Название | WeltenRetter |
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Автор произведения | Jenny Kremer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991079576 |
„Warte“, hallte es leise im Flur hinter ihr. Doch sie drehte sich nicht um, keiner wollte sie an dieser Schule, also konnte sie eh nicht gemeint sein.
„Jetzt bleib doch mal stehen“, hörte sie die Stimme näherkommen. Jetzt lief sie los, sie wollte nicht warten, gar nicht erst auf einen Klassenkameraden, sie mochten sie nicht und daran würde sich nichts ändern.
Ihre Sicht war durch den Fluss ihrer Tränen beeinträchtigt, sodass sie nicht rennen konnte, ohne Gefahr zu laufen, mit einer Wand oder einer anderen Person zusammenzukrachen. Sie blickte sich abermals um, doch sie sah keinen.
Sie lief um die letzte Ecke, bevor sie die Ausgangstür erreichte, da wurde sie gepackt.
Den lauten Schrei unterdrückte sie gekonnt, doch was würde ihr nun drohen? Schläge, weil sie der Stimme keinen Glauben geschenkt hatte, ein Schulverweis, weil sie einfach, ohne triftigen Grund und ohne Erlaubnis, den Unterricht verlassen hatte, oder doch Schlimmeres?
Sie blickte ihren Angreifer an und vermochte kaum, ihren Augen zu trauen. Es war Tim, der sie an der Schulter festhielt. Er schien ganz außer Atem zu sein, aber warum, er war sportlich und hätte keinerlei Mühe gehabt, sie einzuholen.
„Was willst du?“, blaffte sie ihn an.
„Wie, was ich will, ich hab mir Sorgen gemacht, ich meine, ehm …“, stammelte Tim.
Er rieb sich mit der freien Hand den Hinterkopf und überlegte, was er nun sagen sollte.
„Brauchst du nicht, ich komm gut allein zurecht, ich brauche kein geheucheltes Mitleid, von keinem!“ Clarissa befreite sich aus seinem Griff und öffnete die Tür. Die letzten Tränen waren längst versiegt. Nun regierte die Wut über sich selbst in ihr.
„Hey, jetzt warte doch mal!“ Tim lief ihr nach, sich selbst bewusst, dass sie beide riesigen Ärger bekommen würden, aber das war ihm grade herzlich egal. Auf einmal mehr oder weniger Nachsitzen kam es jetzt auch nicht an.
„Lass mich einfach, okay?“
„Und wenn ich das nicht will?“
„Na, dann hast du Pech, ich gehe jetzt heim und wenn du unbedingt willst, dann komm halt mit und warte dann vor verschlossener Tür, die ganze Nacht bis morgen früh.“
Tim bemerkte, dass es nicht der Angriff seiner Klassenkameraden gewesen war, der Clarissa so mitgenommen hatte, doch was sollte er jetzt tun, sie war eindeutig zu aufgewühlt und wollte ihm nicht zuhören.
„Okay, dann bis morgen früh, ich werde da sein.“
Diese Worte warfen Clarissa nun gänzlich aus dem Konzept, sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um.
Geschafft!, dachte er sich und begann ein leichtes Lächeln.
„Du bist ein komischer Kauz, hat dir das mal jemand gesagt?“ Ihr skeptischer Blick traf ihn. Tim winkte ihr und trat dann den Rückweg zur Schule an.
Würde er seine Worte wahr machen?
Wieso war er so nett zu mir?
Auf wessen Seite stand er?
Gehörten seine netten Worte, mit denen er sie scheinbar beschützen wollte, zu einem niederträchtigen Plan?
Diese und noch viele weitere Fragen geisterten Clarissa den Tag über im Kopf herum, sie verstand den Jungen nicht, erst war er einen Tag gemein zu ihr, dann am nächsten nahm er sie in Schutz, ihr Kopf fuhr Karussell.
Zum Glück hatte ihre Mutter ihr die Ausrede mit den Bauchschmerzen geglaubt, so hatte sie nicht mehr zurück in die Schule gemusst und konnte sich nun ganz auf ihre eigenen Probleme konzentrieren, die waren im Moment wichtiger als alles andere.
Kapitel 4
„Anja, bitte!“, flehte Marisa.
„Nein, das kann ich nicht verantworten, wirklich nicht, wenn sie doch kommen, das geht einfach nicht.“
Anja lief den Flur immer wieder auf und ab. Sie konnte das nicht tun und Marisa durfte das nicht tun.
