Tahiti. Gerstäcker Friedrich

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Название Tahiti
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754103715



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hier geblieben sind, waren schon ältere Leute und brachten auch meistens ihre Familien, die ihnen an Stand und Erziehung gleich waren, mit sich. Fast alle diese kamen hierher, ein Geschäft zu treiben und sich ein Vermögen zu erwerben, und sie werden fast alle wieder nach Europa zurückkehren, wenn ihre Kinder erwachsen sind. Dorthin passen sie auch – ihre Frauen stammen selbst von dort und sehnen sich nach dort zurück, und sie lassen dann nichts hier zurück, als eine freundliche Erinnerung. Die Fasern ihres Herzens haben nicht zwischen den Palmen und Bananen Wurzel geschlagen.

      „Sehr viele von ihnen haben auch indianische Mädchen geheirathet - die ersten und hübschesten, die ihnen begegneten - auf allen Inseln zerstreut finden Sie solche Beispiele; aber es sind das fast nur einzig und allein rohe Matrosen, denen das müßige Leben zusagt, die sich auch in ihrem Vaterlande in keinen anderen Cirkeln bewegt haben, als wo das materielle Wohl ihr Hauptziel und Streben war. Aber /84/ selbst diese verlassen gewöhnlich, nach einer längeren Reihe von Jahren, ihr leicht genug angetrautes Weib; selbst diesen genügt zuletzt nicht mehr diese tropische Ruhe, und sie sehnen sich nach Abwechslung, nach einer Veränderung ihrer Verhältnisse, sollten sie diese auch wieder mit harter Arbeit, ja sogar dem früheren Leben erkaufen müssen.

      „Auf Tahiti haben Sie einige wenige Beispiele unter Ihren Landsleuten, die sich mit tahitischen Mädchen wirklich verheiratet haben; jetzt sind diese Frauen jung und schön, sie könnten sie nach Europa zurückführen und vielleicht stolz darauf sein - wenn Sie das Gefühl einer etwas wunderlichen und bizarren Eitelkeit so nennen wollen. Werden sie aber alt - weibliche Körper blühen und verblühen in unserem tropischen Klima so rasch wie unsere üppige Pflanzenwelt - dann ist das vorbei. Sie können keine alte indianische Frau nach Europa bringen, sie dort in Ihre Kreise einführen. - Sie möchten das auch nicht, denn Sie wüßten recht gut, wie Sie hinter Ihrem Rücken dem Gespötte der Menge, welche die näheren Beweggründe nicht kennt und nicht achtet, verfallen würden. Und wollen Sie das Wesen, das sich an Sie angeschlossen hat und mit Herz und Seele an Ihnen hängt, nicht unglücklich und elend machen, so müssen Sie bei ihm und hier auf den Inseln bleiben, und Unmuth und Sehnsucht nach einem andern Leben zehrt dann an Ihnen weit schlimmer und gewaltiger, als es an dem jungen Herzen gethan. Dem lag die Welt noch frei - es konnte noch dem ersten Drange folgen, ob ihn der auch gleich manchmal irre führte. Jetzt aber ist das vorbei - die Möglichkeit, frei zu handeln, ist genommen und nur der Drang selber geblieben, der dann wie ein ewiger Wurm an Ihrem Herzen nagt.

      „Ich spreche nach mehreren Beispielen, die ich selber kenne, junger Mann, und die innige Liebe auch, die ich für Prudentia fühle, macht mich besorgt, ihr ein solches Schicksal ersparen zu wollen. Prudentia ist, wie ich Ihnen schon gesagt habe, und wie Sie auch selber nach einem Zusammensein mit ihr von mehreren Wochen gewiß finden mußten, keins der gewöhnlichen sinnlichen Mädchen dieser Inseln, die sich /85/ dem Ersten Besten, ohne Arges dabei zu denken, hingeben, und gar nichts Anderes erwarten, als daß er sie, sobald er ihrer müde ist, wieder verläßt. Ich fürchte im Gegentheil, Sie haben Prudentia's Herz schon zu sehr gewonnen; jetzt wäre aber doch noch vielleicht eine Trennung möglich. - Sie würden Beide an diese Zeit wie an einen schönen Traum zurückdenken, von dem es das Herz nur eine kurze Zeit schmerzt - daß es eben nichts weiter als ein Traum war; aber Sie können Beide auch dadurch vielleicht einen verfehlten Lebensziele entweichen, das dann später nicht mehr zu ändern wäre und leider für Beide auch verderblich werden müßte.

      „Ich bin fest überzeugt, daß Sie in diesem Augenblick Prudentia mit aller Leidenschaft einer innigen, vielleicht gar ersten Neigung lieben - aber wird der alte Hang eines unsteten Lebens, das in dem Herzen nur erst eingewurzelt, gar zu so leicht verderblich werden kann, diesem Herzen in dem Stillleben unserer Inseln Ruhe und Frieden lassen? - Unsere Palmen sind grün und herrlich - aber so wie sie dort stehen, stehen sie das ganze Jahr - kein gilbendes, fallendes Blatt, keine Schneedecke, keine auskeimenden wachsenden Knospen geben ihnen im nächsten Frühjahr immer wieder denselben Reiz. - Unsere Bäume sind mit Früchten bedeckt - aber die Blüthenzeit fehlt uns - wir brauchen die Frucht nie zu erwarten - zu erhoffen - sie hängt voll und reif am Baume, während heimlich, von uns kaum bemerkt, andere indessen nachblühen und nachwachsen, die fehlenden immer wieder zu ersetzen und die Plätze der niederfallenden auszufüllen. Wir kennen auch hier nicht die Sorgen und Mühen des Lebens - das Salz jedes gesellschaftlichen Verkehrs, durch das eine erworbene Existenz erst ihren ganzen uns beglückenden Reiz gewinnt - wir stehen Morgens auf und essen und trinken und legen uns Abends wieder schlafen. Nachrichten von der äußern Welt dringen nur selten zu uns, und wie sie kommen, wäre es fast bester, sie blieben ganz aus, denn anstatt zu befriedigen lassen sie, selbst in dem Herzen der Aeltesten von uns, eine Leere zurück, die wir vergebens auszufüllen suchen. /86/

