Mails aus dem Jenseits. Walter Rupp

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Название Mails aus dem Jenseits
Автор произведения Walter Rupp
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738010909



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die Juden, die Irrgläubigen, die Abgefallenen, die Schismatiker und die Exkommunizierten.“

      Als ich dann den Engel an der Aufnahmestelle nach dem Limbus fragte, tippte er mit dem Finger an die Stirn und sagte: Diesbezüglich hätten sich die Theologen, wie so oft, wenn sie herauszufinden versuchten, was ein Geheimnis bleiben soll, verspekuliert. Einen Ort, der weder Himmel noch Hölle sei, gebe es nicht. Der Grund, weshalb hier keine Kinder sind, sei einfach: Kinder hätten – im Unterschied zu den Erwachsenen - ein Fegefeuer nicht nötig. Man schicke sie sofort nach ihrem Eintreffen in die himmlische Seligkeit weiter. Aber leider habe man das Kindesalter, das bisher bis zum achtzehnten Lebensjahr galt, auf das siebte Lebensjahr herabsetzen müssen, weil die neue Generation der Kinder oft schon mit sieben Jahren so mit Fehlern behaftet oder gar verdorben sei wie Zwanzigjährige und den Unschuldstest kaum noch bestehen.

      Bald hört Ihr wieder von mir.

      Lauter Überraschungen

       Das Staunen ist die Einstellung eines Mannes, der die Weisheit wahrhaft liebt,

       ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen.“

       Platon

       Hallo, ich bin es wieder!

      Was die Leute so alles an Gottesbildern mitbringen ist beschämend. Die Theologen, die man dafür verantwortlich macht, rechtfertigen sich mit dem Hinweis, dass ihnen auf Erden eben ein sehr bescheidenes Repertoire an Wörtern und eine gänzlich unzureichende Begrifflichkeit zur Verfügung standen. Wenn ich Euch einen Rat geben darf: macht nicht den Fehler, Vorstellungen, wie sie drüben bei euch - auch von Katechismen oder Erbauungsschriften – verbreitet werden, gedankenlos zu übernehmen. Ich musste da gewaltig umdenken: Dass Gerechtigkeit nicht im Verhängen von Strafen oder im Austeilen von Belohnungen besteht, sondern darin, dass jeder das bekommt, was ihm zusteht. Das wäre bei den meisten sehr viel mehr, wenn sie eine größere Aufnahmefähigkeit mitbrächten.

      Der große Dichter Dante tut mir manchmal leid, weil er sich wegen seiner ‚Göttlichen Komödie‘ häufig ironische Bemerkungen gefallen lassen muss. Er schämt sich sehr, wie er den Himmel in seinem himmlischen Spaziergang beschrieben hat. Und er ist froh, dass Gott die Sünder nicht mit den Strafen quält, die den Theologen oder Dichtern an einem Schreibtisch eingefallen sind. Nicht viel anders ergeht es dem unter den traditionellen Theologen noch immer hoch angesehenen Thomas von Aquin. Auch er muss sich von uns Jenseitigen spöttische Bemerkungen – die hier natürlich nur liebenswürdig ausfallen - anhören. Wir stellen ihm z.B. gern die Frage, die er überhaupt nicht mag: Woher er denn damals wissen wollte, dass die Verstorbenen in der Gestalt eines 33-Jährigen auferstehen. - Wir alle empfinden einen Horror bei dem schrecklichen Gedanken, wir müssten eine Ewigkeit lang in diesem unreifen und zurückgebliebenen Zustand verharren.

      Fast alle Protestanten machen Luther, obwohl er seine Äußerung wiederholt widerrufen hat, zum Vorwurf, er habe sie mit seiner Behauptung, Gott setze seine Auserwählten keineswegs wegen ihrer Verdienste in den Himmel und stecke die vielen Verdammten keineswegs wegen ihrer Untaten in die Hölle, vor einem solchen Gott in Schrecken versetzt.

      Unter Himmel habe ich mir Immer einen riesigen Theatersaal vorgestellt, in dem man sich ständig große Spektakel ansehen darf. Man muss erst einmal seine mitgebrachten Vorstellungen abstreifen, die sind ein Hindernis. Man hat uns ja auf Erden nie erklärt, worin das jenseitige Glück besteht? Mit dem Glück ist das so seine Sache. Der eine freut sich, weil er seine Frau nicht mehr sehen muss. Und ein anderer, dass er sie wieder sehen darf. Ich weiß auch nicht, was aus den großen Schriftstellern und Philosophen geworden ist, die man bei Euch drunten seit Jahrhunderten bewundert. Sokrates soll, wie ich hörte, außerordentlich freundlich empfangen worden sein. Die anderen sind fleißig beim Korrigieren ihrer unsterblichen Werke. Mancher soll geäußert haben, er wünsche, man hätte sein Grab größer gemacht und seine Werke gleich mitbeerdigt.

