Oliver Hell - Gottes Acker. Michael Wagner J.

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Название Oliver Hell - Gottes Acker
Автор произведения Michael Wagner J.
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847655312



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sein, mag nicht sein.“

      Schwül. Es war noch immer heiß. Die Luft war dick und roch nach den Absonderungen der Bäume. Es roch nach Nadelholz. Der Geruch verband sich in seinem Gehirn mit der Erinnerung an Gauernacks Tod. Wann auch immer Hell in seinem weiteren Leben diesen Geruch wahrnahm, so hatte er folgendes Bild vor Augen. Ein zertrümmerter Wagen, dessen Dach wie eine Sardinendose geöffnet wurde. Ein toter Kollege. Eine völlig aufgelöste Kollegin.

      „Habt ihr den Anrufer schon ermittelt?“, fragte Hell jetzt Tim Wrobel, als der sich vor der Türe von Jan Schnackenberg seine weißen Überschuhe anzog.

      Wrobel nickte. „Der Anruf kam von einem Reporter. Sein Name ist Maier.“

      *

      Hell kam die Situation schizophren vor. Vor nicht ganz zwei Minuten hatte er einen Disput mit einem Journalisten. Jetzt suchte er in seinem Handy nach der Telefonnummer von Maier. Er blickte auf das Display. Es war zwei Uhr nachts. Hell zögerte einen Moment, doch dann wählte er die Nummer des Reporters.

      Es klingelte.

      Er hatte sich an die Spielregeln gehalten. Auf das System vertraut. Jetzt war der Staatsanwalt ein Fall für die Leichenbeschau. Dr. Beisiegel hatte eine Woche Urlaub. In dieser Zeit wurde sie von ihrem Kollegen Plasshöhler vertreten. Der Gerichtsmediziner kam gerade auf ihn zu. Direkt nachdem er den Leichnam von Jakob Gauernack kurz betrachtet und in die Gerichtsmedizin weitergeschickt hatte, war er jetzt am nächsten Tatort angekommen. Hell gab ihm im Vorbeigehen die Hand. Der Arzt grüßte und verschwand hinter der Haustür. Hell blickte ihm hinterher.

      Die verschlafene Stimme von Maier meldete sich, als Hell es schon aufgeben wollte. „Ja, wer stört um diese Zeit meinen Schönheitsschlaf?“

      „Ich, Oliver Hell. Ich will gar nicht lange um den heißen Brei herumreden. Warum hatten Sie mit Jakob Gauernack ein Treffen am gestrigen Abend?“

      Maier gähnte. „Gauernack? Der ist nicht gekommen.“ Er schmatzte vor sich hin. „Hmh, woher … woher wissen Sie von meinem geplanten Treffen mit Gauernack?“

      „Aus seinem Handy“, antwortete Hell. Er zögerte, dem Reporter direkt die Wahrheit zu gestehen.

      Maier horchte auf. „Aus seinem Handy? Stimmt was nicht? Ist was passiert?“

      Hell verspürte weiter einen Wiederwillen, den Reporter einzuweihen. Wer weiß, vielleicht würde er es vorziehen zu schweigen, wenn er erst erfahren hätte, was passiert war.

      „Was wollten Sie von Gauernack?“

      „Kommen Sie, Hell. Sie haben das Handy des Staatsanwaltes. Aber Sie wissen nicht, warum er sich mit mir treffen wollte. Ich wäre ein beschissener Journalist, wenn ich da nicht hellhörig würde. Was ist passiert?“

      „Erst Sie, Maier. Erzählen Sie mir die Wahrheit. Sie haben mich damals schon auf Gauernack angesprochen. Was ist der Grund für ihr Treffen gewesen?“

      Hell hörte, wie der Reporter auf eine Tastatur eintippte.

      „Kennen Sie das? Sie warten auf eine große Chance und sie kommt einfach nicht?“ Er tippte weiter.

      „Was ist los, Maier? Wollen Sie mich hinhalten?“

      „Nein, Herr Kommissar, das will ich nicht. Ich möchte nur keinen Schwachsinn berichten“, sagte er und Hell bemerkte, wie seine Stimme sich veränderte.

      „Was?“

      „Ich verspreche Ihnen, ich sage Ihnen den Grund für unser Treffen, wenn ich mir sicher bin. In Ordnung?“

      „Was wollten Sie von Gauernack? Maier, meine Geduld ist beinahe aufgebraucht“, sagte Hell in einem genervten Tonfall.

      „Sie verstehen mich nicht, Hell. Nicht ich wollte etwas von ihm. Er wollte etwas von mir. Er hat mich vor ein paar Monaten angerufen, um mir eine Story anzubieten.“

      Der Tonfall der Worte Maiers hatte etwas Gehetztes. Hell fiel es sofort auf.

