Название | Die Hoffnung aus dem Jenseits |
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Автор произведения | Sabine von der Wellen |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Hoffnung aus dem Jenseits |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753184159 |
Ich weiß, sie will mich beruhigen und mir meine Angst nehmen. Eine dumme Angst, wenn man mal bedenkt, dass ich schon ein Messer in die Schulter gejagt bekam, angeschossen wurde und mich ein Pulk Drogendealer vertrimmte, dass ich dachte, meine letzte Stunde hätte geschlagen. Aber diese Hochzeit macht mich einfach schrecklich nervös. Ich habe schon etliche Drogendeals in meinem Leben hinter mich gebracht, so oft bei den unberechenbarsten Typen Geld eingetrieben … aber noch niemals geheiratet. Und Carolin streicht mir über die Wange und will mich einfach nur aufmuntern und mir das ungute Gefühl nehmen.
„Und Dienstag ist alles geklärt?“, frage ich dennoch verunsichert.
„Das regeln meine Eltern. Mach dir keine Gedanken“, sagt Carolin. „Die Männer waren heute schon los und haben bei unserem Nachbarn im Wald eine Tanne gefällt und einen ganzen Anhänger voll Tannengrün nach Hause gekarrt. Und die Frauen haben sich um die Blumen gekümmert. Deine Eltern sind jetzt bestimmt auch da. Die werden sich noch wundern!“ Carolin kichert belustigt.
Ich schiebe meinen Kopf weiter an ihre Hand, die einen Augenblick aufgehört hatte, meine Haare zu durchfurchen. Ich liebe das. Es beruhigt mich.
„Ich habe das Ganze noch gar nicht richtig kapiert“, sage ich leise.
Carolin erklärt lächelnd: „Da gibt es nicht viel zu verstehen. Die Nachbarn des Elternhauses treffen sich, holen Tannengrün aus dem Wald, binden Blumen aus Krepppapier und binden aus dem ganzen Zeug einen Kranz für die Tür des Saals. Dabei wird ordentlich getrunken und gefeiert.“
„Und warum müssen wir erst Dienstag dort hin und nicht heute?“
„Weil sie heute nur vorbereiten. Die Männer holten das Tannengrün aus dem Wald und die Frauen machten die Blumen. Das Zusammenbinden des ganzen Kranzes ist dann am Dienstag. Und da fahren wir dann auch hin und bringen ihnen Süßigkeiten und Schnaps.“
„Oh Mann, ihr habt ja Sitten!“
Carolin lacht auf und meint belustigt: „Das werden deine Eltern auch denken, wenn sie heute dort mitmachten. Ich fand es schon lustig, wie dein Vater sich auf seine Waldtour vorbereitete hatte. Der war in voller Wandermontur oder als wolle er einen Berg erklimmen.“
Ich muss auch lachen. Schließlich besitzen wir einige Sportbekleidungsgeschäfte, wo diese Art von Trekkingbedarf fast eine ganze Abteilung einnimmt.
„Mein Vater ist sowieso völlig aus dem Häuschen. Der kann bestimmt nicht mehr schlafen, weil ich heirate!“
Carolin sieht mich ernst an. Leise raunt sie: „Ich finde es süß, wie sehr er jetzt alles für dich tut, damit es dir gut geht.“
Ich kann mir ein bitterböses: „Das hätte er mal vor zwanzig Jahren anfangen sollen“, nicht verkneifen. Aber ich bin nicht mehr wütend auf meine Eltern. Ich hatte viel im letzten Jahr dazugelernt. Ich musste selbst erkennen, dass man nicht immer die Chance hat, das, was man liebt, zu beschützen. Wenn die Mühlen erst mal mahlen, kann man die Dinge oftmals nicht mehr aufhalten und ist sogar dazu verdammt, das Geschehene nur noch hinnehmen zu können. Und ich musste auch erkennen, dass man schnell mit der Situation überfordert ist und unter Umständen dann das Falsche tut, weil man die Situation falsch einschätzt. Meine Eltern glaubten damals, dass ich mich nach meiner Entführung durch mein Kindermädchen von ihnen zurückzog, während ich dachte, dass sie mich nicht mehr wollen und mögen, wie mir das diese Daniela eingebläut hatte. Und ich hatte bei Carolin, als sie sich im Krankenhaus so lange vor mir verschloss, gedacht, sie will mich nicht mehr, weil sie wegen Tim trauerte. Dabei glaubte sie, ich würde sie nicht mehr wollen und meinte deshalb, nicht mehr ins Leben zurückkehren zu können. Ich hatte viel Lehrgeld aus dieser Sache gezogen. Wir alle! Und jetzt ist mein Verhältnis zu meinen Eltern erträglich.
Ich bin froh darüber, obwohl ich mir mein Leben lang eingeredet habe, dass ich sie nicht brauche und sie mir völlig gleichgültig sind.
