Название | Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens |
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Автор произведения | Helmut Lauschke |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738059366 |
Der Zusammenhalt und die Nachbarschaftshilfe seien bei den Buren stark ausgeprägt, deren Wurzeln bis zu den ersten Siedlern, die aus Europa kamen, zurückreichen. Dr. Ferdinand erhielt die erste Lektion über die Geschichte und Bräuche des Burenvolkes, die er teils akzeptierte und teils mit einem Fragezeichen versah, wenn er sich die leidenden Menschen mit schwarzer Hautfarbe vor Augen führte, denen die Buren keine Nachbarn sein und ihnen die Nachbarschaftshilfe nicht geben wollten. Ihm fiel die „Trekker“-Geschichte mit der Wagenburg-Mentalität ein. Die Buren waren bis auf den Tag ein Volk für sich, sie schirmten sich gegen andere ab und grenzten andere aus. Das erklärte ihm, warum die Buren keinem Schwarzen in ihrem Dorf ein Wohnrecht zuerkannten, wohl wissend, dass das Land den schwarzen Vätern und Vorvätern gehörte, die hier geboren waren. Auf der anderen Seite derselben Münze stand die Forderung der Weißen nach schwarzen Arbeitskräften, die für die „Herrenrasse“ für Spottlöhne zu arbeiten hatten. Mit Sonnenaufgang kamen schwarze Männer und Frauen zu den Häusern der Weißen, um die Wohnungen zu säubern, auf die Kinder aufzupassen, die warmen Mahlzeiten zu kochen, in den Gärten Unkraut zu jäten, die Pflanzen zu bewässern, mit dem Rechen den Sand vor dem Haus gleichmäßig zu verstreichen und die Autos zu waschen. Noch vor Sonnenuntergang mussten sie das Dorf verlassen und eine der zwei Kontrollstellen passieren, wo sie ein handgeschriebenes Papier des „Baas“ (Boss, Meister, Herr des Hauses) vorzuzeigen hatten, dass sie im Haus oder im Garten arbeiteten. Nur dieses Papier berechtigte die Schwarzen, das Dorf „For Whites Only“ nach Sonnenaufgang zu betreten und vor Sonnenuntergang zu verlassen. Vor dem Durchgang neben der Sperrschranke wurde kontrolliert wie beim Grenzübergang von einem Land zum andern. Die Schwarzen hatten ihre Plastiktüten vor dem Wachhabenden zu öffnen, damit dieser reinschauen und mit seinen Fingern darin rumwühlen konnte. Oft schüttete er den Tüteninhalt auf dem Kontrolltisch aus, um sich persönlich von den schwarzen Armseligkeiten zu überzeugen. Dort am „Grenzübergang“ mussten sich die Schwarzen die Leibesvisitation durch weiße Wachsoldaten gefallen lassen. „Die Situation“, fuhr Herr C. fort, „hat sich in den letzten Wochen deutlich verschlechtert, da die Aktivitäten der SWAPO ständig zunehmen und ihre Leute die Bevölkerung immer mehr mit ihren Kampfparolen aufhetzen. Dort bekommen sie Unterschlupf und Verpflegung. Es ist deshalb unvermeidlich, dass die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt werden.“ Dr. Ferdinand hielt sich die primitiven Granatbunker vor Augen, diese gemauerten Kästen von der Größe großer Hundehütten, die sich unter Sandsäcken neben jedem Haus verbargen und von denen nur die Ein- und Auskriechluken zu sehen waren, welche die Hunde zum Schlafen benutzten. Dass es seit Langem eine UN-Resolution 435 gab, das erwähnte Herr C. nicht, als entspräche diese Resolution nicht dem Buren-Konzept von Gegenwart und Zukunft mit dem gleichen Anspruch aller Menschen auf Frieden, Freiheit, Achtung und menschliche Würde. Dr. Ferdinand tat gut daran, sich aufs Zuhören zu konzentrieren. So konnte sich Herr C. aussprechen, während die Kinder sich vor dem Haus vergnügten. Seine Ausführungen, die unter der Überschrift „Ansichten eines Buren über Gegenwart und Gesellschaft“ stehen konnten, wurden gegen zwölf Uhr unterbrochen, als Dr. Witthuhn in seinem zu kurzen Morgenmantel erschien, der noch schiefer hing als in der vergangenen Nacht und wegen der Bauchfülle die Vorderansicht der Unterhose freigab, wobei die männlichen Geschlechtsteile noch verdeckt blieben. Mit verschlafenem Gesicht, geröteten Augen und einem Anflug des Gähnens begrüßte er Herrn C., dessen Frau und die Kinder, als diese hereinstürzten, weil sie seine sonore Bassstimme draußen gehört hatten. Sie gaben ihm die Hand zur Begrüßung, konnten dabei das Missverhältnis von Bademantel und Körperfülle nicht übersehen und rannten wieder heraus, wo sie sich wegen dieser Unstimmigkeit vor Lachen ausschütteten. „Ich mache erst einmal einen Kaffee.“ Dr. Witthuhn ging in die Küche, legte einen neuen Papierfilter in die Kaffeemaschine, verschüttete von den hoch gehäuften Löffeln einen Teil, füllte den Behälter bis zum Rand mit Leitungswasser, in dem kleine Flocken auf und ab wirbelten, und stellte die Kaffeemaschine an, die vor braunen Flecken strotzte. Er kam mit einem Tablett zurück und stellte es mit Tassen, Teelöffeln, Milchkännchen ohne Henkel und der angekatschten Zuckerdose auf die Glasplatte des Klubtisches. Er nahm seinen Platz auf der zweisitzigen Couch neben Herrn C. ein, ließ sich ins Polster sinken und zog die Zipfel des Bademantels über seine Schenkel, während in der Küche die Kaffeemaschine röchelte und ein anregendes Aroma bis in den Wohnraum