Oliver Hell - Gottes Acker. Michael Wagner J.

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Название Oliver Hell - Gottes Acker
Автор произведения Michael Wagner J.
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847655312



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hatte Todesangst. Immer näher kam die Waffe.

      Dann platzte der Schädel Schnackenbergs auf, sein Kopf schnellte zurück. Die schreckgeweiteten Augen erstarben.

      Der Mann trat zurück und filmte sein Werk. Schnackenberg saß so in dem Sessel, wie Hell ihn vorgefunden hatte. Dann endete das Video abrupt.

      „Der Typ möchte Applaus für seine Tat haben. Warum schickt er uns sonst dieses Video“, fragte Rosin.

      „Das sehe ich auch so“, sagte Klauk.

      Hell stand mit einem Ruck auf.

      „Besprechung in einer Viertelstunde. Ich will dann mehr Ideen haben. Denkt nach. Je schneller wir was vorweisen, desto besser stehen wir da.“

      Klauk und Rosin gingen schweigend den noch fremden Gang entlang zu ihrem Büro. Überall konnte man in die gläsernen Büros hineinschauen. Nicht nur ihr Team hatte Stress. Auch in den anderen Büros sahen sie angespannte Gesichter. Rosin bemerkte es und machte eine Bemerkung.

      „Schau hin, nicht nur unser Chef hat schlechte Laune“, raunte ihr Klauk zu.

      „Schlechte Laune hin oder her. Er hat ja Recht. Und außerdem ist er seit gestern früh auf den Beinen. Da kann man schon mal unwirsch sein, Sebi.“

      Klauk sagte nichts, stimmte ihr aber wortlos zu. Zehn Minuten später saßen sie zu dritt vor den immer noch recht leeren Glastafeln. Hell hatte ein Foto des toten Jan Schnackenberg auf die Wand geklebt.

      „Wo ist eigentlich Jan-Phillip?“, fragte er.

      Rosin zuckte mit den Schultern. „Noch beim Arzt, denke ich.“

      „So lange kann das doch nicht dauern, sein Kopf kann keinen so großen Schaden genommen haben. Ich habe ihm schon eine SMS geschickt. Aber er antwortet nicht“, sagte Klauk.

      „Gut, fangen wir eben ohne ihn an“, sagte Hell und stand eilig auf.

      Er malte mit schnellen Strichen einen Pfeil auf die Glastafel. Vor dem Pfeil stand ‚Oskar‘, dahinter das Wort ‚Profil‘. Er machte noch zwei Ausrufezeichen dahinter.

      „Wir brauchen einen für diesen Psychoscheiß“, rief er aufgeregt. Und prompt bereute er den negativen Ausdruck.

      Seine Partnerin Franziska Leck konnte er nicht einplanen. Die Profilerin und Psychologin war noch auf einer Tagung. Bis zum Wochenende. Dann würde sie ihn in Bonn besuchen kommen. Vorher konnte er nur abends telefonischen Kontakt aufnehmen. Er wollte sie auch nicht nach einem anstrengenden Tag mit seinen Problemen behelligen.

      Er schaute zu Lea herüber. Man konnte förmlich sehen, wie er einen Entschluss fasste.

      „Wir brauchen Christina. Ruf sie an bitte. Ich kläre das mit ihren Ausbildern!“

      Lea schaute ihn ungläubig an. „Christina?“

      „Rede ich undeutlich? Mach schon!“

      In dem Moment öffnete sich die Türe und Jan-Phillip Wendt hielt sich nicht lange mit der Vorrede auf. „Ihr werdet es nicht glauben, was ich eben erfahren habe. Die KTU ist sicher, dass der Mazda, der vor Gerickes Werkstatt verbrannt ist, noch kurz vorher gefahren ist. Er ist übrigens ebenfalls auf Stephan Gericke zugelassen. Und jetzt hört euch mal meine Theorie an.“

      Alle Anwesenden schauten gespannt zu ihm herüber. „Schieß los“, sagte Klauk.

      „Also, Stephan Gericke wartet auf der Margarethenhöhe. Hinter Gauernack fährt jemand in diesem Mazda. Er gibt ihm per Handy Bescheid, als Gauernack am Fuß des Berges angekommen ist. Gericke setzt sich mit seinem BMW in Bewegung. Wenig später sieht er den Audi von Gauernack, schiebt ihn von der Straße. Und jetzt kommt‘s. Der Fahrer des Mazdas hält unerkannt an, spielt womöglich den Ersthelfer, klettert zum Wrack des Staatsanwaltes, holt von dort die Unterlagen und verschwindet. Er fährt zur Werkstatt und stellt dort den Wagen ab, demontiert die Kennzeichen. Das ist die einzige Erklärung, wie die Tasche des Staatsanwaltes in den Wagen kam.“

      Hell blickte lange auf seinen Stellvertreter. „Eine gute Theorie. Aber nur Du hast diese mysteriöse Tasche gesehen, Jan-Phillip.“

      „Misstraust Du mir, Chef?“

      „Nein, das tu ich nicht. Das weißt Du. Aber wir brauchen mehr, als nur eine Theorie. Wir brauchen Beweise.“

      „Diese Akten, die Gauernack bei sich trug, scheinen jedenfalls für jemanden sehr wichtig zu sein“, meinte Rosin.

