12 Jahre als Sklave. Solomon Northup

Читать онлайн.
Название 12 Jahre als Sklave
Автор произведения Solomon Northup
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783847676683



Скачать книгу

getrennt zu werden. Mary, ein großes, schlankes Mädchen, von einem höchst tiefen Schwarz, war teilnahmslos und offenbar allem gegenüber gleichgültig. Wie viele unserer Klasse, wusste sie kaum, dass es überhaupt so ein Wort wie Freiheit gab. In der Unwissenheit von Vieh aufgezogen, besaß sie wenig mehr Intelligenz als ein Stück Vieh. Sie war eine von denjenigen, und davon gibt es sehr viele, die nichts fürchten außer der Peitsche ihres Herrn, und keine andere Pflicht kennen, außer seiner Stimme zu gehorchen. Die andere war Lethe. Sie war von einem völlig anderen Charakter. Sie hatte langes, gerades Haar, und besaß eher das Erscheinungsbild eines Indianers als einer Schwarzen. Sie besaß scharfe und boshafte Augen und äußerte sich unablässig in der Sprache von Hass und Rache. Ihr Ehemann war verkauft worden. Sie wusste nicht, wo sie war. Ein Wechsel ihrer Herren, da war sie sich sicher, konnte nicht zum Schlechteren sein. Sie kümmerte es nicht, wohin man sie bringen mochte. Auf die Narben auf ihrem Gesicht deutend, gab die verzweifelte Kreatur ihren Wunsch kund, dass sie den Tag erleben wollte, wo sie sie im Blut eines Mannes abwaschen konnte!

      Während wir auf diese Weise unsere gegenseitigen Geschichten des Elends erfuhren, setzte sich Eliza alleine in eine Ecke, sang Kirchenlieder und betete für ihre Kinder. Erschöpft vom Mangel an Schlaf, konnte ich nicht länger den Avancen des „süßen Wiederherstellers“ widerstehen, und legte mich an die Seite Roberts auf den Boden, vergaß bald meine Sorgen und schlief bis zur Dämmerung des Tages.

      Am Morgen, nachdem wir unter Goodins Beaufsichtigung den Hof gefegt und uns gewaschen hatten, wurde uns befohlen, unsere Decken zusammenzurollen und uns bereitzumachen für die Fortsetzung unserer Reise. Clem Ray wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass er nicht weiter mitkommen würde. Burch hatte aus irgendeinem Grund beschlossen, ihn wieder zurück nach Washington zu bringen. Clem war höchst erleichtert. Nachdem wir uns die Hände geschüttelt hatten, trennten wir uns im Sklavenpferch von Richmond, und ich habe ihn seitdem nicht mehr getroffen. Aber ich habe nach meiner Rückkehr zu meiner größten Überraschung erfahren, dass er aus der Knechtschaft geflohen und auf dem Weg zum freien Boden von Kanada war, wobei er eine Nacht im Haus meines Schwagers in Saratoga logierte, und dabei meine Familie über meinen Aufenthaltsort und meinen Zustand informierte, als er mich zuletzt gesehen hatte.

      Am Nachmittag wurden wir in Zweierreihen aufgestellt, Robert und ich vorneweg, und in dieser Aufstellung von Burch und Goodin vom Hof aus durch die Straßen Richmonds zur Brigg Orleans getrieben. Diese war ein Schiff von achtbarer Größe, voll aufgetakelt und zum größten Teil mit Tabak beladen. Bis fünf Uhr waren wir alle an Bord. Burch brachte jedem von uns eine Blechtasse und einen Löffel. Wir waren etwa zu vierzig auf der Brigg, alle bis auf Clem, die sich im Sklavenpferch aufgehalten hatten.

      Ich begann mit einem kleinen Taschenmesser, das mir nicht weggenommen worden war, meinen Namen in die Blechtasse zu ritzen. Die anderen versammelten sich augenblicklich um mich herum und baten mich, die ihren auf ähnliche Weise zu markieren. Nach einiger Zeit hatte ich alle zufrieden gestellt, was sie sicher nicht so schnell vergessen würden.

      In der Nacht wurden wir alle im Laderaum untergebracht und die Luke verriegelt. Wir lagen auf Kisten oder wo auch immer genügend Platz war, die Decken auf dem Boden auszubreiten.

      Burch begleitete uns nicht weiter als bis Richmond, von wo er mit Clem in die Hauptstadt zurückkehrte. Es mussten zwölf Jahre verstreichen, bis zum letzten Januar, um genau zu sein, ehe ich im Washingtoner Polizeirevier meinen Blick wieder auf sein Gesicht richtete.

      James H. Burch war ein Sklavenhändler – einer der Männer, Frauen und Kinder zu niedrigen Preisen kaufte und sie mit Gewinn wieder verkaufte. Er war ein Spekulant in Sachen menschlichen Fleisches – ein anrüchiger Beruf – und wurde als solcher im Süden betrachtet. Vorläufig verschwindet er aus den Szenen, die in diesem Bericht wiedergegeben werden, doch er wird vor dem Ende erneut auftauchen, nicht in der Rolle eines Menschen auspeitschenden Tyrannen, sondern als verhafteter, unterwürfiger Verbrecher vor einem Gericht, welches ihm keine Gerechtigkeit zukommen ließ.

       KAPITEL V.