      „Ach. Dann wollten Sie mich damals nur ködern nach der Pressekonferenz?“

      „Ich sagte ja, es war eine Chance, die sich dann wieder in Luft aufzulösen drohte. Gauernack war plötzlich wieder verschwiegen. Erst vorige Woche kam er wieder auf mich zu. Und gestern hat er mich angerufen. Wenn ich noch Interesse hätte, dann sollte ich ihn zurückrufen.“

      „Hat er ihnen was gesagt? Einen Grund?“, fragte Hell. Kein Zweifel, der Reporter hatte eine heiße Spur und er würde dem Kommissar nichts sagen, was ihm diese Spur und die dazugehörende Story verderben würde.

      „Nein, er sagte nur, er würde mir etwas Wichtiges mitbringen zu dem Treffen. Was ist passiert?“

      Hell hörte den Wiederhall seiner Stimme, als er sagte, „Jakob Gauernack hatte einen Autounfall. Er ist tot.“

      Es herrschte für ein paar Sekunden eine angstvolle Stille. Doch Maiers nächster Satz ließ Hell erschaudern. „Durchsuchen Sie das Auto. Ich bin mir sicher, das, was er bei sich hatte, war der Grund für diesen Unfall.“

      Hell hielt inne und presste das Handy an sein Ohr. „Es war ein Unfall, Maier. Der Unfallgegner kam von der Straße ab. Es hätte jeden treffen können, der dort entlangfuhr.“

      Auf die Stirn von Oliver Hell traten Schweißperlen. Nicht nur, wegen der Hitze der Nacht. Er stellte sich vor, Maier könnte Recht haben.

      „Und wenn nicht, Herr Kommissar? Wenn es ein Mordanschlag war? Was dann?“

      Eine Schweißperle löste sich und lief in Hells Augenbraue. Er wischte sie mit einer mürrischen Handbewegung weg.

      „Haben Sie eine Ahnung, was Gauernack bei sich trug?“

      „Nein. Eine CD, einen Memory-Stick. Fotos. Ich habe keine Ahnung. Sie sind der Polizist, nicht ich.“

      „In Ordnung, ich werde die notwendigen Schritte einleiten. Wann können wir uns sehen? Ich meine, wenn Ihnen noch etwas eingefallen ist?“

      „Wenn ich einen klaren Kopf habe, dann melde ich mich. In Ordnung?“

      Das Telefonat war beendet. Um wieder klar denken zu können, hätte Hell seinen Kopf am liebsten in einen Eimer mit Eiswürfeln gesteckt. Konnte Maier mit seinen Andeutungen wirklich die Wahrheit sagen?

      Wo war Wrobel? Hell ging ins Haus zurück. Er fand ihn in der Küche, wo der Ermittler dabei war, seinen Ermittlungskoffer auszupacken.

      „Tim, habt ihr im Wagen Gauernacks seine Aktentasche oder seinen Laptop gefunden?“

      „Wir haben alles, was im Audi war, in die KTU verbracht. Warum? Was ist?“

      Hell sprach ohne Wrobel anzusehen, „Ich habe mit Maier telefoniert. Er behauptet, dass Gauernack sich mit ihm treffen wollte, weil er ihm etwas Vertrauliches übergeben wollte.“

      Wrobel staunte. Nicht nur über das, was Hell sagte, viel mehr darüber, dass Hell diesen Reporter kannte. „Was denn?“

      Hell spürte die Verzweiflung wachsen. „Er weiß es nicht. Er weiß auch nicht, um was es überhaupt ging. Gauernack hatte ihn kontaktiert, sagt er.“

      „Warum fragst Du nach Gauernacks Unterlagen?“, fragte Wrobel und in seiner Stimme schwang so etwas wie Vorahnung mit.

      „Maier hat die Vermutung geäußert, der Unfall könne kein Unfall gewesen sein.“ Hell spürte, sein Herz machte einen Hüpfer. Nicht im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich.

      Sollte es wirklich sein, dass sie im Haus eines Mordopfers standen und über ein mögliches Verbrechen an ihrem Kollegen, dem Staatsanwalt Gauernack sprachen?

      „Wie soll das denn abgelaufen sein?“, fragte Wrobel irritiert. Er schüttelte nur ungläubig den Kopf, „Gauernack war unterwegs in einer Kolonne von Autos. Bergauf. Der Unfallgegner kam ihm entgegen. Ebenfalls in einer Kolonne. Bergab. So etwas kann man nicht planen. Nicht in aller Welt glaube ich daran.“

      Wrobel rückte seine Brille