      Die Wahrscheinlichkeit, dass der Staatsanwalt einem gezielten Anschlag zum Opfer gefallen zu sein schien, wurde allen Anwesenden mit einem Mal bewusst. Wenn nicht schon durch die Theorie von Jan-Phillip Wendt, dann durch den äußerst bedacht und zögerlich ausgesprochenen Satz von Lea Rosin. Sie rieb sich die Hände aneinander, presste die Daumenwurzeln fest aneinander. Plötzlich stand eine Sache im Raum, die alle Maßstäbe zu sprengen drohte. Ein Anschlag gegen einen Staatsanwalt mit tödlichem Ausgang. Meinhold war im Einsatz von einer Kugel getroffen worden, Oliver Hell wurde während seiner Entführung massiv geschlagen und psychisch gequält. Doch das waren Ereignisse, die sich aus dem Polizeieinsatz ergaben. Doch Gauernack hatte keinen Einsatz. Er war Staatsanwalt. Auch dieser Beruf brachte ein gewisses Gefahrenpotential mit sich. Es gab nach einigen Verurteilungen Menschen, die sich zu wüsten Drohungen gegen die Staatsanwaltschaft hinreißen ließen. Doch blieb es meist dabei. Die Großmäuler waren nach der Haft meist eher kleinlaut.

      „Wir sollten die Verurteilungen der letzten Jahre überprüfen. Vielleicht findet sich dort ein Kandidat, der Gauernack gedroht hat und nun wieder auf freiem Fuß ist“, sagte Wendt nachdenklich.

      Hell nickte zustimmend. „Ich rede mit Brigitta Hansen. Sie soll uns eine Liste zuschicken.“ Er machte eine kurze Pause, sog einmal kräftig die Luft durch die Nase ein, „Aber je mehr wir erfahren, desto eher glaube ich, dass wir eine ‚Causa Gauernack‘ haben.“

      Es blieb Klauk, Rosin und Wendt nichts anderes übrig, als zuzustimmen.

      „Wenn wir die Ergebnisse der Durchsicht seiner Akten vorliegen haben, dann wissen wir vielleicht auch, wonach wir suchen müssen“, sagte Klauk.

      „Stimmt!“

      „Wird auch die Wohnung von Gauernack durchsucht? Ich meine, womöglich bewahrt er dort weitere Akten auf, die uns eine Idee liefern.“

      „Du meinst, es hat gar nichts mit uns, sprich der Polizei oder der Staatsanwaltschaft zu tun?“, fragte Wendt und drehte sich um zu Rosin, „Wenn es was Privates war, dann können wir hier in der Behörde lange suchen. Du hast Recht, Lea. Das sollten wir einbeziehen.“

      „Woran mal wieder sieht, dass man die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, nie gut genug kennt. Sonst wäre uns bestimmt etwas aufgefallen. Ich werde Hansen jetzt sofort anrufen und ihr die Lage schildern“, sagte Hell und fand den Knopf auf dem Telefon wieder, mit dem er schon einmal die Oberstaatsanwältin erreicht hatte.

      Je öfter man diese neue Technik benutzt, desto besser klappt es, dachte er, während er parallel die Worte vorformulierte, mit denen er die neuesten Erkenntnisse und Theorien Brigitte Hansen verkaufen wollte.

      Es knackte leise in der Leitung. „Oberstaatsanwältin Hansen, guten Tag“, meldete sie sich.

      *

      Während Lea Rosin mit Christina Meinhold telefonierte, hatte sie ihre Kollegen Klauk und Wendt gut im Blick. Auch konnte sie Hell sehen, der in seinem Büro mit Brigitta Hansen telefonierte. Sein Gesichtsausdruck spiegelte die Anspannung wieder, die nicht nur er spürte. Sie kannte den Staatsanwalt erst kurze Zeit, hatte ihn aber als nicht sonderlich sympathischen Zeitgenossen verbucht. Zu oft war er scheinbar grundlos mürrisch.

      Über Staatsanwältin Brigitta Hansen vermochte sie sich aber noch weniger ein Bild zu machen. Wie sie jetzt reagieren würde, dass konnte sie überhaupt nicht vorhersagen.

      Während sie mit Meinhold sprach, ruhten ihre Augen weiter auf Hell.

      „Ja, er hat gesagt, er macht das klar mit deinen Dozenten“, bestätigte