      Leider muss ich wieder unterbrechen. Es wurde hier eine gemeinsame Chorprobe mit den Engeln angesetzt, die ich nicht versäumen möchte. Unser Gesang klingt inzwischen weniger irdisch. Aber bis wir den himmlischen Klang erreichen, werden wir doch noch viel üben müssen. - Ihr wundert Euch vielleicht, dass ich ständig zum Singen gehe, was ich auf Erden eigentlich immer vermieden habe. Vorträge sind hier nicht erlaubt, weil sie die Glücksgefühle und die Seligkeit beeinträchtigen. Jeder hat hier das Verlangen, das was er empfindet, nicht in Worten, sondern in Musik zum Ausdruck zu bringen.

      Ihr hört später – für mich ist das nicht später - wieder von mir. Bis bald!

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      Begegnungen im Jenseits

       Jede Sekunde – das Wort ist natürlich falsch, weil es keine Zeiteinteilung gibt – bringt eine solche Fülle von Überraschungen… Man weiß gar nicht, wie man die alle verarbeiten soll.

       Wieder eine Neuigkeit

      Gestern traf ich einen Bekannten, den ich hier nie erwartet hätte. „Was, Sie sind hier?“, rief ich aus, „man hat Sie hier hereingelassen? Sie hätte ich am allerwenigsten hier erwartet. Pardon: Ich freue mich natürlich, dass Sie hier sind, aber ich bin doch etwas überrascht. Hatten Sie keine Wartezeit? Hatten Sie einen Fürsprecher? Sie waren, soweit ich weiß, kein Kirchgänger und Ihre Lebensweise war doch nicht sehr christlich.“ Weil mich einige, die meinem Eindruck nach auch unverdient hereingelassen worden waren, wütend anschauten, sprach ich nicht mehr weiter. Aber die Erfahrung, dass man hier so leicht hereinkommt, weckt bei mir Zweifel an der himmlischen Gerechtigkeit. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass man bei der Aufnahme strenger vorgeht und nicht Hinz und Kunz hereinlässt. Der Himmel soll doch – so hat man uns das jedenfalls im Katechismus-Unterricht beigebracht - eine besondere Belohnung für die Wenigen sein, die sich um ein gutes Leben mühten.

      Ich treffe hier lauter Leute, die meiner Überzeugung nach die für den Himmel erforderlichen Kriterien nicht erfüllten: einen jungen Mann, der keiner geregelten Arbeit nachging; eine junge Frau, die nicht ordentlich verheiratet war; einen Lehrer, der wegen seiner Strenge bei seinen Schülern nicht beliebt war; und einen Unternehmer, der sich trotz seines Reichtums und nur weil er einen Teil seines Vermögens verschenkte, Zutritt in den Himmel verschaffte. Es geht also doch ein Reicher leichter ins Himmelreich ein als ein Kamel durch ein Nadelöhr. Dafür hätte ich kein Verständnis, wenn er sich den Zutritt in den Himmel mit seinem Geld erkauft hätte. Ich habe auch Mühe zur verstehen, dass ein Politiker, der in eine Korruptionsaffäre verwickelt gewesen sein soll, und dessen Unschuld nicht eindeutig erwiesen werden konnte, aufgenommen wurde. Gut, es konnte nicht eindeutig geklärt werden, ob an den Gerüchten etwas dran war. An Gerüchten ist immer etwas dran. Ich frage mich: Ist man hier wirklich so naiv und glaubt an seine Unschuld? Hat er überhaupt bereut? Wenn sich das drunten herumspricht, denke ich manchmal, dass solche Typen am Ende doch aufgenommen werden, braucht man sich nicht wundern, wenn sich die Leute an überhaupt keine Gebote mehr halten.

      Ich dachte immer, dass die Barmherzigkeit Gottes doch auch Grenzen hat und dass es hier halbwegs gerecht zugeht. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich mich umsonst angestrengt und umsonst Schätze im Himmel gesammelt habe. Als ich sie bei meinem Eintreffen hier sehen wollte, hat man mir gesagt, es habe sich nicht gelohnt, sie aufzubewahren, und mir vorgehalten, dass ich gegenüber Leuten, die nun wirklich lästig waren, meine Abneigung zeigte und ihnen sagte, was ich von ihnen halte. Aber das waren doch alles, im Vergleich zu dem, was sich andere erlaubten, Petitessen. Statt großzügig darüber hinwegzusehen, schickte man mich mit allerlei zwielichtigen Gestalten an einen recht unbequemen Ort. Wir wurden zwar nicht schikaniert und mit Marterwerkzeugen gequält. Aber dieses Warten, bei dem man zum Nachdenken gezwungen war, war unangenehm.

      Ehrlich gestanden, ich kann eine gewisse Enttäuschung nicht verbergen. Ich hatte mir vorgestellt, dass sich im Himmel eben doch nur eine Elite befindet und wir besseren Menschen unter uns sein dürfen. Uns hat man damals im Religionsunterricht