast mir in Schande jestürzt ...«

      »Stille, Rieke!« sagte der Junge hastig. »Jetzt nicht.« Er nahm ihr das Buch aus der Hand und steckte es in seine Tasche. »Bleib hier, halte ihn ruhig. Das da draußen bringe ich in Ordnung.« Und er ging rasch in die Küche. »Herr Hagedorn«, sagte er. »Es tut mir leid, ich kann Ihnen Ihr Geld im Moment nicht geben. Der alte Busch ist krank geworden, und der hat das Sparbuch in Verwahrung! Aber Sie kriegen Ihr Geld heute abend noch vor Ladenschluss, das verspreche ich Ihnen.«

      »Dann nehme ich die Maschine mit!« rief der Händler. »Und den Kaufvertrag behalte ich auch!«

      »Lassen Sie die Maschine hier, Herr Hagedorn! Das Mädchen braucht sie doch zum Nähen. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Sie bekommen heute abend zweihundert Mark. Das ist doch ein Geschäft für Sie!«

      »Was heißt hier Geschäft!« schrie Hagedorn. »Zweihundertfünfzig muß ich haben!«

      »Gut«, sagte der Junge verzweifelt. »Ich verspreche Ihnen zweihundertfünfzig Mark! Gehen Sie schnell und lassen Sie die Maschine hier –!«

      »Zweihundertfünfzig und die Maschine!« schrie der Händler. »Sag schnell ja, oder Fritz holt die Polizei!«

      »Herr Hagedorn ...« fing Karl Siebrecht an.

      Da ging die Stubentür auf, und der alte Busch kam in die Küche. Er sah schrecklich aus, mit seinem zerstörten, gedunsenen Gesicht, vornübergebeugt, die Arme baumelnd, mit nackten Füßen, nur in Hose und offenem Hemd, das die rotzottige Brust sehen ließ.

      »Ich will meine Maschine!« schrie Herr Hagedorn noch.

      »Nehmen Sie sich in acht! Er hat das Delirium«, flüsterte der Junge hastig.

      So voll die kleine Küche war, der alte Busch sah niemanden. Er schlich mit patschenden Füßen, er lauschte, mit schrägem Kopf, die Augen zur Decke ... »Rieke –?« flüsterte er. »Bist du det, Rieke?«

      Herr Hagedorn hatte schon genug. »Lauf, Fritz, lauf!« schrie er und stürzte aus der Tür, den eigenen Sohn beiseite stoßend. Der stürzte ihm nach.

      »Rieke?« flüsterte der Maurer. »Rieke? Wo biste denn? Haste dir vasteckt?«

      »Ick bin ja da«, sagte Rieke. »Hier bin ick ja. Siehste mir denn nich, Walter? Komm, setze dir. Dachtste, ick war weg? Ick bin imma da! Deine Rieke valäßt dir doch nich, Walter. Du bist doch mein Bester –!« Und sie warf einen flehenden Blick zu Karl Siebrecht hinüber.

      22. Es geht um Geld

      Der alte Busch schlief wieder. Tilda war noch bei der Nachbarin. Es ging auf Mittag, aber keines hatte Hunger. Die Küche war kalt, aber keines dachte daran, das ausgegangene Feuer wieder anzuzünden. Sie saßen alle drei um den Tisch herum. Kalli Flau hatte beide Unterarme auf den Tisch und das Kinn daraufgelegt, mit fest geschlossenen Augen blinzelte er ein Häuflein Geld an, das in der Mitte des Tisches lag. Dazu pfiff er leise und melancholisch.

      Rieke Busch saß vornübergebeugt mit gesenktem Kopf. Die fleißigen Kinderhände lagen halb geöffnet und tatenlos in ihrem Schoß. Auch sie sah auf das Geld, aber mit weit offenen Augen, die blaß schienen. Ihre Zähne nagten an der Unterlippe, auf ihrer Stirn stand eine senkrechte Grübelfalte.

      Karl Siebrecht schließlich hatte sich ganz zurückgelehnt, er wippte auf den zwei Beinen des Stuhls. Als einziger sah er nicht auf das Geld, sondern zur Decke. Die Geldansammlung auf dem Tisch stammte fast ganz von Karl Siebrecht. Es waren die

      130,13 Mark lagen dort auf dem Tisch. Jedem von den dreien hatte sich diese Zahl fest eingeprägt; mit ihren beiden 13, die eine Null umgaben, schien sie ihnen von unheilvoller Vorbedeutung zu sein.

      Nach einer langen Zeit sagte Rieke: »Er wird ooch mit zweihundert zufrieden sind, Karle. Verlaß dir druff.«

      »Ich habe ihm zweihundertfünfzig versprochen, und er kriegt auch zweihundertfünfzig!« sagte Karl Siebrecht. »Ich will auch so einem Kerl Wort halten.« Und wieder wurde es still in der Küche.

      119,87 Mark – das war die zweite Zahl, die sich den dreien in der Küche eingeprägt hatte. Das war die Summe, die bis zum Abend herbeigeschafft werden mußte, Karl Siebrecht hatte es versprochen. 119,87 Mark, eine phantastische Summe, weit über die Möglichkeiten von Handerwerb hinaus. »Ich werde meinen Sonntagsanzug und meine guten Schuhe verkloppen«, sagte