Название | WeltenRetter |
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Автор произведения | Jenny Kremer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991079576 |
Die beiden waren mit ihren elf Jahren bereits viel erwachsener als die anderen Kinder aus ihrer Schulklasse. Logisch eigentlich, wenn man einen wichtigen Aspekt kannte, den jedoch nur zwei andere Kinder kannten. Wieso sollten sie den anderen auch auf die Nase binden, dass sie keine Eltern mehr hatten? Sie kamen sehr gut allein zurecht. Klar wussten sie, dass Kinder wie sie normalerweise nicht auf sich allein gestellt waren, sondern eine Mutter und einen Vater hatten, doch woher sollten sie denn wissen, dass sie nicht normal waren?
Zoe und Alfred waren Zwillinge, sie wurden in einem ganz normalen Krankenhaus geboren und wuchsen die ersten fünf Jahre gut behütet bei ihrer Mutter auf. Doch eines Morgens war sie einfach fort und hatte ihren Kindern nichts als einen Brief auf dem Küchentisch zurückgelassen.
Marisa, so hieß ihre Mutter, hatte ihren Kindern sehr früh gelehrt, zu lesen und zu schreiben, sie förderte sie, wo sie nur konnte. Sie musste allein zusehen, wie ihre Zwillinge aufwuchsen, denn einen Vater hatten die beiden nicht, zumindest sagte ihre Mutter ihnen dies stets so. In der Schule jedoch hatten die Kinder bereits mit acht Jahren gelernt, dass dies nicht möglich war, denn jedes Kind hatte eine Mutter und einen Vater. Es hatte sie sehr verletzt, ihre geliebten Kinder im Stich lassen zu müssen, denn sie waren noch so klein gewesen, so hilflos und zerbrechlich. Marisa redete sich dies immer wieder aufs Neue ein, doch je älter ihre Kinder wurden, desto mehr bewiesen sie ihr das Gegenteil. Alfred sah zwar schmächtig aus, denn er war schmal gebaut und eher zurückhaltend, was unter Umständen ein falsches Licht auf ihn warf, dennoch war er stark. Marisa wusste es genau, sie hatte es gesehen, sie wusste genau, welche unsagbaren Kräfte in ihm schlummerten. Auch Zoe war schlank, aber im Gegensatz zu ihrem Bruder war sie groß und hatte ein loses Mundwerk. Zoe sagte sofort, wenn ihr etwas nicht in den Kram passte, Alfred hingegen war eher der stille Beobachter. Aber wer bitte sollte ahnen, dass sie diese Rollen später einmal tauschen würden? Wer hätte auf die Idee kommen können, dass aus groß und charakterstark einmal ein ruhiger und in sich gekehrter Mensch werden würde? Kaum auszudenken, was alles passieren konnte, wenn sie ihre Fähigkeiten im falschen Sinne nutzen würden. Für die zweifache Mutter war es eine Qual gewesen, ihre Kleinen sich selbst überlassen zu müssen, doch was hätte sie tun sollten, sie hatten ihr gedroht.
Die Krieger hatten sie bereits vor der Geburt der Zwillinge aufgesucht und der Rat hatte eine machtvolle und lebensverändernde Entscheidung für sie getroffen. Dies galt dem Schutz aller, doch als Mutter ihre noch kleinen Kinder allein zu lassen, dieser Schritt war Marisa dennoch sehr schwergefallen.
Wie hätte es auch anders sein sollen, nachdem die Zwillinge auf die weiterführende Schule gekommen waren, so wurden sie direkt getrennt. Sie gingen zwar beide auf die gleiche Schule, in denselben Jahrgang, doch in unterschiedliche Klassen. In ihrer jetzigen Schule wurde es nicht gutgeheißen, wenn Zwillinge oder generell gesagt Geschwisterkinder in der gleichen Klasse waren. Die Lehrer waren paranoid, was das anging, denn sie kannten die speziellen Beziehungen, die besonders Zwillinge zueinander hatten.
Besonders im Bezug auf die Klausuren waren die Lehrkräfte skeptisch, denn war diese besondere Bindung mit einem Täuschungsversuch gleichzusetzen? Die Art und Weise, mit der Zwillinge miteinander kommunizierten, war für viele Menschen ein Rätsel, ein Mysterium. Zoe und Alfred teilten die gleichen Lehrer, doch in den vergangenen Wochen, genauer gesagt seit die Schule nach den Ferien wieder gestartet war, fielen den Kindern Veränderungen an ihren Lehrern auf. Ganz speziell zwei von ihnen verhielten sich merkwürdig. Sie beobachteten die Kinder, an manchen Tagen erschien es den beiden sogar so, als würden sie verfolgt.
Doch weder der eine noch der andere verzogen eine Miene und die Kinder waren sich nicht sicher, ob ihnen ihre Fantasie einen Streich spielte.
