Mary Shelley. Barbara Sichtermann

Читать онлайн.
Название Mary Shelley
Автор произведения Barbara Sichtermann
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783955102869



Скачать книгу

ich als Kranz dir wand.

      Drück an das Herz denn diese Liebesgabe,

      Und ob auch Zeiten wechseln, Jahre schwinden,

       Wird jede Blume meines Herzens

       Doch dir geheiligt sein.«

      Zwischendurch zwinkerte er Fanny zu, die sofort rot wurde, dabei aber lächelte. Jane reichte ihm eine Tasse Tee. Und Godwin applaudierte.

      »Sie werden es zu etwas bringen, mein Freund. Kommen Sie doch recht bald wieder.«

      Als Percy und Harriet auf dem Heimweg waren, rekapitulierten sie, wer da in der Skinner Street von wem abstammte, und korrigierten einander mehrmals lachend.

      »Nein, Percy, die Kleine mit den schwarzen Locken, die niedliche Jane, ist nicht Godwins leibliche Tochter; Mrs Clairmont Godwin hatte sie schon, als sie ihren jetzigen Mann kennenlernte, genau wie den älteren Charly.«

      »Sie war demnach vor der Heirat eine Witwe?«

      »War sie nicht. Von Fanny habe ich gehört, dass beide Kinder außerehelich geboren wurden – sie haben verschiedene Väter.«

      Percy nickte anerkennend. »Aber der kleine Junior – dessen Eltern sind die Godwins.«

      Harriet ergänzte: »In der Küche hat die Mutter mir erzählt, dass es noch eine weitere Tochter gibt, die zurzeit in Schottland lebt, Tochter aus ›Papas‹ erster Ehe, von ihm und Mary Wollstonecraft. Sie ist ein halbes Jahr älter als Jane und heißt auch Mary.«

      »Drei Mädchen also hat Godwin zu versorgen, nur eines davon sein eigen Fleisch und Blut. Und zwei Knaben, einer davon sein leibliches Kind. Ein Sieben-Personen-Haushalt, und nun zähl noch die Dienstboten hinzu. Godwin hat schon in seinen Briefen angedeutet, die Verlagsbuchhandlung würfe nicht genug ab, er sei hoch verschuldet. Wir müssen überlegen, wie wir ihn unterstützen können.«

image

      In Schottland hatte die junge Mary Godwin derweil eine gute Zeit. Zu dieser Landverschickung war es schon vor anderthalb Jahren gekommen; Mary war, wie man seinerzeit liebevoll und diskret formulierte, von zarter Gesundheit, und Besserung würde, so der Arzt, allein die Seeluft bringen. Wie die meisten Teenager hatte Mary große Lust zu reisen, aber sie fürchtete sich vor der Trennung von ihrem Vater – dem über alles geliebten. Außerdem wurde sie leicht seekrank, so sah sie der Schiffsfahrt mit gemischten Gefühlen entgegen. Aber als sie dort oben angekommen war, bei Familie Baxter, Bekannte Godwins, Nonkonformisten, wohnhaft nahe der Stadt Dundee am Fluss Tay, fühlte sie sich auf der Stelle wohl und aufgehoben. Bei ihrem ersten Besuch im Norden war sie vierzehn Jahre alt gewesen, »a bookish girl«, wie Zeitgenossen sie nannten, stets in Lektüre vertieft, aber auch selbst fabulierend und schreibend. Als ich ein Mädchen war, so drückte es die Schriftstellerin Jahrzehnte später in einem Vorwort aus, verbrachte ich viel Zeit in Schottland. Die Ufer des Flusses Tay waren mir ein freundlicher Ort, an dem ich ungestört mit den Geschöpfen meiner Fantasie verkehren konnte. Dort unter den Bäumen nahe unserem Haus oder auf den gebleichten Felsen der baumlosen nahen Berge wurden die luftigen Gestalten meiner Vorstellung geboren und aufgezogen. Ich machte nicht etwa mich selbst zur Heldin meiner Geschichten. Das Leben erschien mir, was mich selbst betraf, als eine banale Angelegenheit. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass romantische Leiden oder wunderbare Begebenheiten jemals mein eigenes Los werden könnten. Meine Fantasie war nicht auf meine Person beschränkt, ich konnte sie mit Geschöpfen bevölkern, die mir in jenem Alter weit interessanter erschienen als meine eigenen Gefühle.

