Название | Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang |
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Автор произведения | Johann Gottfried Herder |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4064066398903 |
Jn der Dichtkunſt Ramler, Kleiſt, und inſonderheit Gleim; in der Proſe Leßing und Abbt; wenn man dieſe lieſet, wie bedauret man nicht den Sulzerſchen Einfall, uns keine Jdiotismen zu laſſen. Gleims Kriegslieder und ſein verſificirter Philotas inſonderheit iſt voll von dieſer Deutſchen Staͤrke. — Eine fleißige Seele in Liefland hat einen Anhang zu Friſchens Woͤrterbuch, aus der Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſenſchaften, Litteraturbriefen, Leßings, Uz und dergleichen Schriften gemacht; aus dem ich, weil er doch zu gut iſt, um in einem Winkel ohne Anwendung zu vermodern, wenn er vollendet ſeyn wird, einen Auszug liefern werde. Aus den Zeiten der Meiſterſaͤnger, des Opitz und Logau, des Luthers u. ſ. w. ſollte man die Jdiotismen ſammlen, und inſonderheit mehr von Klopſtock lernen, dieſem Genie in Schoͤnheiten und Fehlern, der ſelbſt in der Deutſchen Sprache ſich den Schoͤpfungsgeiſt anmaaßte, und auch dieſen Geiſt der Freiheit eigentlich in Deutſchland zuerſt ausbreitete: wirklich ein Genie, das ſelbſt in ſeiner Eccentricitaͤt groß iſt, und das, ſo wie Alexander Macedonien, die damalige Deutſche Sprache nothwendig fuͤr ſich zu enge finden muſte.
Und ſind die Jdiotismen zu nichts gut: ſo eroͤfnen ſie dem Sprachweiſen die Schachten, um das Genie der Sprache zu unterſuchen, und daſſelbe zuerſt mit dem Genie der Nation zuſammen zu halten. Viele Jdiotismen fremder Voͤlker wuͤrden wir daraus erklaͤren: (z. E. warum die meiſten Nationen der Sonne und die Mond ſagen; wir aber umgekehrt; warum das Lateiniſche fuſus in herba immer fuͤr uns fremde klingt, koͤnnte immer aus dem Zuſtande unſrer alten Urvaͤter bewieſen werden. Sie fingen bekannter maßen von der Nacht zu rechnen an: hielten in der Nacht ihre Zuſammenkuͤnfte, Kriegsund Friedensſchluͤſſe: und wuſten kein groͤßeres Siegel der Vertraͤge, als das Klirren der Degen, mit dem Zuruf: der Mond iſt Zeuge! Eben daher iſt das: im Graſe hingegoſſen 14 wohl ein zu wohlluͤſtiges Bild fuͤr das waldigte kalte Deutſchland, wie es vormals geweſen.) Wie ſehr ſind nicht die alten Schottiſchen Gedichte Abdruͤcke ihres Landes?
Auch die Kuͤhnheit in Jdiotismen bei einem einzelnen Autor gibt Gelegenheit, auf ſein Genie Acht zu haben. Derſelbe Blick, der die Begriffe, wie die Farben im Sonnenſtral, theilt, nimmt auch die Lichtbrechung in den Nuancen der Sprache wahr. Der mittelmaͤßige Scribent bequemt ſich, nach dem ordentlichen Wege, um ins Cabinett ſeines Fuͤrſten zu gelangen; dieſer beſticht jener betriegt, ein andrer ſchmeichelt: ein gewiſſer Deutſcher Pythagoras laͤßt ſich beſchneiden, um hinter die Vorhaͤnge der Weisheit zu kommen; das kuͤhne Genie durchſtoͤßt das ſo beſchwerliche Ceremoniel: findet und ſucht ſich Jdiotismen; graͤbt in die Eingeweide der Sprache, wie in die Bergkluͤfte, um Gold zu finden. Und betriegt es ſich auch manchmal mit ſeinen Goldklumpen: der Sprachenphiloſoph probire und laͤutere es: wenigſtens gab er Gelegenheit zu chymiſchen Verſuchen. Moͤchten ſich nur viele ſolche Bergleute und Schmelzer in Deutſchland finden, die, wenn die Deutſche Sprache eine Bergund Weidſprache iſt, auch als Graͤber und Jaͤger ſie durchſuchten. Caͤſar ſchrieb uͤber die Aehnlichkeit der Sprachen; Varro uͤber die Etymologie; Leibniz ſchaͤmte ſich nicht, ein Sprachforſcher zu ſeyn, und wir, trotz unſrer Deutſchen Geſellſchaft, haben hierinn wenig oder nichts gethan.
7.
Es bleibt uͤberhaupt wahr: „die Richtigkeit „einer Sprache entzieht ihrem Reichthum:„ 15 und wir duͤrfen, um dies in Augenſchein zu ſezzen, die aͤlteſte Sprache, die Hebraͤiſche, oder Arabiſche mit der Unſern in Abſicht auf den Reichthum vergleichen; er iſt ſo unterſchieden, wie die Haushaltung jener und unſerer Gegenden. Sie ſamleten Vieh und Knechte; wir ſamlen Gold und Hausgeraͤth: ſo iſt auch der Reichthum beider Sprachen.
