Dialoge, Monologe, Interviews. Walter Rupp

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Название Dialoge, Monologe, Interviews
Автор произведения Walter Rupp
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748587613



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Fragen!

      PATIENTIN: Alle?

      THERAPEUTIN: Alle, ausnahmslos! - Stehen Sie unter einer starken psychischen Belastung?

      PATIENTIN: Sie ist manchmal unerträglich.

      THERAPEUTIN: Wir werden zunächst einmal versuchen müssen, die Ursachen ihrer Verhaltensstörung zu entdecken.

      PATIENTIN: Wenn Sie in meiner Umwelt leben müssten. Ich brauche eine andere Umwelt. Vor allem eine andere Vergangenheit. Wenn die Erinnerung nicht wäre.

      THERAPEUTIN: Wann haben Sie Ihre Beschwerden zum ersten Mal bemerkt?

      PATIENTIN: Etwa vor einem Jahr.

      THERAPEUTIN: Kamen sie allmählich oder plötzlich?

      PATIENTIN: Sie waren auf einmal da und überfielen mich.

      THERAPEUTIN: Ging etwas Besonderes voraus?

      PATIENTIN: Ich hatte zum ersten Mal Beschwerden, als ich ein Büro bekam,

      THERAPEUTIN: mit einem Vorzimmer und einer Sekretärin.

      PATIENTIN: Da kam zum ersten Mal das Gefühl der Leere und Sinnlosigkeit über mich. - Seitdem verspüre ich häufig das Verlangen, alle Gegenstände in meinem Büro zu zertrümmern.

      THERAPEUTIN: Legen Sie sich mal auf diese Couch. Nicht so verkrampft, ganz locker.

      PATIENTIN: ... Ich bin entspannt, ich bin ganz locker.

      THERAPEUTIN: Atmen Sie gleichmäßig. Schließen Sie die Augen. Verlassen Sie den Raum, und versuchen Sie, sich an Ihren letzten Traum zu erinnern!

      PATIENTIN: Seit Wochen plagt mich immer derselbe Traum: Ich sehe immer zwei übermächtige Gestalten. Sie sind doppelt so groß wie ich. Sie ähneln Riesen und blicken mich mit ihren kalten Augen drohend an. Der eine sieht aus wie mein Vater, der andere wie mein Abteilungsleiter.

      THERAPEUTIN: ... Wie Riesen ..., drohend ... Bleiben Sie dabei! Denken Sie scharf nach: Was taten die beiden und was sagten sie?

      PATIENTIN: Der eine Riese, der meinem Vater glich, hielt mein Schulzeugnis in Händen, deutete mit einem Finger auf die Noten und sagte dann: "Aus ihm wird nie etwas, nie, nie!". Der andere Riese, der wie mein Abteilungsleiter aussah, nickte pausenlos und fügte hinzu: "Das Zeugnis stimmt. Er ist ein Versager, eine Niete." Beide lachten unaufhörlich. Während sie immer größer wurden, schrumpfte ich zu einem Gartenzwerg zusammen.

      THERAPEUTIN: Sie hätten sich gegen das Schrumpfen wehren sollen.

      PATIENTIN: Kann man das, sich wehren?

      THERAPEUTIN: Natürlich kann man das. - Und was war dann?

      PATIENTIN: Dann kamen von überall her Freunde, Kollegen und Bekannte. Sie warfen mit Kugelschreibern, Radiergummis, Aktenordnern und Stempelkissen auf den Gartenzwerg, streckten ihre Zungen heraus, tanzten um ihn herum und riefen: "Aus diesem Gartenzwerg wird nie ein Riese!"

      THERAPEUTIN: Der Gartenzwerg hat sich das alles gefallen lassen?

      PATIENTIN: Hätte ich mich wehren sollen? Ein Zwerg ist viel zu schwach dazu.

      THERAPEUTIN: Denken Sie an David. Er hat als Knabe den Riesen Goliat besiegt.