      Eine große Rolle in Marys schottischer Zeit spielte Isabel, eine der Töchter ihrer Gastfamilie, mit der sie sich blind verstand. Isabel war ein paar Jahre älter, mit ihr konnte Mary über alles reden – auch darüber, wie bedrückt sie zu Hause unter dem Regiment ihrer Stiefmutter gewesen war und für wie unwürdig sie diese dahergelaufene Person der Liebe ihres Vaters fand. »Wenn sie nicht eines von uns Kindern zur Schnecke machen kann, ist sie nicht zufrieden.«

      Und manchmal, wenn Isabel und Mary am Flussufer einen Platz gefunden hatten, an dem sie sich niederlassen und übers Wasser blicken konnten, und wenn Isabel Mary bat, sich zu erinnern, was der Vater ihr so erzählt habe, holte Mary aus und berichtete von alten Zeiten, in denen ihre Mutter noch lebte. Eine Mutter, von der sie mit Ehrfurcht sprach, denn sie war eine Frau von großen Verdiensten. Mitten in den gefährlichen revolutionären Kämpfen hatte sie sich nach Paris getraut, dort an den Debatten um die Republik und die Frauenrechte teilgenommen, und sie war dabei ganz auf sich gestellt. Sie war Schriftstellerin geworden, die berühmte Mary Wollstonecraft, und als sie nach ihrer Rückkehr in die Heimat Marys Vater, den sie schon aus einem freigeistigen Verlegerzirkel kannte, wieder traf, da war es um beide geschehen, da wollten sie zusammenbleiben und füreinander da sein, alle Zeit. »Aber nicht so wie andere Paare«, sagte Mary, »an eine Eheschließung dachten meine Eltern nicht. Das war das Freigeistige an ihnen, das Revolutionäre. Sie fanden es nicht richtig, Gesetze über Gefühle zu stellen und aus der Liebe eine Pflicht zu machen.«

      »Aber sie haben es getan. Sie haben geheiratet.«

      »Ja, weil ich unterwegs war. Eine Frau, die ein Kind bekam ohne Ehemann – was hatte die zu leiden und sich anzuhören! Sie galt als Sünderin, als Hure, als verworfenes Geschöpf. Ist das heute anders? Nein. Mein Vater wollte nicht, dass meine Mutter verachtet würde, verstehst du, er wollte auch, dass sein Kind seinen Namen trägt. So sind sie dann doch ein Ehepaar geworden – einfach weil die anderen Menschen noch nicht so weit waren, anzuerkennen, dass freie Liebe etwas viel Großartigeres ist; dass die Liebe frei sein muss, damit sie … Liebe bleibt.«

      »Der Pfarrer hat sich bestimmt gefreut.«

      »Die Meinung des Pfarrers hat meinem Vater nicht viel bedeutet. Er ist kein religiöser Mensch. Er sieht in der Religion den Versuch, die Herzen und den Geist der Menschen zu unterwerfen. Gäbe es Gott, so wäre er entsetzt, was in seinem Namen alles geschieht.«

      »Meinst du nicht, dass es sein könnte … dass Gott deinen Vater für seinen Unglauben gestraft hat, als er ihm deine Mutter nahm?«

      »Es war das Kindbettfieber, Isabel. Viele Frauen leiden darunter. Und sterben daran. Ich glaube nicht, dass Gott seine Hand im Spiel hatte.«

      »Manchmal ängstigt mich der Gedanken, dass ich ein Kind bekommen werde. Wie soll das gehen ohne Gottvertrauen? Und ohne Gebete? Ach Mary, wenn wir Jungen wären, würden wir jetzt griechische Gedichte übersetzen.«

      »Ich sollte ein Junge werden. Meine Eltern hatten sogar schon einen Namen: William. Irgendwie bin ich wirklich ein Junge geworden, weißt du. Jedenfalls werde ich griechische Gedichte übersetzen.«

      ***

      Eines Tages war es so weit, dass Mary nach London zurückkehren musste – aber daheim stellte sich heraus, dass ihre Gesundheit immer noch ziemlich zart war und dass die Highlands, der Tay und vor allem Isabel ihr schrecklich fehlten. So kam es zu einer zweiten Reise nach Schottland und zu einem weiteren längeren Aufenthalt Marys bei den Baxters. Ferien aber waren das durchaus nicht. In der Familie Baxter, die durch Tuchfabrikation wohlhabend geworden war, wurde viel gelesen und gelernt, Hauslehrer kamen zum Unterrichten, und der junge Gast war davon nicht ausgeschlossen. William Godwin legte außerordentlich großen Wert auf die Bildung seiner Kinder, auch und vor allem seiner Töchter – die Jungen besuchten öffentliche Schulen – und er hatte seine intelligente Mary mit viel Ehrgeiz selbst unterrichtet. Mary besaß gute Kenntnisse in den Fächern Geschichte, Literatur und Philosophie, sie war in die Anfangsgründe des Lateinischen eingeführt worden und konnte schon ziemlich gut Französisch. Außerdem hatte sie zeichnerisches Talent und dichterische Fantasie. Für Godwin war jeder Tag, an dem nicht gelesen, gebüffelt, geübt und referiert wurde, ein verlorener Tag. Mary dachte ebenso. Dennoch hatte der besorgte Vater vorab an die Baxters geschrieben: Ich bemühe mich, sie wie einen Philosophen, ja wie einen Kyniker zu erziehen. Das wird viel zu der Stärke und dem Wert ihres Charakters beitragen. Ich sollte überdies hinzufügen, dass sie keinerlei Hang zur Zerstreuung hat und mit ihren Wäldern und Bergen vollauf zufrieden sein wird. Ich wünschte außerdem, dass sie zu mehr