Tahiti. Gerstäcker Friedrich

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Название Tahiti
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754103715



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zwischen den Korallenbüschen spielen und sich haschen - sonst hätte ich mich ja vor Dir verstecken müssen" - setzte sie treuherzig hinzu. „Und nun komm, mein Freund - Mitonare steht schon da unten vor seiner Thür und schaut sich überall nach uns um. Er hat Dein Mahl bereitet, was Du nicht im Stich lassen darfst, und gegen Abend komm' ich und hole Dich ab."

      „Und jetzt willst Du mich verlassen, Sadie?" bat René.

      „Du mußt Dich jetzt schon ein bischen mit Mitonare /62/ unterhalten," lächelte das junge Mädchen neckisch, „ich kann Dir nicht helfen - wir sind aber dann den ganzen Abend zusammen," setzte sie tröstend hinzu, und als ob sie trotz dem Versprechen einen vielleicht zu zärtlichen Abschied fürchte, glitt sie wie ein Reh durch die Seitenbüsche dieser natürlichen Laube und war im nächsten Moment im Dickicht verschwunden.

      René, das Herz voll und überglücklich, saß noch eine lange Zeit an diesem wunderlichen Platz, der ihm durch das neue und so gewaltig in seinem Herzen ausgekeimte Gefühl förmlich heilig geworden war - er hatte ganz vergessen, daß der kleine Missionär mit dem Essen auf ihn warte. Desto mehr dachte dieser aber daran, und als der fremde Wi-wi, wie er ihn jetzt immer schmunzelnd nannte, gar nicht kommen wollte, schickte er seine ganze Schule nach allen Richtungen auf Kundschaft aus, und René fand sich bald von drei oder vier jungen nackten Burschen aufgetrieben, die ihm lachend und schreiend eine Masse Zeug vorplauderten, von dem er keine Silbe verstand. Nur das dann und wann wiederkehrende Wort Mitonare rief ihn seinen kleinen freundlichen Wirth in's Gedächtniß zurück, und er folgte der muntern Schaar, die, rasch zutraulich geworden, ihn umsprang und umjubelte. Dem kleinen Mitonare schien übrigens ein Stein vom Herzen zu fallen, als er seinen so heiß ersehnten Gast erblickte, und er versicherte ihm, er habe schon eine volle Stunde mit Schmerzen auf ihn gewartet, indeß das Essen wahrscheinlich kalt geworden und verdorben wäre. Mitonare war aber viel zu gutmüthig, um böse zu werden, und als René nun tüchtig zulangte und erst mit ihm scherzte und lachte, hatte er an ihm seinen Mann gefunden. Er nannte René den besten Wi-wi, den er je gesehen habe, und das wolle viel sagen, denn er sei schon einmal auf Tahiti gewesen, wo sie wild umherlaufen. Dann erzählte er ihm die tollsten Geschichten aus der alten fröhlichen Heidenzeit - wie sie's hier gehalten und getrieben hätten - natürlich damals, wie er nie vergaß hinzuzusetzen, als wir noch entsetzliche Sünder waren. - Auch auf religiöse Gegenstände kam er ein paar Mal wieder zu sprechen, obgleich die René, so gut das eben gehen wollte, abzulenken suchte. Am meisten schmerzte es ihn, daß sein /63/ Vater in der Hölle sein mußte, denn der war, obgleich ihm die Missionäre damals sehr zugesetzt, ein hartnäckiger Heide geblieben. Aus seinem Großvater schien er sich wenig zu machen.

      René gewann übrigens bald sein ganzes Vertrauen, er zeigte ihm seine Schreibebücher und Rechenexempel, ja sogar sein Allerheiligstes, das wichtigste Document seines Lebens - ein Diplom, was ihm von der Missionsgesellschaft in O-no - wahrscheinlich London - ausgestellt war, und ihn hier als wirklichen „Prediger in der Wüste" anerkannte.

      Dicht neben dem Diplom lag in der kleinen Schieblade, zu der er René geführt hatte, auch ein schmales, nicht sehr langes, aber zierlich gearbeitetes Kästchen aus Sandelholz, das er aber, als René's Auge darauf fiel, rasch bei Seite zu schieben und mit daneben liegenden Papieren zu bedecken suchte. Dadurch wurde aber des jungen Franzosen Neugierde rege gemacht, der es sonst vielleicht gar nicht beachtet hätte, und er drang nun darauf, daß er ihm zeige, was so Geheimnißvolles darin verborgen sei.

      Mitonare wollte erst gar nicht mit der Sprache heraus, endlich aber nahm er das Kästchen vor, hielt es noch eine ganze Zeit lang in der Hand, während sein Auge fast mit einem Ausdruck von Anhänglichkeit darauf ruhte - und dann kam die ganze Geschichte heraus.