      PATIENTIN: Eine unglaubliche Geschichte. - Sie haben Recht. Es darf mir nichts ausmachen, wenn die Leute mich Zwerg nennen. Wenn es mir etwas ausmachen sollte, muss ich es ignorieren. Ich ...

      THERAPEUTIN: Sie müssen sich dagegen wehren! Sprechen Sie dreimal täglich: "Goliat, wo bist du? Komm schon, damit ich dich zermalmen kann".

      PATIENTIN: "Goliat, wo bist du? Komm schon, damit ich dich zermalmen kann!"

      THERAPEUTIN: Dreimal täglich: nach dem Aufstehen, nach dem Mittagessen und abends vor dem Schlafengehen.

      PATIENTIN: "Goliat, wo bist du? Komm schon, damit ich dich zermalmen kann!" - Er kommt nicht. Tatsächlich, er traut sich nicht!

      EHEPAAR ÜBER DAS JENSEITS

      *Auf einer Bank im Friedhof

      FRAU: Ein schöner Abend, heute Abend. Der Mond -

      MANN: Der Sternenhimmel. - Man kann mit bloßem Auge bis zum Ende des Weltalls sehen.

      FRAU: Aber leider kann man nicht sehen, wer sich dort aufhält und was dort zu erleben ist.

      MANN: Du verlangst viel. Da helfen auch die dicksten Teleskope nichts. Du wirst dich noch etwas gedulden müssen.

      FRAU: Vielleicht müssen unsere Seelen wandern. Ich kenne eine Frau, die ein früheres Leben hatte.

      MANN: Du lernst auch die merkwürdigsten Leute kennen.

      FRAU: Ja, sie hat es erzählt, das sie ihrem früheren Leben Kleopatra war.

      MANN: Mir fällt auf, dass sich die Leute nur an ein früheres Leben erinnern, wenn sie Graf oder Zauberer oder ein Steinzeithäuptling waren. Es aber vergessen, wenn einer Dieb, Trinker oder Menschenaffe war.

      FRAU: Das hätte ich mir denken können, dass du von Seelenwanderung nichts hältst.

      MANN: Wenn die Seelen wandern, könnte es geschehen, dass eine Mutter eines Tages ihren Sohn heiratet.

      FRAU: Wer sagt diesen Unsinn?

      MANN: Platon sagt das. –

      FRAU: Und so einer nennt sich Philosoph?

      MANN: Wenn Seelen wandern, könnte es auch sein, dass ein Hund als Herr mit seinem Herrn als Hund spazieren geht. FRAU: Hör auf! Es ist schwer, mit dir ein Gespräch zu führen. Du nimmst nichts ernst.

      MANN: Nur das, was ernst zu nehmen ist.

      FRAU: Ich wüsste gern, ob Marilyn Monroe dort oben angekommen ist?

      MANN: Die wird schon angekommen sein und nicht durchs Weltall irren.

      FRAU: Bei dem Lebenswandel? -

      MANN: Na und ...

      FRAU: Aber dich stört ja so etwas nicht.

      MANN: Wenn die alle nicht ankommen sollten, die einen lockeren Lebenswandel führten...

      FRAU: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei ihr glatt gegangen ist.

      MANN: Dass Du Dir da Gedanken machst? Für dich kann doch nur wichtig sein, dass man an deinem Lebenswandel drüben keinen Anstoß nimmt.

      FRAU: Bei mir ist nicht viel auszusetzen.

      MANN: Das können nur wenige von sich sagen.

      FRAU: Sie hatte doch erstaunlich viele Männergeschichten.

      MANN: Wie gut, dass ich nicht von Dir gerichtet werde. Da hätte ich wohl kaum eine Chance.

      FRAU: Ich kann Unmoral nicht leiden.

      MANN: Ich frage mich, ob Voltaire drüben ist.

      FRAU: *Entrüstet: Der war doch Atheist!

      MANN: Na und?

      FRAU: