Название | Raumfahrt - wohin und wozu |
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Автор произведения | Thomas Ahrendt |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783752970821 |
Weltraumkolonien - Städte im All
Mal angenommen, unsere Zivilisation strebt keine Selbstkontinenz und keine „Suffizienzstrategie“ an und dehnt ihre "Grenzen" doch über die Erde hinaus. Wären dann Mond, Mars und andere Planeten und Monde der optimale Ort zur Errichtung einer "menschlichen" Siedlung? Vielleicht ja, vielleicht nein, dagegen scheint jedenfalls zu sprechen, dass kein Planet, kein Mond ideale Bedingungen besitzt, was Schwerkraft, Atmosphäre, Sonneneinstrahlung oder Tageslänge u.v.a.m. angeht. Also wäre die logische Konsequenz, selbst einen künstlichen "Planeten" herzustellen etwa in Form eines Zylinders oder eines Reifens - eine künstliche Welt, deren Umwelt noch besser als die Erde ist: ohne Ozonloch, Vulkane, Impakte, Tsunamis, Klimakatastrophen.
Diese künstlichen Habitate müssen nicht eng und düster sein, sondern können im Gegenteil viele Kubikkilometer groß sein und eine geringere Schwerkraft als die Erde haben.
Durch die Weltraumindustrialisierung - etwa im Zusammenhang mit dem Bau von Energiesatelliten, Umlenkspiegeln und künstlichen Weltraumhabitaten - werden viele Menschen zu Astronauten, Kosmonauten usw. Wahrscheinlich werden im Laufe der Zeit deshalb ganze Städte im All entstehen, die langfristig ihre eigenen, von der Erde unabhängigen Kulturen entwickeln werden; was für die Menschen auf der Erde geistige Anregungen, neuartige Güter und Ferienmöglichkeiten, sowie unvorstellbare medizinische Chancen bedeuten wird. (Denken Sie langfristig. Aber vielleicht kommt durch die "technologische Singularität" alles noch viel schneller und sowieso ganz anders?)
Man muss diese Städte keinesfalls mit Material von der Erde bauen, viel besser wäre eine Mondschleuder, die Mondmaterial in den Weltraum wirft - natürlich müssen Richtung und Geschwindigkeit stimmen. Möglicherweise werden auch kleine Planetoiden mittels Nuklearexplosionen in Erdumlaufbahnen befördert oder dort abgebautes Material wird zur Erde geschleudert. Ein ausgehöhlter Planetoid könnte auch die Hülle einer Stadt oder eines Raumschiffs bilden und durch Rotation eine Pseudoschwerkraft erzeugen.
Möglicherweise werden in EML5 Weltraumkolonien errichtet, weil dort brauchbare, fast periodische Bahnen um EML5 existieren, die Sonne praktisch ewig strahlt und die Strahlungsumwelt dem freien Weltraum entspricht. Der Geschwindigkeitsbedarf von der Erde bis zu EML5 beträgt 13 km/s; vom Mond bis EML5 dagegen nur 2,5 km/s. Eine kleine Prototypenstation könnte z.B. für 1000 Menschen ausgelegt sein, 1/4 davon sind Kinder. Die Atmosphäre würde zu je 50% aus Sauerstoff und Stickstoff bestehen und 0,4 bar haben. Die Temperatur könnte 22º C betragen und die Luftfeuchtigkeit 60%.
Das Material käme zu 99% vom Mond, das heißt 1,5 Megatonnen bis 2 Megatonnen Mondmaterial werden mit elektromagnetischen Schleudern zu EML2 geworfen, dort aufgefangen und nach EML5 gebracht; dort entstehen durch dessen Aufarbeitung 200 Kilotonnen Stahl, 170 Kilotonnen Sauerstoff für Luft und Raketenmotoren, fast 100 Kilotonnen Silizium für die Fotozellen und gut 1 Megatonne Schlacke als Strahlungsschutz; das ergibt also insgesamt eine Wandstärke von 5 t/m², neben einigen anderen Materialien.
Nur 2,5 Kilotonnen an Legierungsstoffen (Kohlenstoff, Molybdän, Nickel) kommen von der Erde. Der Stickstoffbedarf ließe sich verringern durch ein lichtdurchlässiges Dach gut 50 m über dem Wohnboden. In dieser "Kleinstadt" müssen 30000 bis 100000 m² für die Ernährung der 1000 Siedler verwendet werden; das macht 15 - 50% der Innenfläche aus. Der Wohnbedarf verringert sich auf ca. 10000 m², wenn mehrstöckig gebaut wird. Dann bleibt genug Platz für Wege, Parks und Industrie.
Die Gesamtanlage zum Bau der Station hat 11 Kilotonnen Masse und benötigt 60,3 Megawatt (elektrisch) Leistung, die Zahl astronautischer Bauarbeiter steigt von 50 auf 160, die jeweils 3 Monate dort bleiben. Ist eine Station fertig, wird die Baustation wegbewegt, um mit einer neuen zu beginnen. Der Bau einer solchen Weltraumstadt macht eine große lunare Aktivität erforderlich: anfangs bleiben 100, dann 200 Mann (und Frauen) je 6 Monate auf dem Mond. Zum Mond werden 10,7 Kilotonnen Nutzlast transportiert: Mondschleuder, Energieversorgung (solar und/oder nuklear), Mondabbaumaschinen (Teleroboter?), Wohnstätten usw.