      ANKUNFT IN NORFOLK – FREDERICK UND MARIA – ARTHUR DER FREIE – ZUM STEWARD ERNANNT – JIM, CUFFEE UND JENNY – DER STURM – BAHAMA BANKS – DIE RUHE – DIE VERSCHWÖRUNG – DAS LANGBOOT – DIE POCKEN – ROBERTS TOD – MANNING, DER SEEMANN – DAS TREFFEN IM VORSCHIFF – DER BRIEF – ANKUNFT IN NEW ORLEANS – ARTHURS RETTUNG – THEOPHILUS FREEMAN, DER EMPFÄNGER – PLATT – ERSTE NACHT IM SKLAVENPFERCH VON NEW ORLEANS.

      Nachdem wir alle an Bord waren, setzte die Brigg Orleans ihre Reise den James River hinab fort. Wir gelangten in die Chesapeake Bay und kamen am nächsten Tag gegenüber der Stadt Norfolk an. Während wir vor Anker lagen, näherte sich uns ein Leichter aus der Stadt, der vier weitere Sklaven brachte. Frederick, ein Junge von achtzehn Jahren, war als Sklave geboren, wie auch Henry, der einige Jahre älter war. Sie waren beide Hausdiener in der Stadt gewesen. Maria war ein recht vornehm aussehendes farbiges Mädchen, von makelloser Gestalt, doch unwissend und äußerst eitel. Die Vorstellung, nach New Orleans zu kommen gefiel ihr. Sie unterhielt eine übertrieben hohe Vorstellung von ihrer eigenen Anziehungskraft. Eine hochmütige Miene aufsetzend, erklärte sie ihren Gefährten, dass sie unmittelbar nach unserer Ankunft in New Orleans, da hatte sie keinen Zweifel, ein wohlhabender, alleinstehender Gentleman mit gutem Geschmack vom Fleck weg kaufen würde!

      Doch der hervorstechendste der Vier war ein Mann namens Arthur. Während sich der Leichter näherte, rang er beherzt mit seinen Wärtern. Nur mit äußerster Gewalt konnten sie ihn an Bord der Brigg zerren. Er protestierte mit lauter Stimme gegen die Behandlung, die ihm zuteil wurde, und verlangte, freigelassen zu werden. Sein Gesicht war angeschwollen und mit Wunden und blauen Flecken bedeckt, und in der Tat war die eine Hälfte eine vollständige offene Wunde. Er wurde in aller Eile durch die Ladeluke in den Frachtraum gedrängt. Ich bekam einen Abriss seiner Geschichte mit, als er zappelnd über Deck getragen wurde, und von der er mir später einen vollständigeren Bericht lieferte, und der war folgendermaßen: Er hatte lange in der Stadt Norfolk gelebt und war ein freier Mann. Er hatte eine Familie, die dort lebte und war von Beruf Maurer. Nachdem er bei der Arbeit ungewöhnlich lange aufgehalten worden war, kehrte er eines Abends spät zu seinem Haus im Vorort der Stadt zurück, als er von einer Bande aus mehreren Personen auf einer unbelebten Straße angegriffen wurde. Er kämpfte, bis ihn seine Kraft verließ. Endlich überwältigt, wurde er geknebelt, mit Seilen gefesselt und geschlagen, bis er ohnmächtig wurde. Mehrere Tage lang hielten sie ihn im Sklavenpferch von Norfolk versteckt – eine sehr gewöhnliche Einrichtung, wie es scheint, in den Städten des Südens. In der Nacht zuvor hatte man ihn dort hinausgebracht und an Bord des Leichters gesteckt, der sich daraufhin vom Ufer abgestoßen und unsere Ankunft erwartet hatte. Er setzte seine Beteuerungen eine ganze Weile fort, und gab sich insgesamt unversöhnlich. Schließlich jedoch wurde er ruhiger. Er versank in eine finstere und gedankenvolle Stimmung und schien mit sich selbst ins Gericht zu gehen. In dem entschlossenen Gesicht des Mannes war etwas, etwas, das den Gedanken an Verzweiflung nahe legte.

      Nachdem wir Norfolk verließen, wurden uns die Handschellen abgenommen und während des Tages war es uns gestattet, an Deck zu bleiben. Der Kapitän wählte Robert als seinen Kellner aus und ich wurde ausersehen, die Küche zu überwachen, sowie die Verteilung von Essen und Wasser. Ich hatte drei Gehilfen, Jim, Cuffee und Jenny. Jennys Aufgabe war es, den Kaffee zuzubereiten, der aus Maismehl, in einem Kessel geröstet, bestand, und mit Melasse gekocht und gesüßt wurde. Jim und Cuffee backten die Fladenbrote und grillten den Speck.

      Neben einem Tisch stehend, der aus einem breiten Brett bestand, das auf einigen Fässern lag, schnitt und überreichte ich jedem eine Scheibe Speck und ein Stückchen Brot, und schüttete aus Jennys Kessel ebenfalls für jeden einen Becher Kaffee aus. Auf Teller wurde verzichtet und ihre schwarzen Finger mussten die Stelle von Messer und Gabel einnehmen. Jim und Cuffee waren sehr ernst und aufmerksam, ein wenig aufgeblasen wegen ihrer Stellung als zweite Köche, und ohne Zweifel der Meinung, eine große Verantwortung laste auf ihnen. Man nannte mich Steward – ein Name, der mir von dem Kapitän gegeben wurde.

      Die Sklaven wurden zweimal am Tag gefüttert, um zehn und um fünf Uhr – erhielten immer dieselbe Art und Menge von Kost, und auf dieselbe Weise wie oben beschrieben. Bei Nacht wurden wir in den Laderaum getrieben