„Du bist meine beste Freundin und du bist die Einzige, die ihnen helfen kann.“
„Du bist die wichtigste Person in ihrem Leben, du kannst nicht einfach so gehen!“
„Ich will auch nicht gehen, aber du weißt genau, dass ich gehen muss.“, seufzte Marisa, „Ich kann sie nicht allein lassen und du bist meine letzte Hoffnung. Bitte Anja, tu es für die Kleinen.“
Marisa hatte Tränen in den Augen, sie hatte bereits die vergangenen Nächte durchgeweint. Es war das Grausamste, was der Rat der Mächtigen ihr hätte antun können, doch es galt dem Schutz ihrer Kinder.
„Marisa …“, begann Anja, doch bevor sie ihren Satz aussprechen konnte, brachen bei Marisa alle Dämme. Anja wusste, wie wichtig ihrer Freundin ihre Kinder waren, und eigentlich hatte sie ja auch Recht, wenn die beiden nicht bei ihr Unterschlupf finden konnten, dann bei keinem.
„Ja, ist ja gut, ich kümmere mich um Zoe und Alfred. Ich verspreche dir, dass sie immer zu Marie und mir kommen können, egal wann. Ich werde immer für sie da sein. Aber du musst dich an dein Wort halten. Sie werden in das Alter kommen und dann musst du wieder für sie da sein. Ohne dieses Versprechen werde ich dir nicht helfen, es sind deine geliebten Kinder und du allein bist in der Pflicht, sie auf das vorzubereiten, was sie erwarten wird.“
Marisa fiel Anja um den Hals.
„Danke Anja, du wirst es nicht bereuen. Natürlich bereite ich sie darauf vor, ich habe sie, so gut es in den wenigen Jahren ging, schon auf das Menschenleben vorbereitet und sobald sie alt genug sind, es zu verstehen, da werde ich sie auf ihre Aufgabe vorbereiten. Sobald der Tag naht, werde ich zurückkommen, dann werde ich ihnen alles erklären, sie ins Geschehen einweihen.“
„Marisa, vergiss nie, die Kinder sind sehr schlau, verpasse nicht den Moment, ich werde von hier nicht mit dir in Kontakt treten können, sei wachsam.“ Anja wusste, dass es ein Abschied auf Zeit sein würde, dennoch fiel es ihr schwer, ihre beste Freundin ziehen lassen zu müssen. In wenigen Tagen würde es so weit sein, die Zwillinge würden von ihrer Mutter zurückgelassen werden, sie würden lernen müssen, das Leben allein zu bestreiten und Herausforderungen zu bestehen.
„Es ist nur ein Abschied für acht Jahre, danach sind wir wieder vereint“, versuchte Marisa die Stimmung aufzuhellen, auch wenn sie wusste, dass es eine schwere, lange Zeit werden würde.
„Halt dich von Pablo fern, du hast die Zukunft gesehen, kämpfe für deine Kinder“, sagte Anja.
„Für die Kinder“, schwor Marisa, „Und achte auf Marie, du kennst die Zukunft ebenso wie ich“, sprach sie weiter.
„Versprochen“, flüsterte Anja.
„Anja, sag, erinnerst du dich noch an die guten, alten Zeiten? An die Zeiten vor den WeltenRettern?“, fragte Marisa fast tonlos.
„Aber klar doch, wie könnte ich unsere Kindheitstage nur vergessen?“ Anja lachte, als sie daran dachte.
„An die rutschigen Steine zum Beispiel, an denen wir immer hochgeklettert sind, um dann in die Lagune am nördlichen Rand unseres kleinen Heimatdorfes zu springen“, schwärmte sie.
„Ja genau, du in deinem geblümten Badeanzug mit dem Rüschensaum, dieses Teil hast du über alles geliebt“, fügte Marisa hinzu.
„Oh, erinner mich nicht daran“, lachte Anja.
Die beiden wussten nicht, wie lange sie in den Erinnerungen ihrer Kindheit schwelgten, aber es mussten mehrere Stunden gewesen sein, denn in der Zwischenzeit war die Sonne dem Mond gewichen und die Sterne waren am dunklen Nachthimmel erschienen.
Für gewöhnlich hatten die beiden die Zeit nicht mehr, um so lange in Erinnerungen zu schwelgen, doch heute schien es so, als wäre die Zeit um sie herum stehen geblieben. Sie lachten und redeten so ausgiebig wie seit Langem nicht mehr. Für gewöhnlich kamen nach kurzer Zeit die