Marie und Tim, das waren die besten Freunde der Zwillinge, waren auch komisch drauf, das fiel Alfred direkt nach den Ferien auf. Doch beide stritten dies ab, Alfred spinne, da waren sie sich einig und das war absolut unnormal, denn normalerweise stritten beide immer und über alles. Wenn man Tim und Marie nicht besser kannte, so hätte man denken können, dass auch sie Geschwister gewesen wären, denn sie stritten über und auch um jede Kleinigkeit. Sie waren fast schlimmer als Zoe und Alfred. Und sogar das Aussehen der beiden erinnerte an Geschwisterkinder, sie glichen sich äußerlich sogar mehr als Zoe und Alfred.
Zoe neckte Marie immer mit dem Spruch „Was sich liebt, das neckt sich“ oder „Marie und Tim sitzen auf dem Baum, man glaubt es kaum“, doch Marie fand das ganz und gar nicht witzig. Sie mochte den besten Freund des Bruders ihrer besten Freundin nicht, er sei total arrogant und doof, das betonte sie immer wieder. Doch Zoe hätte schwören können, dass Marie dem angeblich so doofen Tim immer wieder mal einen gar nicht so fiesen Blick zuwarf.
Zoe und Marie kannten sich schon sehr lange. Die beiden hatten von klein auf immer zusammen gespielt, denn auch ihre Mütter waren beste Freundinnen aus Kindheitstagen gewesen. Seit die Mädchen laufen konnten, gingen sie durch dick und dünn, egal, wie weit ein Weg war, sie gingen ihn zusammen. Beide hatten sie den Vorschlag eines Tagebuchs abgelehnt, denn sie hatten einander und ihre Köpfe sogen die Informationen, die sie von der anderen bekamen, schlagartig wie ein Schwamm auf. Ihr Speicherplatz schien unendlich, also wozu ein Tagebuch, in das sie eh das hineinschreiben würden, was sie einander erzählten. Außerdem hatte dies einen riesigen Vorteil, denn wenn es um Dinge ging, die ihre Mütter nichts anging, so konnten diese ihre Geheimnisse auch nicht herausfinden.
„Beste Freundinnen fürs Leben.“
„Ja, für immer und ewig.“
Das waren die zwei Sätze, die die Kinder schon sehr früh täglich mehrfach wiederholten, bis zur heutigen Zeit.
Kapitel 2
Zoe schrie.
Sie wachte mitten in der Nacht schweißgebadet auf und atmete schwer. Ihre Augen hatte sie schlagartig aufgerissen. Die blanke Panik stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Zoe hatte einen lauten Knall gehört, bevor sie zur Besinnung kam.
Alfred war vom Schrei seiner Schwester aus dem Bett gefallen und eilte zu ihr. Er riss ihre Schlafzimmertür auf und fragte, was denn passiert sei.
„Ich, ich …“ Zoe zitterte am ganzen Körper und wusste eigentlich gar nicht so genau, warum. Sie stand völlig unter Schock, kaum ansprechbar, fast schon apathisch, und begann die Arme um ihre Knie zu schlingen.
Alfred trat näher an sie heran und versuchte, sie zu beruhigen.
„Zoe, komm runter, es war nur ein Traum.“ So hatte ihre Mutter die Zwillinge als Kleinkinder immer beruhigt, wenn sie in der Nacht aufgewacht waren und vor Angst zu schreien und zu weinen begonnen hatten.
„Alfred, das war kein Traum, mich hat jemand gepackt.“
Zoe deutete auf ihren linken Oberarm. Vorsichtig berührte sie diesen und ein Schmerz zuckte durch ihren Körper. Nun wollte sie es wissen. Was war dort? Sie schob den Ärmel ihres Schlafanzugs hoch und da sahen sie es. Die Zwillinge sahen einander mit geweiteten Augen an, als könnten sie es nicht fassen, was sie sahen.
„Das sieht ja aus wie eine Verbrennung!“, sagte Alfred geschockt.
„Was hat das zu bedeuten, Alfred?“, fragte Zoe mit zittriger Stimme.
„Das weiß ich nicht, aber eins weiß ich, das kommt nicht vom Schlafen oder einem Alptraum.“
„Liebes Tagebuch.
Heute war ein echt schräger Tag. Die Lehrer waren in der Schule richtig seltsam drauf. Andauernd haben sie Zoe und mich beobachtet, es war richtig gruselig. Was hat Zoe nur an sich, dass sie ständig beäugt wurde? Wir kennen uns schon so viele Jahre und das war nie so. Erst seit Beginn des Schuljahres. Alles ist anders, aber ich weiß nicht, ob das gut ist. Ich gönne ihr ja die ganze Aufmerksamkeit, auch wenn ich glaube, dass sie das bewusst gar nicht so mitbekommt. Aber eigentlich müsste es ihr doch auffallen, ich merke es doch auch, die Blicke, sie ruhen auf uns, sie brennen sich in meinen Rücken und das schmerzt. Es ist fast so, als wollten die Lehrer uns, nein ihr, etwas sagen, ohne Worte zu verwenden. Ich verstehe das Ganze zwar noch