Название | Tax Compliance |
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Автор произведения | Markus Brinkmann |
Жанр | Языкознание |
Серия | C.F. Müller Wirtschaftsrecht |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811447011 |
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Gem. § 93 Abs. 1 AktG haben die Vorstandsmitglieder „bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.“ Eine Pflichtverletzung führt gem. § 93 Abs. 2 AktG zu einer schadensersatzpflichtigen Innenhaftung. Die Innenhaftung betrifft den Vorstand und den Aufsichtsrat des Bertelsmann-Konzerns. Nach dem Wortlaut des § 93 Abs. 2 AktG ergibt sich eine Beweislastumkehr. Danach können Leitungsorgane von Kapitalgesellschaften trotz Beachtung ihrer Sorgfaltspflichten, sprich trotz ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleitung, dennoch persönlich haftbar gemacht werden. Dies ist dann der Fall, wenn es ihnen im Schadensfall nicht gelingt, die in Bezug auf die Haftungsvermeidung für das Unternehmen getroffenen angemessenen Organisations- und Überwachungsmaßnahmen transparent zu machen.
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Der Vorstand des Bertelsmann-Konzerns hat zur Sicherstellung dieser Regelungen und zur Gewährleistung der Compliance sowie der Tax Compliance im übertragenen Sinne eine konzernweit gültige Compliance-Organisation und ein Ethics & Compliance-Programm etabliert, die u.a. eine Grundlage für die Tax Compliance-Organisation bildet.
bb) Aufsichtspflicht eines Unternehmens gem. § 33 WpHG
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Neben den allgemeinen rechtlichen Regelungen des AktG, bilden im Bertelsmann-Konzern die speziellen Grundsätze des § 33 Abs. 1 WpHG ein weiteres Motiv für die Einführung eines konzernweit gültigen Compliance- und Tax Compliance-Systems.
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Gem. § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WpHG muss ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen „angemessene Grundsätze aufstellen, Mittel vorhalten und Verfahren einrichten, die darauf ausgerichtet sind, sicherzustellen, dass das Wertpapierhandelsunternehmen selbst und seine Mitarbeiter den Verpflichtungen dieses Gesetzes nachkommen, wobei insbesondere eine dauerhafte und wirksame Compliance-Funktion einzurichten ist, die ihre Aufgaben unabhängig wahrnehmen kann.“[3] Diese Norm gibt Organen von Unternehmen eine Aufsichtspflicht vor, deren Missachtung als Ordnungswidrigkeit gem. § 130 OWiG angesehen werden kann. Gem. der Spezialnorm des WpHG hat der Bertelsmann-Konzern eine Compliance-Funktion installiert, die in den konzerninternen Organisationsanweisungen vermerkt ist.
cc) Haftung der zur Aufsicht verpflichteten Personen gem. § 130 OWiG
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In § 130 OWiG wird die Haftung der zur Aufsicht verpflichteten Personen eines Betriebes oder Unternehmens bei Zuwiderhandlungen anderer geregelt. Einer Verletzung der Aufsichtspflicht kommt dabei insbesondere das vorsätzliche und fahrlässige Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen gleich, welche generell dazu geeignet sind, Gefahren für die Rechtsordnung zu verhindern.[4]
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Die Norm des § 130 OWiG regelt spezifisch: „Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswidrig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre. Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören auch die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen.“ Eine Verletzung der Aufsichtspflicht zieht danach eine Geldbuße nach sich.
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Selbst wenn es lange allgemein in der Literaturmeinung umstritten war, inwiefern die Regelungen des § 130 OWiG auch Konzerne betreffen, ergeben sich in Bezug auf die Rechtsprechung zu Sorgfaltspflichten und Haftungstatbeständen der Organe eines Konzerns klare Handlungspflichten zur Einführung einer konzernweit geltenden Tax Compliance-Organisation. So hat in 2013 ein deutsches Gericht erstmals den Geschäftsleiter eines deutschen Unternehmens wegen eines unzureichenden Compliance-Systems auf Schadensersatz in Millionenhöhe verurteilt.[5]
dd) Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten steuerpflichtiger Unternehmen gem. der AO
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Neben den bereits skizzierten Aufsichts- und Haftungsregelungen, kommt der deutsche steuerliche Rechtsbegriff der Tax Compliance insbesondere in den Verfahrensvorschriften der AO zum Ausdruck.
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Gem. § 34 Abs. 1 AO haben die Organmitglieder z.B. einer Aktiengesellschaft, also etwa auch der Bertelsmann SE & Co. KGaA, dafür Sorge zu tragen, dass Bücher und Aufzeichnungen geführt und Steuererklärungen abgegeben werden. Fahrlässige oder grobe Pflichtverletzungen führen nach §§ 34, 69 AO zu einer persönlichen Haftung der Vorstands- bzw. Organmitglieder mit ihrem Privatvermögen, sollten daraus Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sein.
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Daneben regelt § 97 Abs. 1 S. 1 AO die Mitwirkungs- und Informationspflicht der steuerpflichtigen Unternehmen gegenüber der Steuerbehörde. So ist der Steuerpflichtige auf Anfrage der Finanzbehörden zur Vorlage von „Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung“ verpflichtet. Im Falle international tätiger Unternehmen sind bei Auslands- und Konzernsachverhalten erweiterte Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen zu beachten.[6]
a) Rahmenbedingungen der deutschen Finanzverwaltung
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Tax Compliance aus der Sicht der Finanzverwaltung ist erst einmal schlicht die Erwartungshaltung an den Steuerpflichtigen, dass dieser alle seine steuerlichen Pflichten d.h. die rechtzeitige Abgabe vollständiger Steuererklärungen erfüllt. Allerdings geht die Finanzverwaltung nicht davon aus, dass der Steuerpflichtige freiwillig alle Informationen vorlegt, die für eine umfassende Beurteilung der steuerlichen Sachverhalte benötigt werden. Daher hat die Finanzverwaltung in den letzten Jahren eine Reihe von gesetzlichen Anforderungen eingeführt, die die Transparenz erhöhen sollen. Hier sind die Anforderungen an die Unternehmen für die elektronische Aufbereitung und Bereitstellung steuerlich relevanter Daten wie Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD), Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU), E-Bilanz sowie Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) zu nennen.[7] Auch die erweiterten Meldepflichten nach § 138 AO bei Auslandsbeteiligungen sind in diesem Kontext zu sehen. Die Finanzverwaltung möchte einen umfassenden Einblick über die Sachverhalte geliefert bekommen.
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Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren das Klima in Bezug auf Steuerstrafrecht zwischen Finanzverwaltung und den Konzernen deutlich verschärft. Bei fehlerhaften Steuererklärungen werden immer häufiger strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Organe und Mitarbeiter der Konzerne eingeleitet und auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zeigt eine deutliche Verschärfung im Steuerstrafrecht.[8] Ergänzend dazu hat der Gesetzgeber in der jüngsten Vergangenheit durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz[9] und das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung[10] eine stark ausgestaltete Schwerpunktsetzung auf dem Steuerstrafrecht und der Steuerhinterziehung gesetzt. Nach dem Regelungsinhalt dieser Gesetze ist die strafbefreiende Selbstanzeige des Steuerpflichtigen zwar nicht abgeschafft worden, jedoch deutlich verschärft.[11] Gem. § 371 Abs. 1 AO ist eine strafbefreiende Selbstanzeige nur noch in solchen Fällen möglich, wenn alle strafrechtlich noch verfolgbaren Steuerstraftaten der Vergangenheit vollständig offen gelegt worden sind.
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Das