Mails aus dem Jenseits. Walter Rupp

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Название Mails aus dem Jenseits
Автор произведения Walter Rupp
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738010909



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rechten Dingen zu, gilt doch der Kontakt mit dem Jenseits bei Euch - beim gegenwärtigen Stand der Technik - als noch nicht realisierbar. Aber meine Computer-Kenntnisse, die ich mitbrachte, kommen mir jetzt zugute. Nachdem es mir gelungen ist, die irdischen Internetanschlüsse ausfindig zu machen, werde ich sie künftig nützen. Was ich versuche, hat in der Menschheitsgeschichte bisher noch niemand versucht. Es ist nur schade, dass die irdische elektronische Technik noch nicht so ausgereift ist, dass auch Ihr mit mir in Verbindung treten könnt. Aber es ist schon viel gewonnen, wenn Euch meine Mails erreichen, sodass Ihr einmal nicht wie ich hier völlig unvorbereitet ankommen müsst.

      Solange ich da unten bei Euch war, habe ich es immer als unerträglich empfunden, dass man im Dunkeln tappen und sein Leben leben musste, ohne zu wissen, was danach kommt, und wie es im Jenseits aussieht; ja was aus denen geworden ist, die vor uns lebten, und was aus uns wird, wenn wir selbst nicht mehr leben. Die Theologen haben zwar immer beteuert, dass es weiter geht, uns aber völlig in Stich gelassen und dieses Weiterleben nie beschrieben. Diesen Zustand will ich ein für alle Mal beenden und Euch in nächster Zeit alles, was ich hier in Erfahrung bringen kann, mailen.

      Der mittelalterliche Dichter Alighieri Dante hat zwar schon einmal in seiner ’Göttlichen Komödie‘ vor mir versucht, das neue Leben im Jenseits zu beschreiben. Aber das konnte ja nicht gelingen, weil er diesen Versuch vom Diesseits aus unternahm. Was konnte er da schon erkennen? Ich habe ihm gegenüber den Vorteil, dass ich mich bei meiner Beschreibung weder auf meine Phantasie noch auf die Wissenschaft oder meinen Katechismus-Unterricht verlassen muss, sondern in der Lage bin, das Jenseits aus eigener Erfahrung zu schildern. Wer sich daran macht, das Jenseits zu beschreiben, solange er noch im Diesseits ist, gleicht einem Embryo, der vom Mutterschoß aus versucht, in einer Sprache, die er noch nicht kennt, die Welt, in die er erst hineingeboren wird, zu beschreiben. So etwas muss misslingen. Sollte ich hier einmal Dante begegnen, werde ich ihn zur Rede stellen und ihn fragen, warum er es gewagt hat, falsche und naive Vorstellungen über das Jenseits zu verbreiten, statt zu warten, bis er hier angekommen ist. Wie kommt er dazu, zu behaupten, die Dichter und die Weisen des Altertums befänden sich in der Vorhölle, obwohl es, wie man mir versichert hat, die Vorhölle gar nicht gibt? Dante mag ein großer Dichter sein, aber er vertraut zu sehr auf seine Phantasie und meint, er könnte damit die Wirklichkeit erfassen.

      Die Menschen, die sich ein Leben lang nur mit den vorletzten Dingen beschäftigt haben, befassen sich gewöhnlich nur mit den Letzten Dingen, wenn sie so schwach und hinfällig geworden sind, dass sie keinen Spaß mehr an den weltlichen Dingen finden. Dann erwarten sie von den Theologen detaillierte Auskünfte und sind enttäuscht, dass man ihnen nicht – wie das in den Reisebüros selbstverständlich ist, ausreichend Auskunft und die entsprechenden Prospekte bieten kann. Kein Wunder, dass sich kaum einer nach dem Ort, von dem man nicht weiß, wie schön er ist, sehnt und mancher sich wünscht, er könnte hier bleiben. Vor allem wegen der Drohung mit dem Jüngsten Gericht.

      Die Jenseitsforscher sind mit ihren Forschungen nicht weit gekommen und haben seit der Antike leider keine Fortschritte gemacht. Die Leute stellen sich den Abstand zwischen hier und drüben mit viel Luft dazwischen vor, und dass es droben nicht viel anders zugeht als es drunten zuging. Hier spricht man gern und amüsiert von jenem Astronauten, der sich bei Euch rühmte, es sei ihm gelungen, mit seinem Raumschiff in das Jenseits einzudringen. Er ist inzwischen hier und auffallend schweigsam. Es ist ihm höchst peinlich, wenn man ihn bezüglich seiner Weltraumerfahrungen anspricht.