Carolin krault mich weiter, ohne auf meinen Einwand zu antworten. Darum erkläre ich: „Aber ich bin froh, dass sie das alles mit deinen Eltern in die Hand genommen haben. Ich hätte nicht gewusst, was wir bei der ganzen Sache bedenken müssen.“
„Ich bin auch froh. Mir reicht, dass wir das Paar sind, das heiratet. Mit dem anderen Stress wäre ich echt überfordert. Und unsere Eltern verstehen sich wirklich gut. Wer hätte das gedacht?“
„Ja, das tun sie“, kann ich nur zustimmen und schiebe meine Hand unter ihren Pullover. „Aber es gibt etwas, das schaffen wir ganz allein“, grinse ich und sie fragt, sich dumm stellend: „Echt! Was denn?“
„Das zeige ich dir jetzt“, sage ich und küsse sie, meinen Griff um sie wieder verstärkend. Ich will sie für mich … ein Leben lang.
Am Dienstagabend fahren wir zu Carolins Eltern. Meine Eltern sind auch da, was mich ein wenig irritiert. Sie nehmen sich wirklich viel Zeit für diese Kranzbindegeschichte und ich merke an diesem Abend schnell, warum. Die beiden haben dabei sichtlichen Spaß.
Carolin stellt mich allen Anwesenden vor und ich sehe mich lauter älteren, gestanden Bauern mit ihren Frauen gegenüber, die, wie ich feststellen muss, nicht nur überaus nett sind, sondern auch trinkfest. Und das, was sie da zusammenbinden, überwältigt mich. Vollkommen verdattert stehe ich vor einer bestimmt schon zehn Meter langen, vollkommen gleichmäßig gebundenen, bestimmt dreißig Zentimetern dicken grünen Schlange, die rundum mit rotweißen Blumen geschmückt ist, die sich in genau eingehaltenen Abständen um die Tannenschlange winden. Unglaublich!
Ich reiche die Süßigkeiten herum, während Carolin den Job mit dem Jägermeister, Sahnelikör und Kirschlikör übernimmt und immer wieder einen mittrinken muss. Ich beobachte sie dabei und sehe sie wirklich sehr ausgelassen mit ihren alten Nachbarn umgehen. Diese Art ihrer Welt war mir bisher verborgen geblieben. Wie so vieles. Ich habe heute das erste Mal ihr Kinderzimmer gesehen. Wir waren kurz hochgelaufen, weil sie mir ihr altes Reich zeigen wollte, bevor wir auf die riesige Terrasse gingen, auf der das Kranzbinden stattfindet. Mir schoss natürlich gleich, dass dies Tims und Marcels Welt war. In ihrem Bett hatte sie mit Marcel das erste Mal Sex gehabt. Eine bittere Pille für mich, weil für mich Carolins Vergangenheit ein Graus ist. Sie hätte mir von Anfang an gehören sollen, und jeder, der sie jemals angefasst hat, ist für mich ein unerträglicher Gedanke.
Aber draußen, bei den schwer arbeitenden Kranzbindern, die das machen, als täten sie nie etwas anderes, vergesse ich das alles schnell wieder. Und ich finde heraus, was das ganze Grün an Ort und Stelle hält. Eine der älteren Frauen erklärt es mir, während sie auf einem Stuhl sitzt und das Tannengrün von Carolins Mutter und die Blumen von meiner Mutter entgegennimmt. Etwa drei Meter entfernt sitzt eine weitere Gruppe und machte es ihnen gleich.
„Man nimmt ein Seil …“, erklärt mir die Frau mit geröteten Wangen und schon etwas glasigen Augen, weil wohl schon einiges getrunken wurde, „das so lang ist, wie man den Kranz haben will. Wir haben uns fünfzehn Meter vorgenommen.“ Sie grinst und ich schaue auf die grüne Schlange zwischen den Gruppen, die sich schon zu einer Serpentine über das rote Pflaster der Terrasse schlängelt. „In der Mitte macht man einen Knoten und dann geht es los. Zwei Gruppen arbeiten gegeneinander und befestigen mit Draht das Tannengrün und die Blumen um das Seil herum. Schau, es ist nicht mehr viel, was wir noch machen müssen.“
Ich hebe das Stück Seil hoch, das noch ungebunden von ihrem Schoß fällt. Noch gut zwei Meter sind zu schaffen. Die andere Seite hat noch ein wenig mehr.
Dass die sich so viel Stress für mich machen, kann ich nicht fassen. Und sie kennen mich nicht mal.
Ich reiche ihnen die Pralinenkisten und sie greifen beherzt zu, bevor ich zu den Männern gehe, die immer neues Tannengrün vom Anhänger holen, vor dem ein imposanter, riesiger Trecker steht.
„Was ist das denn, Erik? Willst du uns vertrocknen lassen?“, ruft einer und ich bin etwas irritiert, als Carolin hinter mir erscheint und lacht. „Dafür bin ich da! Erik ist für das Essen zuständig