      Mitonare war in früherer Zeit - als er noch im blinden entsetzlichen Heidenthum gelebt - ein vortrefflicher und in der That der Haupttätowirer der Insel gewesen, und dies Kästchen enthielt seine damaligen Werkzeuge, die er jetzt allerdings nicht mehr gebrauchte - denn „bodder Au-e" von Tahiti hatte ihm die Augen geöffnet, zu was diese abgöttischen, heidnischen Gebräuche führten - aber doch gewissermaßen noch als eine Art Reliquie aufbewahrte. -

      Trotzdem freilich, daß der kleine Mann Alles aufbot, seinen Gast zu unterhalten, wäre diesem wohl die Zeit zuletzt gar lang geworden, denn er sehnte sich nach weit lieberer Gesellschaft; aber Sadie ließ ihn auch nicht so lange warten, und die Sonne war noch mehrere Stunden hoch, als sie zu ihnen in die Thür trat. - Doch es war nicht dieselbe Sadie /64/ von heute Morgen, als sie leicht geschürzt, das Schultertuch um den nackten Oberkörper flatternd, mit wild tanzenden Locken, hochgerötheten Wangen und blitzenden Augen aus dem Dickicht sprang. Das leichte Schultertuch hatte sie mit dem langen, mehr europäischen Sonntagsgewand vertauscht, und wenn auch ihren Zügen dasselbe liebe Lächeln geblieben war, schien sie doch in den wenigen Stunden ernster, gesetzter, ja älter geworden zu sein.

      Fast schüchtern reichte sie dem jungen Mann die Hand, und sie gingen, als sie bald darauf das Haus verließen, wohl eine ganze Weile schweigend nebeneinander her. Das verlor sich aber bald, René's leichter Sinn ließ ihn nur sein Glück, die Seligkeit des jetzigen Augenblicks fühlen, und Sadie, ats sie sah, daß er sein Versprechen von heute Morgen hielt, verlor bald gleichfalls jede Scheu, jedes ängstliche, sie beengende Gefühl und war, als sie kaum den dunkeln Schatten des Waldes betreten hatten, ganz wieder das fröhliche Kind wie früher. - Sie scherzte und lachte, erzählte dem Freunde tausend drollige Geschichten, beschrieb ihm ihre früheren Tänze und Gebräuche, auch das schöne Tahiti drüben, wo ihre Eltern gewohnt und wo jetzt fremde Menschen Haß und Feindschaft gesäet um Gottes willen, und führte ihn dabei einen schmalen Pfad entlang, unter überhängenden Cocospalmcn hin und, durch fruchtbedeckte Guiaven, Orangen und Brodfruchtbäume nach einem andern kleinen Grundstück, das zu einer Art Gemüsegarten eingerichtet schien, aber auch mit einer Masse Fruchtbäumen, wie tappotappos, Kaffee, Zuckerrohr, Bananen und anderen bepflanzt war.

      Mit der unbedeutendsten Arbeit gab die Erde hier das Hundertfache des ihr anvertrauten Samens zurück, und René glaubte in seinem Leben kein schöneres, herrlicheres Land gesehen zu haben, als diese kleine Insel. Oh wie gern hätte er jetzt zu dem Mädchen von ihrer künftigen Heimath gesprochen, aber als ob sie fühle, daß solche Gedanken in ihm aufsteigen möchten, lenkte sie ihn rasch und geschickt wieder davon ab, zeigte ihm und pflückte für ihn die verschiedenen saftigen Früchte, und führte ihn zuletzt an den Strand hinunter, wo in einer natürlichen kleinen Bai ein schmales langes Canoe /65/ lag. Dies bestiegen sie und fuhren hinaus in das spiegelglatte und krystallhelle Binnenwasser, das durch die außenherum- laufenden Riffe vor jeder eindringenden See geschützt wird, und so still und friedlich in nie gestörter Ruhe liegt, als diese schönen Inseln bis jetzt selber im weiten Ocean lagen.

      René hatte früher noch nie die Bildung dieser Korallenbäume, tief unter dem klaren Wasser, gesehen, und er traute seinen Augen kaum, als sich an mehreren Stellen, zu denen ihn Sadie jetzt selber hinruderte, in Farbenspiel und Form eine ganz neue, nie geahnte Welt vor ihm eröffnete. Er konnte sich nicht satt sehen an den mit Zauberschnelle wechselnden Gruppen und Bildern, und Sadie hatte eine ordentlich kindische Freude darüber.

      „Nun Dir das so gefällt," sagte sie endlich lächelnd, „will ich Dich auch zu meinem Korallengarten bringen und Dir meine kleinen Gold- und Silberfischchen zeigen; die darfst Du mir aber nicht mit der Hand oder dem Ruder scheu machen, denn es sind gar furchtsame kleine Dinger." Und während sie noch sprach, lenkte sie das Canoe weiter den Riffen zu, über die tiefe, dunkelblau daliegende Seitenfahrt, in der selbst große Boote die ganze Insel umsegeln konnten, bis wieder in flacheres Wasser hinein, wo dunkelbraune und röthlich graue Korallenbäume an vielen Stellen selbst bis zur Oberfläche des Wassers emporragten, und dann wieder, von dünnen, feineren Zweigen und Armen durchwachsen, verhältnißmäßig tiefere Stellen zwischen sich ließen oder sie umgaben.

      Ueberall wimmelte es hier von kleinen blauen, gelben, weißen, rothen, gestreiften und gefleckten Fischchen; in Schaaren und einzeln schwammen sie herum, oft als ob ein Blitz zwischen sie eingeschlagen hätte, auseinander schießend, wenn sie irgendwo nur Gefahr zu entdecken glaubten, aber dann auch gleich wieder, wie über ihre unbegründete Furcht beschämt, sich sammelnd und die erst unterbrochenen Spiele auf's Neue beginnend.

      René wollte hier mit dem Canoe kurze Zeit still liegen, dem wunderlichen Treiben da unten zuzuschauen, aber Sadie