Jhre iſt reich an Vieh:) Naturnamen ſind in ihr haͤufig: im kleinen Buch der Hebraͤer, das wir allein noch uͤbrig haben, ſind ſchon 250 Botaniſche Woͤrter: Namen, die unſre Sprache zwar kann ausdruͤcken, aber nicht auszudruͤcken weiß; 16 weil die καλοι καγαϑοι unſerer buͤrgerlichen Welt ſich auf nichts minder legen, als Hirtenkaͤnntniſſe einzuziehen: weil unſre Naturphiloſophen unter Buͤchern wohnen, und wieder zu Lateiniſchen Buͤchern hinkehren Unſre Schaͤferdichter und Saͤnger der Natur koͤnnen alſo die Blumen dieſer Kraͤuter nicht brechen: haͤtte man auch Deutſche Namen: ſo waͤren dieſe nicht bekannt gnug: ſie haͤtten nicht gnug Poetiſche Wuͤrde: denn unſre Gedichte werden nicht mehr fuͤr Hirten geſchrieben; ſondern fuͤr ſtaͤdtiſche Muſen; unſre Sprache iſt zur Buͤcherſprache eingeſchraͤnkt. — Hingegen hat es ſchon Leibniz bemerkt, daß unſre Sprache eine Weidund Bergwerksſprache iſt; ich glaube aber, zum Theil, geweſen iſt; weil viele dieſer Woͤrter theils veraltet ſind; theils vor Kunſtund Handwerkswoͤrter gelten, da unſre Lebensart nicht mehr Jagd und Bergwerke iſt.
Wir bemuͤhen uns alſo mehr um Hausgeraͤth:) Kunſtwoͤrter: buͤrgerliche Ausdruͤcke: Redensarten des Umganges ſind die haͤufigſten Scheidemuͤnzen im muͤndlichen und Buͤchercommerz: die Alten hingegen wechſelten mit Goldſtuͤcken: ſie ſprachen durch Bilder; wir hoͤchſtens mit Bildern, und die bildervolle Sprache unſrer ſchildernden Dichter verhaͤlt ſich zu den aͤlteſten Poeten, wie ein Exempel zur Allegorie, wie eine Allegorie zum Bilde in einem Zuge. Leſet den Homer, und denn leſet Klopſtock; jener malet, indem er ſpricht; er malet lebende Natur und Politiſche Welt: dieſer ſpricht um zu malen, er ſchildert; und um neu zu ſeyn: eine ganz andre Welt; die Welt der Seele und der Gedanken, da jener ſie hingegen in Koͤrper kleidet und ſpricht: Laß ſie ſelbſt reden!
Die Oekonomie der Morgenlaͤnder war reich an Knechten; ſo iſt es auch ihre Sprache.) Die Erfinder der Sprachen, ohne Zweifel nichts minder als Philoſophen, druckten natuͤrlicher Weiſe das durch ein neues Wort aus, was ſie noch nicht unter einen andern Begrif zu ordnen wußten. So entſtanden Synonyme, die dem Dichter eben ſo vortheilhaft waren, als ſie dem Grammatiſchen Philoſophen zum Aergerniß gereichen. Der Arabiſche Dichter, der zum Loͤwen 500 Woͤrter hat, die verſchiedene Zuſtaͤnde deſſelben bedeuten, z. E. junger, hungriger Loͤwe ꝛc. kann durch ein Wort malen, und durch dieſe mit einem Zuge entworfne Bilder vielſeitiger ſprechen, wenn er ſie gegen einander ſezzt; als wir, die dieſen Unterſcheid blos durch dazu geſezzte Beſtimmungen deutlich machen. Die Choͤre der Morgenlaͤnder koͤnnen ſich in ihren beiden Gegenſaͤzzen beinahe wiederholen; allein das Bild, oder die Sentenz bekommt durch eine Wendung, oder ein Wort Neuheit. Das Kolorit veraͤndert ſich, und dieſe Veraͤnderung gefaͤllt dem Ohr der Morgenlaͤnder; hingegen unſre Sprache, die an dieſen beinaheSynonymen gefeſſelt iſt, muß entweder die Wiederholungen ohne dieſen Nebenzug ausdruͤcken; und alsdenn ſind ſie fuͤr unſer Ohr verdrießliche Tavtologien; oder ſie druͤckt ſie gar ſchielend aus, und verirrt ſich, wie ſehr oft in der Deutſchen Bibeluͤberſezzung, von der Hauptidee des Gemaͤldes. Der Fehler liegt wirklich in der Verſchiedenheit unſrer Sprachen, und iſt ſchwer zu vermeiden.
Hieraus erklaͤrt ſich, glaube ich, die Bemerkung unſers Philologiſchen Sehers in den Orientaliſchen Sprachen: 17 „daß dieſe Tav„tologien, die dem Ohr der Morgenlaͤnder ge„fielen, unſerm unleidbar ſind„ jenen waren ſie nicht Tavtologien, denn Tavtologien ſind immer eckelhaft, und koͤnnen wenigſtens nie vergnuͤgen; ſondern wenn ein Chor das andere erklaͤrte, beſtimmte, oder das vorgetragne Gemaͤlde mit Nebenzuͤgen neu machte: ſo befriedigte dies Aug und Ohr. Jch glaube, Michaelis wird finden,