      Was wir hier erleben, lässt sich, wie das einer Eurer Schriftsteller (Lewis) sehr schön ausgedrückt hat, „am besten als das Gegenteil einer Fata Morgana beschreiben. Was wie das Tal des Jammers aussah, das stellt sich als eine Oase heraus; und wo die Gegenwartserfahrung nur Salzwüsten sah, da verzeichnet das Gedächtnis wahrheitsgemäß Brunnen lebendigen Wassers.“

      Nehmt es mir nicht übel, wenn ich in meinen Mails versuche, mit den vielen falschen und naiven Vorstellungen aufzuräumen, die da unten bei Euch über das Jenseits kursieren, und die man Euch beigebracht hat oder die Ihr Euch angelesen habt. Es ist sogar für uns Jenseitige schwer, ja nahezu unmöglich, das Jenseits zu beschreiben. Das Problem liegt jedoch nicht bei uns Jenseitigen, sondern bei Euch, weil Ihr – ich kann Euch diese Bemerkung nicht ersparen – dafür zu wenig Verstand besitzt. Aber die Leute, die sich über alles Mögliche beschweren, beschweren sich komischer Weise nie darüber, dass sie zu wenig Verstand besitzen. Sie scheinen zu glauben, dass sie davon genug haben. Aber zur Einsicht gelangt man erst hier.

      Wenn Ihr – was das Jenseits betrifft – so lange im Ungewissen wart, ist das vor allem darauf zurückzuführen, dass die Eschatologie, die Leere von den Letzten Dingen, der Schwachpunkt aller Theologen ist. Sie wissen zwar, was wir alle tun oder unterlassen sollten und wie wir uns auf Erden zu verhalten haben, aber mit den Fragen: wie nun das Jenseits beschaffen ist, und was uns da erwartet, lassen sie uns allein. Kein Wunder, dass sich kaum einer von euch nach dem Ort, von dem man nicht weiß, wie schön er ist, sehnt, und mancher sich wünscht, er könnte für immer hier bleiben. Vor allem wegen der Drohung mit dem Jüngsten Gericht.

      Das ist die große Enttäuschung aller Gläubigen, dass die Bibel wohl vom Himmel spricht, es aber unterlässt, ihn zu beschreiben. Sie haben deshalb das Gefühl, dass sie da etwas Unmögliches verlangt: den Himmel anzustreben, ohne zu wissen, was er zu bieten hat, wie die Freizeitgestaltung aussieht und wie beschaffen die himmlischen Freuden sind. Sie kommen sich vor wie Reisende, die eine Reise buchen sollen, obwohl ihnen das Reisebüro jede Auskunft über die Vorzüge und Beschaffenheit des Reiseziels verweigert. Und sie sehen sich außerstande, auf das Versprechen hin, dass es dort wunderschön sein soll, und dass man dort wirklich glücklich ist, dorthin aufzubrechen. Ich konnte mich jedenfalls - solange ich drunten war - nie ganz von der Angst befreien, dass die Ewigkeit mit der Zeit doch einmal langweilig wird. Natürlich ist das Gegenteil der Fall: Sie wird immer interessanter.

      Die neue Welt

       Was ist die Zeit? Was ist die Ewigkeit?

      „Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es.

       Wenn ich es einem erklären will, weiß ich es nicht.“

       Augustinus

      Liebe Hinterbliebene

      Die neue Welt ist wirklich in jeder Hinsicht neu. Große Mühe bereitet mir die Umstellung von Zeit auf Ewigkeit. Wenn es weder Tag noch Nacht noch Jahreszeiten gibt, weiß man wirklich nicht, wie man sich orientieren soll. Hier kommt jeder ohne Uhren aus. Die Urmenschen sind nicht älter als wir, die erst jetzt angekommen sind. Adam und Eva konnte ich wegen der Milliarden Seligen, die hier sind, leider noch nicht entdecken. Ich bin gespannt, was sie auf die Frage antworten: Warum sie so töricht waren, von dem einen Baum zu essen, wo es doch im Paradies so viele Apfelbäume gab. Vielleicht treffe ich auch einmal unter den Milliarden Tieren, die hier endlich angstfrei leben können, die Paradiesschlange. Ich möchte von ihr wissen, warum sie sich in den Kopf gesetzt hatte, die ersten Menschen zu Fall zu bringen.

      Natürlich habe ich nach meiner Ankunft hier sofort nach allen Verwandten und Bekannten Ausschau gehalten, aber leider erfolglos. Auf meine Nachfrage beim Aufnahmebüro hat man mir gesagt, ich sollte mich deswegen nicht beunruhigen. Wenn ich sie noch nicht gefunden hätte, bedeute das nicht, dass sie nicht irgendwann einmal ankommen. Es komme öfter vor, dass die, die früher gestorben sind, später, manchmal sogar, je nach Lebensweise erst nach Jahrhunderten, ankommen.

      Ihr möchtet vielleicht wissen, ob man sich mit der Verwandtschaft noch weiter verwandtschaftlich verbunden fühlen muss und ob es wirklich ausgeschlossen ist, dass sich Ehepartner noch einmal begegnen oder – sollten sie diesen Wunsch verspüren – in einem eheähnlichen Verhältnis miteinander verbunden bleiben dürfen. Werden die ermordet wurden, ihren Mördern danken, dass sie sie, früher als geplant, in Jenseits schickten? Bekommt man wirklich einen neuen Leib oder seinen alten Leib nur runderneuert, vielleicht mit Flügeln ausgestattet, zurück? Und was sind das für Speisen, die man bei den neuen Gastmählern reicht?

      Dass das Eingewöhnen etwas dauert, hängt wohl damit zusammen, dass man eine Menge falscher Erwartungen mitbringt, von denen man sich erst einmal