      „Wollen Sie nun mit Ihrem jungen thatkräftigen Herzen in dieses felsenumgürtete Thal, aus dem es keine Rückkehr für Sie giebt, hinabspringen? - schauen Sie um sich her, junger Freund - noch stehen Sie oben - noch liegt die ganze übrige Welt ausgebreitet vor Ihren Blicken - haben Sie nichts, nichts mehr darin, was auch nur den geringsten Anhaltepunkt an Ihr Herz hätte? - bedenken Sie, bei einem sinkenden Schiff kann das kleinste, unbedeutendste vergessene Tau das Boot, auf dem sich der Schiffbrüchige sonst vielleicht sicher den Wellen anvertrauen könnte, rettungslos mit in den Abgrund ziehen."

      Der alte Mann schwieg, und eine Thräne zitterte in seinem Auge; ernst und forschend schaute er dabei den jungen Mann an, und es war, als ob er seine innersten Gefühle ergründen wollte, ehe sie auf die Lippen kämen - ja wahrer, als sie der Mund vielleicht auszusprechen vermöchte. René begegnete aber, zwar gerührt, doch fest entschlossen, dem Blick und erwiderte endlich mit fester Stimme:

      „Sie verstehen es, alter Herr, Einem Herz und Seele mit Ihren Worten zu fassen, aber ich springe getrost hinab in das Thal, denn da oben blüht für mich kein Glück, keine Freude mehr. Die Meinen sind todt oder schlimmer als so - ich stehe eine Waise in der Welt, weder Bruder noch Schwester leben, die Ansprüche auf meine Nähe machen dürften; Alles, was mein Herz sonst hätte binden können, ist für mich verloren, und stießen Sie mich jetzt wieder kalt und erbarmungslos in die Welt zurück, ich müßte rettungslos untergehen - und wäre recht elend. Auch Sadie hängt mit inniger Liebe an mir, und ihr Herz ist nicht geschaffen, einmal zu lieben und so leicht wieder vergessen zu können - wollten Sie auch aus ihrem Herzen die erste Neigung reißen? - Sie haben Sadie zu lieb dazu, wenn ich selber Ihnen auch gleichgültig sein müßte. Aber - ich kann mich auch irren," brach er dann plötzlich ab - „ich täusche mich vielleicht selber in Sadie's Herzen, und ihre Neigung wäre eines Rückschrittes fähig. - Sprechen Sie selbst mit ihr, werther Herr - fragen Sie das Mädchen selber, und halten Sie unsere Vereinigung für gefahrbringend für sie, und /87/ glaubt Sadie, daß sie mir jetzt noch ohne großen Schmerz entsagen könne - dann, beim ewigen Gott, will ich nicht in den Frieden dieses Thales getreten sein, Thränen und Kummer zu säen, dann sollen Sie finden, daß ich auch im Stande bin zu entsagen, und wenn mir des Herz darüber bräche. Kein Wort des Unmuths - keine Klage soll über meine Lippen kommen, das erste beste Canoe mich zu einer andern Insel - aus ihrer Nähe führen."

      Er war aufgesprungen, und seine Mütze ergreifend wollte er das Zimmer verlassen, der alte Missionär streckte ihm aber die Hand entgegen und sagte mit herzlichem, bewegtem Tone:

      „Das ist recht brav und ehrlich von Ihnen gehandelt, junger Mann und ich gebe ihnen mein Wort, ich habe auch, seit dem ersten Augenblick, wo ich Sie sah, noch nicht einen Augenblick daran gezweifelt, daß Sie Alles so auch fühlten, wie Sie es dem Mädchen versprochen. Ich kenne übrigens Prudentia oder, wenn Sie denn lieber wollen, Sadie viel zu gut um bei ihr langer Rede zu bedürfen. In wenigen Minuten haben Sie meine Antwort, treten Sie indessen hier in das nächste Haus - aber glauben Sie nicht, junger Freund, daß ich Ihnen das Wort reden werde," setzte er ernster hinzu, „Sie müssen es meinem Gewissen überlassen mit Sadie zu handeln, wie ich es vor dem verantworten kann."

      „Handeln Sie, als wenn Sie ihr Vater wären," sagte René herzlich - „ich will Sadie's Glück, nicht das meine," und er verließ mit schnellen Schritten das Zimmer.

      Auf des alten Mannes Ruf betrat das Mädchen schüchtern und mit niedergeschlagenen Blicken das Gemach. - Sie schaute nicht auf, aber sie fühlte, daß René nicht mehr im Zimmer sei, und ihr Herz klopfte fast hörbar in der Brust. - Ihr Vater hatte ihn abgewiesen, und der schöne Traum ihres Glücks war in