Die Mondarbeiter könnten sehr bald von einer Weltraumstadt kommen, statt von der Erde...
Noch einige Worte zu dem Fangtrichter in EML2: er hat etwa 100 m Öffnungsdurchmesser, wiegt anfangs 6,2 Kilotonnen, die sich aus 1,1 Kilotonnen für das (solar-)elektrische Kraftwerk mit rund 35 MW Leistung und knapp 5 Kilotonnen Auswurfmaterial zusammensetzten, das heißt aufgearbeitete Mondgesteinsreste für seinen Schleuder-Raketenantrieb, der eine Strahlgeschwindigkeit von fast 4 km/s bei einem Höchstschub von 1,4 t erreichen soll. Durch immer neu eintreffendes Mondmaterial "wiegt" er nach einem Monat 107 Kilotonnen; jetzt bringt er seine Ladung von über 100 Kilotonnen nach EML5 und ein neuer Fänger nimmt seinen Platz ein. Nach 20 Flügen, also 20 Monaten, sind die erforderlichen 2 Megatonnen Mondmaterial angesammelt.
Auch wenn es noch keine derartigen O'Neill-Stationen gibt, sind sie für die Zukunft keinesfalls ausgeschlossen. Dann könnte es möglich sein, dass der Hauptteil der Menschheit im All geboren, leben und sterben wird - denn physikalisch sind sie machbar; es gibt kein Naturgesetz, das sie ausschließt. Irgendwer wird sie irgendwann bauen und dann - wenn erst mal ein Anfang gemacht ist - liegt es im Bereich des Möglichen, dass der größte Teil unserer Nachfahren in Raumkolonien lebt mit praktisch unbegrenzt verfügbarer Energie, Überfluss in Nahrung und materiellen Gütern, voller Freizügigkeit und unabhängig von großen Regierungen; die Erde würde zu einem weltweiten Park, frei von Industrie und sich von ihrer Vergangenheit erholend zu einem prächtigen Platz für Ferienreisen. (Seien Sie doch mal optimistisch.)
Andere mögliche Raumkolonien könnten auch auf Erdsatellitenbahnen liegen: neben der Himmelsleiter platziere man in Höhe der geostationären Bahn einen Satelliten, daneben noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen und noch einen - jetzt reicht´s aber, oder? Sie ahnen es schon - die bleiben alle dicht beieinander stehen und lassen sich miteinander und mit dem Turm oder auch mit weiteren Türmen verbinden - und schon hat man eine Ringstadt - ein künstliches bewohnbares Ringsystem. Vielleicht wird "Ringstadt" die erste große menschliche Raumsiedlung?
Ob es viel einfacher und sehr viel billiger als jede Weltraumkolonie wäre, unwirtliche Erdgebiete - Wüsten, Polargebiete, das Meer - auf der Suche nach Lebensraum bewohnbar zu machen, mag dahingestellt sein; wahrscheinlich ist es für uns zweidimensionale Lebewesen irgendwie naheliegender. Vielleicht wird der Schritt in den Weltraum aus anderen Gründen erfolgen, etwa wegen seiner Industrialisierung; überhaupt wenn sich Weltraumaktivitäten als lukrativ (utilitär, transutilitär, Mischung?) erweisen. Danach könnte das Ganze zu einem Selbstläufer werden...
Gründe für bemannte Mondstationen kommen aus Forschung, Wirtschaft: die erdabgewandte Seite ist ideal für Radioastronomie, da sie hier ungestört von irdischen Sendern und Energiesatelliten betrieben werden kann. Der Mond bildet eine feste Basis und er hat keine störende Atmosphäre; das macht astronomische Messungen aller Art viel einfacher. Überhaupt wird er am besten selbst in situ, vor Ort untersucht. Mondmaterial ist äußerst brauchbar für die außerirdische Industrie und Exo-Siedlungen und lässt sich wohl besser auf ihm selbst als im schwerelosen Weltraum verarbeiten, da Schwerkraft bei vielen industriellen Prozessen hilfreich ist. Lunare Rohstoffe könnten sogar für die irdische Verwendung relevant werden. Mondabfälle ließen sich als Impulsträger für geeignete Raketenantriebe oder als Strahlungsschutz verwenden.
Aber auch andere Planeten und deren Monde könnten zu Rohstoffquellen werden; die Atmosphären der Gasplaneten sind riesige Wasserstoffreservoire für Wasserstoff-Sauerstoff-Triebwerke, Fusionstriebwerke usw., auf deren Monden scheint es viel Wassereis zu geben. (Was passiert dann eigentlich mit dem metallischen Wasserstoff von Jupiter und Saturn, wenn der Druck ihrer Atmosphären nachlässt?) Auf Forschungsmissionen werden Nutzung, Abbau und Industrialisierung folgen, das heißt deren Besiedlung. Früher oder später werden größere Menschengruppen längerfristig auf fremden Gestirnen leben und sich dabei, weil es wirtschaftlicher ist, aus lokalen Ressourcen erhalten. Eventuell leben sie "unterirdisch", in künstlichen Höhlen, die durch atomare Explosionen erzeugt wurden. Atomexplosionen können auch zur Energie- und Rohstoffgewinnung verwendet werden. Mit steigender Unabhängigkeit könnte eine Station zu einer Kolonie expandieren;